Ab 27. Oktober sollen sich möglichst viele der 280.000 Angehörigen der Gesundheitsberufe in Österreich gegen die "Neue Grippe" (auch: "Schweinegrippe") impfen lassen. Ab 9. November sollen dann Personen mit einem besonderem Risiko (speziell chronisch Kranke, Schwangere) zur Immunisierung. Das sind in Österreich rund 600.000 Personen, erklärten Experten bei einem Hintergrundgespräch des Gesundheitsministeriums in Wien.
"Es ist eine für uns überaus kritische und schwierige Situation. Wir müssen Verantwortung tragen. Wir sind nicht im Hysterie-Business zu Hause. (...) Wir wissen nicht wann, in welcher Ernsthaftigkeit, in welcher Brutalität oder Nicht-Brutalität die neue Influenza auf uns niedergeht", sagte Sektionsleiter Clemens Auer. Viren und speziell Influenza-Viren seien unberechenbar.
Die zweite kritische Rahmenbedingung in Sachen A(H1N1)-Pandemie, so Auer: "Der beste Schutz vor einer Virusinfektion ist die Impfung. (...) Es wird aber nicht ausreichend Impfstoff für die gesamte Bevölkerung (zumindest in nächster Zeit, Anm.) geben. (...) Wir können das Gesundheitspersonal immunisieren - und es ist im hohen Ausmaß sinnvoll, gewisse chronisch Kranke zu impfen und es macht Sinn, Schwangere zu impfen."
Genau das alles soll ab Dienstag kommender Woche (27. Oktober) in Etappen anlaufen. Ursprünglich hat Österreich einen Vorvertrag auf den Baxter-Pandemie-Impfstoff ("Celvapan") für 16 Millionen Dosen abgeschlossen. Der Umstand, dass die neue Influenza zumeist relativ mild verläuft und andererseits alle Hersteller mit zu geringen Produktionsmengen kämpfen, führte zu einer flexiblen Vertragsgestaltung. 520.000 Dosen Vakzine wurden im ersten Anlauf angeliefert, in den nächsten Wochen sollen es jeweils 200.000 pro sieben Tage sein. Bei Bedarf wird nachbestellt.
Auer: "Wenn es die Menschen annehmen, können wir bis Ende November 800.000 Menschen impfen, das sind 1,6 Millionen Dosen Impfstoff (zwei Teilimpfungen, Anm.). Wenn sich mehr Menschen impfen lassen wollen, werden wir mehr Menschen impfen können."
Begonnen wird eben beim Gesundheitspersonal (freiwillig), dann folgen Risikogruppen. Pandemie-Koordinator Jean-Paul Klein (Gesundheitsministerium): "Im Gesundheitswesen sind rund 280.000 Personen beschäftigt. 16 Prozent der Bevölkerung bis zum 50. Lebensjahr sind Risikopatienten. Das sind 600.000 Menschen."
Die Risikopersonen können dann ab 9. November in Österreich in "Impfstraßen" die zwei Teilimpfungen im Abstand von drei Wochen bekommen. Sonst Impfwillige werden nicht abgewiesen. Pro Teilimpfung sind bloß 4,90 Euro zu bezahlen. Das entspricht der derzeitigen Kassen-Rezeptgebühr.
Via öffentliche Einrichtungen
Angehörige des Gesundheitspersonals sollten sich besonders deshalb immunisieren lassen, weil sie im Falle einer größeren Krankheitswelle - derzeit gibt es laut dem Wiener Virologen Franz X. Heinz zwar täglich Fälle, aber keine Grippewelle - gesund sein sollen. Außerdem übertragen sie dann die neue Influenza nicht auf die von ihnen Betreuten. Die Impfungen erfolgen einerseits in den Spitälern, andererseits wird es in ganz Österreich "Impfstraßen" in Krankenkasseneinrichtungen, Bezirks-(Gesundheits)-Ämtern und bei Sprengelärzten (Tirol, Vorarlberg) geben.
Über dieses System soll dann auch die Immunisierung der Risikopersonen erfolgen. Das sind - roh definiert - alle Personen ab dem sechsten Lebensmonat (bis zum 49. Lebensjahr) mit chronischen Erkrankungen der Atemwege, des Herz-Kreislaufsystems, mit neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen, Immungeschwächte, Fettsüchtige, Diabetiker, chronisch Leber- und Nierenkranke sowie Krebspatienten. Hinzu kommen Schwangere ab der 15. Schwangerschaftswoche enge Familienangehörige sowie Betreuungspersonen von Angehörigen der Risikogruppe.
Der Wiener Virologe Franz X. Heinz: "Es kristallisiert sich heraus, dass die Sterblichkeit an der Schweinegrippe ungefähr bei 0,1 Prozent liegt. Es gibt drei Studien, wonach 30 bis 50 Prozent der Patienten mit sehr schweren Formen vorher keinerlei Vorerkrankungen gehabt haben und vorher völlig gesund waren. In Kanada war das Durchschnittsalter (bei den schweren Fällen) 32 Jahre, in Australien 40 und in Mexiko 44 Jahre." Am meisten gefährdet wären aber die chronisch Kranken bis 50 bzw. Schwangere.
Der Experte: "Es ist zu erwarten, dass wir irgendwann im November, Dezember oder Jänner eine Grippewelle bekommen - ob zuerst mit den 'alten' (saisonalen, Anm.) Viren oder den neuen Viren, ist nicht wirklich vorhersehbar."
Die in Österreich verwendete Pandemie-Vakzine "Celvapan" (Baxter) ist ein in Zellkulturen hergestellter Tot-Impfstoff ohne Verstärkersubstanz (Adjuvans). In einer Dosis sind 7,5 Mikrogram der Antigene enthalten. Der Abstand für die zwei Teilimpfungen beträgt drei Wochen. Es laufen Studien, die auch Hinweise geben können, dass in Zukunft eventuell nur eine Impfung ausreicht. Doch vorerst ist die Vakzine durch die europäische Arzneimittelagentur EMEA mit zwei Teilimpfungen zugelassen.
AGESPharmMed-Chef Marcus Müllner, seine Abteilung war federführend an der Zulassung von "Celvapan" beteiligt: "Wir haben derzeit Informationen von 400 erwachsenen Impflingen und 150 Kindern." Wirksamkeit und Verträglichkeit der Vakzine lägen im erwarteten Bereich. Der Experte: "Die allerhäufigste Nebenwirkung sind Schmerzen und Rötungen (vorübergehend, Anm.) an der Einstichstelle, bei zehn bis 15 Prozent. Relativ häufig sind Kopfschmerzen bei sieben bis neun Prozent. Fieber gibt es bei etwa ein Prozent nach der ersten Impfung und bei 0,1 Prozent nach der zweiten Impfung." Bei den Fieberreaktionen sind Kinder etwas häufiger als Erwachsene vertreten. Das ist nicht ungewöhnlich.
Service: Informationen für die Risikopersonen, die ab 9. November zur Pandemie-Impfung gehen sollten, gibt es in den kommenden Tagen unter anderem in allen Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen, Telefon-Hotline: 05-05-55-555; Internet: http://www.bmg.gv.at