Sie ist zurück – aus der Babypause und auf der politischen Bühne: Kathrin Nachbaur hat sich dem Kampf gegen den Amtsschimmel verschrieben. MADONNA schildert sie dessen skurrilste Blüten.
Acht Jahre an der Seite von Frank Stronach (84) haben Kathrin Nachbaur (38) zumindest eines verschafft: viel Verständnis für Unternehmer. Vielleicht hat sich die ÖVP, zu der Nachbaur 2015 unter großem Medieninteresse „überlief“, deshalb dafür entschieden, der gebürtigen Grazerin die „Bürger-Box“ zu übertragen: Seit Anfang März können sich heimische Unternehmer, die sich von den Behörden gefrotzelt fühlen, hier an Nachbaur wenden, und sie kümmert sich in „Ombudsmann-Manier“ um deren Anliegen. Mit MADONNA teilt sie die verrücktesten „Schmankerln“ in Sachen Amtsschimmel – und verrät, wie es um ihr privates Glück mit ihren beiden Söhnen steht.
Seit März kümmern Sie sich um Beschwerden über den Amtsschimmel. Welchen Eindruck haben Sie in dieser Zeit gewonnen?
Kathrin Nachbaur: Mein Eindruck hat sich nicht nur bestätigt, sondern verstärkt: Es gibt einfach viel zu viele Vorschriften. Das werden leider Gottes auch regelmäßig mehr. Es ist alles viel zu kompliziert, und in der Folge bleibt den zuständigen Behörden oft gar keine andere Wahl, als diese komplizierten Vorschriften umzusetzen. Und wie immer im Leben gibt es solche und solche Menschen – und eben auch die übergenauen Inspektoren, die hartnäckig, uneinsichtig, teils weltfremd prüfen und strafen.
„Vurschrift“ ist also wirklich „Vurschrift“?
Nachbaur: Es geht tatsächlich so zu. Mir haben so viele Unternehmer erzählt, womit sie sich tagtäglich herumschlagen müssen. Erst unlängst hat mir ein Bäcker erzählt, dass seine Katze gestorben ist, woraufhin er in seinem Mehllager Mausefallen aufgestellt hat. Dann kam der Lebensmittelinspektor und wollte wissen, wie er das Prozedere mit den Mausefallen handhabt. Er hat die Frage zunächst gar nicht verstanden und gesagt: Na ja, er steht halt um vier Uhr auf und um halb fünf geht er durchs Mehllager und schaut, ob in der Falle eine Maus ist. Wenn dem so ist, entsorgt er sie eben. Nein, das geht so nicht, hieß es dann! Er muss jetzt einen Kurs in Schädlingsmonitoring belegen.
Der ihn vermutlich etwas kostet …
Nachbaur: Das nehme ich an. Zumindest kostet es ihn aber Nerven und Zeit.
Der skurrilste Fall, der Ihnen unterkam?
Nachbaur: Sicher einer der Skurrilsten. Dann gibt es da noch Folgende: Ein Kaffeehaus, in dem es zuerst einen rutschfesten Boden gab, damit die Mitarbeiter flott servieren können, ohne auszurutschen. So lautete der Wunsch des Arbeitsinspektors – dann kam der Lebensmittelinspektor und meinte, man könne diesen Boden nicht gut reinigen, es müssten andere Fliesen rein.
Ein anderer Fall betrifft ein IT-Unternehmen, das Frauen-WCs einbauen musste. Sie haben das neulich als frauenfeindlich bezeichnet – wie dürfen wir das verstehen?
Nachbaur: Das Unternehmen hat einen großen Auftrag lukriert und deshalb eine zehnte Person eingestellt. Dabei hat es sich um eine junge Programmiererin gehandelt, die mit großer Begeisterung begonnen hat, zu arbeiten – bis der Herr Arbeitsinspektor zu Besuch kam und festgestellt hat: Nachdem nun zehn Personen dort arbeiten, fünf Männer und fünf Frauen, muss eine zweite Sanitäranlage errichtet werden, damit Männer und Frauen getrennt aufs WC gehen können. Das Unternehmen hat das dann durchgerechnet und ist zu dem Schluss gekommen, dass sich das nicht rentiert. Also haben sie kurzerhand die junge Programmiererin gekündigt. Es gibt doch ohnehin so wenige Frauen in der Technik. Da finde ich es besonders traurig, wenn eine junge Programmiererin aus dem Job gedrängt wird wegen einer bürokratischen Hürde. Ich bin mir sicher, wenn man die Dame gefragt hätte, ob sie lieber aufs gemischte WC geht oder arbeitslos ist, wäre die Antwort sonnenklar.
