Serie rollt legendäre Gerichtsverhandlung in zehn Folgen neu auf.
Der Mordprozess gegen den Ex-Footballstar O.J. Simpson ist legendär, der überraschende Freispruch hat sich ins kollektive Gedächtnis der USA eingebrannt. Dass "American Crime Story: The People v. O.J. Simpson" ebendort trotz bekannten Ausgangs derart eingeschlagen hat, liegt an dem herausragenden Drehbuch und Ensemble. Ab Freitag ist die Miniserie bei Sky endlich in Österreich zu sehen.
Brutaler Mord
Los Angeles, 1994: Am Abend des 12. Juni werden Nicole Brown-Simpson und ihr Freund Ron Goldman vor ihrem Anwesen im Nobelviertel Brentwood brutal ermordet aufgefunden. Rasch deutet alles auf eine von Eifersucht getriebene Tat von Nicoles berühmtem Ex-Mann hin: Polizisten finden Blutspuren in seinem Auto und seiner Einfahrt, Zeugen widerlegen sein Alibi, die Vorgeschichte des Paares ist von häuslicher Gewalt geprägt.
Umstrittener Freispruch
"The People v. O.J. Simpson", Auftakt der Anthologieserie "American Crime Story" über berühmt-berüchtigte Kriminalfälle, setzt an jenem Abend an. Und analysiert im Verlauf von zehn zunehmend spannenderen Folgen, wie Ermittlungspannen eingeschüchterter Polizisten, Fehleinschätzungen allzu selbstsicherer Staatsanwälte und schmutzige Taktiken egomanischer Verteidiger dazu führten, dass O.J. "Juice" Simpson trotz erdrückender Beweislage im Oktober 1995 von einem Geschworenengericht vor den Augen von 150 Millionen TV-Zuschauern vom Vorwurf des Doppelmords freigesprochen wurde.
Geschrieben von Scott Alexander und Larry Karaszewski nach Jeffrey Toobins Tatsachenroman "The Run Of His Life: The People v. O.J. Simpson" und inszeniert von "American Horror Story"-Schöpfer Ryan Murphy gemeinsam mit Brad Falchuk, wechselt die Dramaserie unentwegt Perspektive und begleitet entscheidende Figuren. Da ist natürlich O.J. Simpson (Cuba Gooding Jr.) selbst, der durch erratisches Verhalten auffällt, auf seiner Unschuld beharrt und ob der öffentlichen Demontage seines Rufs in Depressionen verfällt. Da ist die resolute, smarte Chefanklägerin Marcia Clark (Sarah Paulson), die sich immer wieder verrennt und in der Öffentlichkeit Häme ausgesetzt ist. Ihr gegenüber steht das hochkarätige Verteidigerteam mit zwei Alphamännern an der Spitze: Staranwalt Robert Shapiro (John Travolta), der sich selbst profilieren, und Johnnie Cochran (Courtney B. Vance), der den Fall für die Sache der schwarzen Bürgerrechtsbewegung instrumentalisieren will.
Freispruch als Vergeltung?
Die Serie umreißt dann auch klar die Umstände, die den Prozess und schließlich das Urteil beeinflussten. Bilder von Polizeigewalt gegen Afroamerikaner wie Rodney King und die daraus resultierenden blutigen Unruhen von Los Angeles 1992 stehen der ersten Episode voran. Als Simpson Handschellen angelegt werden, vermutet die (bis dato vom Sportstar eher gemiedene) schwarze Community rasch eine rassistisch motivierte Vorverurteilung; ein schwarzer Juror wird später sagen, O.J. als "Vergeltung für Rodney King" für nicht schuldig befunden zu haben.
Detailgetreue Umsetzung
Mischt man dieser (bis heute) aufgeheizten Stimmung die damals neue, noch mit Argwohn bedachte DNA-Analyse und die beispiellose mediale Aufmerksamkeit bei, so hat man das Rezept für einen so spektakulären wie unglaublichen Prozess, der auch mehr als 20 Jahre später fasziniert und dessen Dramatisierung aufs Neue emotionale Reaktionen hervorruft. Denkwürdige Momente amerikanischer TV-Geschichte werden hier detailgetreu nachgestellt: Von der Verfolgungsjagd, die sich Simpson nach dem Haftbefehl in seinem weißen Ford Bronco auf der Autobahn mit der Polizei lieferte, bis zur unvergesslichen Szene, als er im Gerichtssaal den "Täterhandschuh" anprobierte - und dieser sich als zu klein erwies.
Top-Besetzung
Cuba Gooding Jr. verleiht dem gefallenen Helden eine nicht greifbare Düsternis, Sarah Paulson brilliert als so verbissene wie unter Druck stehende Anklägerin, Courtney B. Vance überzeugt als für die gute Sache über Leichen gehender Verteidiger. Zu Recht gehen Paulson und Vance als Favoriten ins Rennen um die Golden Globes am Sonntag (8. Jänner), wo "The People v. O.J. Simpson" vierfach nominiert ist. Neun Emmys hat die Produktion bereits abgeräumt, darunter für die beste Miniserie. Zwei weitere Staffeln von "American Crime Story" sind dementsprechend bereits in Arbeit, zunächst soll es um Versäumnisse rund um den verheerenden Hurrikan Katrina im Jahr 2005 gehen.
O.J. Simpson wurde übrigens in einem Zivilverfahren doch noch für den Tod seiner Ex-Frau und ihres Freundes verantwortlich gemacht und zur Zahlung von 33,5 Mio. Dollar Schadenersatz verurteilt, wobei die Angehörigen nur einen Bruchteil erhalten haben. Seit 2008 sitzt er wegen diverser Delikte, darunter bewaffneter Raubüberfall, in Haft - und dürfte im Oktober 2017, im Alter von 70 Jahren, entlassen werden. Die TV-Kameras werden am Ausgang warten.