Sehr eigenartig

"Aschenbrödels Traum" an der Volksoper: Ein wahrer Fiebertraum

Uraufführung nach Strauss letztem Ballettfragment ist ein Hybrid aus Stilen und Zeiten, der am Ende nicht so recht zusammenfinden will

Was ist "Aschenbrödels Traum" an der Wiener Volksoper? Das Einzige, das sich fix sagen lässt: Einer der letzten Programmpunkte des auslaufenden Johann-Strauss-Jubiläumsjahres. Ansonsten wird es schwer. Queere Strauss-Persiflage? Kindertheater? Musical? Operette? Ballett? Die Antwort lautet: Ja. Das Duo aus der Komponistin Martina Eisenreich und Regisseur/Librettist Axel Ranisch hat einen Fiebertraum geschaffen, der am Samstag Uraufführung feierte. Eigenartig, sehr eigenartig.

"Aschenbrödels Traum"

© Marco Sommer/Volksoper Wien

Ausgangspunkt für das, nennen wir es einfach mal Projekt, war das Strauss'sche Fragment zu einem Ballett namens "Aschenbrödel", über dem der Walzerkönig starb. Das neue Team nimmt nun die musikalischen Rudimente der Ballettmusik und vermengt diese mit Operettenklängen, kurzen wagnerianischen Passagen, Zwölftoneinflechtungen, Musicalnummern, Rap und verfremdeten Strauss-Klassikern. Doch nicht nur musikalisch geht es rund an diesem Abend - auch narrativ werden die verschiedensten Ebenen zusammengebracht.

"Aschenbrödels Traum"

© Marco Sommer/Volksoper Wien

Drei Zeit- und Realitätsebenen auf einer Bühne

So kontrastiert das Duo Eisenreich/Ranisch drei Zeit- respektive Realitätsebenen, die allerdings alsbald ununterscheidbar miteinander verschmelzen. Da wäre das Wien von 1898, wo eine Ida Grünwald (Juliette Khalil) am Libretto für "Aschenbrödel" schreibt - was theatrale Fiktion ist, ist doch der Verfasser oder die Verfasserin hinter der unter Pseudonym bei einem Wettbewerb eingereichten Textvorlage unbekannt. Sie kooperiert dabei mit dem in Gold gehaltenen Strauss (Daniel Schmutzhard), das lebende Denkmal seiner selbst.

"Aschenbrödels Traum"

© Marco Sommer/Volksoper Wien

Dann gibt es die Passagen des Balletts, die Strauss noch fertigstellen konnte, die auf der Bühne zu sehen sind. Und dann das Wien von 2025, wo Frau Alice (Ruth Brauer-Kvam) mit ihren zwei Influencerinnen-Töchtern BirdyLove (Johanna Arrouas) und Dorothee (Julia Koci) und dem Stiefkind Aschenbrödel (Oliver Liebl) ein von ihrem Mann bei der Scheidung abgepresstes Haus bezieht. Der unterdrückte Aschenbrödel verliebt sich dann aber alsbald in den Starfußballer Danny Robinson mit Lamine-Yamal-Frisur (Lionel von Lawrence) von Real Madrid. Den hat seine Stiefmutter für den ebenfalls scheidungsbedingt übernommenen Fußballclub FC Wien eingekauft.

"Aschenbrödels Traum"

© Marco Sommer/Volksoper Wien

Und als wäre das nicht alles schon genug, streiten in den Umbaupausen auch noch über das Volksopernrund hinweg Gustav Mahler (Daniel Ohlenschläger) und Kritikerpapst Eduard Hanslick (Stefan Wancura) über musikalische Qualitäten, das Ballett und die Frage des Todes. Spätestens hier dürften die Kinder im Publikum aussteigen, die an anderen Stellen aber wieder dezidiert adressiert werden.

Nicht Strauss auf Speed

"Aschenbrödels Traum"

© Marco Sommer/Volksoper Wien

"Aschenbrödels Traum" ist nicht Strauss auf Speed, denn dafür fehlt über weite Strecken der Schwung. Der hier auf die Bühne gestellte Traum ist keiner, bei dem alles wie im Rausch an einem vorbeifliegt. Sondern eher ein Fiebertraum, bei dem vieles keinen Sinn ergibt, und sich das Geschehen auch mal zieht.

Aber der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, und so finden sich aufblasbare, rosafarbene Riesenkarnickel mit Schanischnauzer, Darsteller mit Hundeköpfen und Marge-Simpson-artigen Perücken im hybriden Geschehen, das zwischen Hommage und Demontage schwankt. Mal surreal, mal absurd. Eigenartig eben, sehr eigenartig.

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