Schneiden wir uns ins eigene Fleisch, wenn wir das Unternehmern so schwer machen?
Nachbaur: Ja, sicher! Wir brauchen eine Willkommenskultur für Unternehmen. Im Moment ist es ja alles andere als das. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiter sorgen für Wertschöpfung, sie finanzieren auch unseren Sozialstaat. Und man darf nicht vergessen – zu viele Vorschriften verteuern das Produkt!
Was sagen Sie zum Fall „Waxing-Lady“? Ist Katia Wagner zum Bauernopfer geworden, weil sie sich lautstark gegen überbordende Bürokratie gewehrt hat?
Nachbaur: Das ist jedenfalls ihr Eindruck. Ich kann nach meiner Erfahrung mit den vielen Unternehmen, mit denen ich spreche, nur sagen: Die wollen ihre Geschichte erzählen, aber nicht genannt werden, weil sie Angst vor Repressionen haben.
Was sind die politischen Schlussfolgerungen, die sie aus diesen Fällen ziehen?
Nachbaur: Weniger Gesetze, weniger Vorschriften, mehr Hausverstand. Die neue One-in-one-out-Regelung ist ein guter erster Schritt. Noch besser fände ich One-in-three-out, also immer drei Regelungen für jede neue zu streichen. Wir müssen genau unter die Lupe nehmen, was an Vorschriften überflüssig und nicht mehr zeitgemäß ist. Die Zeiten verändern sich, die Technik auch – da muss man viel flexibler agieren. Wir brauchen Vorschriften mit Augenmaß, nicht im Übermaß.
Hätten Sie momentan Lust, unter diesen Bedingungen ein Unternehmen zu gründen?
Nachbaur: Ich bin ein unternehmerischer Mensch und habe auch mein Medienprojekt wirtschaftswunder.at gestartet. Aber man muss sich überlegen, ob man in diesem Land als Unternehmer willkommen ist. Damit meine ich passende Rahmenbedingungen: Die Steuer- und Abgabequote ist etwa zu hoch, und beim Gründen dauert es viel zu lange, bis man eine UID-Nummer hat. Und dann natürlich diese Bürokratie! Wenn ich an Kanada denke, wo ich fast 13 Jahre gelebt habe, da waren fast alle meine Freunde Unternehmer. Ich habe immer gedacht: „Wow, die müssen alle viel gescheiter sein als ich und meine österreichischen Freunde.“ Natürlich ist das nicht der Grund, dort herrscht einfach eine andere Einstellung, es ist alles unkomplizierter. Dort herrscht Unternehmergeist, bei uns mehr verstaubter Verhinderungsgeist.
Gegründet haben Sie in den letzten Jahren übrigens auch eine Familie. Ende 2016 wurden Sie zum zweiten Mal Mutter. Wie geht es Ihnen und dem kleinen Ferdinand (4 Monate, Anm. d. Red.) jetzt?
Nachbaur: Danke der Nachfrage, bei uns ist alles bestens. Ich komme gerade aus dem Stillzimmer hier im Parlament, weil er Appetit hatte und ich sichergehen wollte, dass wir ungestört reden können.
Ihr Baby ist immer im Parlament dabei?
Nachbaur: Ja, natürlich ist er dabei!
Privat. Nachbaur ist privat mit Sturm-Graz-Chef Christian Jauk glücklich. Ende 2016 brachte die Grazerin den zweiten gemeinsamen Sohn (Ferdinand, vier Monate) zur Welt. Sohn Sebastian ist 2 Jahre alt.
Karriere. Nach dem Studium war die promovierte Juristin Trainee bei Magna in Kanada, später persönliche Assistentin Frank Stronachs. 2012 wurde sie Vizepräsidentin der Stronach-Gruppe und Vizeparteichefin des Team Stronach sowie Klubobfrau. 2015 wechselte sie zur ÖVP.
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