Wien-Floridsdorf

Falscher Alarm um Kindes-Entführung

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Zwei Mädchen wollen gesehen haben, wie ein Bub gekidnappt wurde.

Aufregung, Entsetzen und Angst spiegelten sich in den Gesichtern der Anrainer wider: Ein neun- und ein zehnjähriges Mädchen wollten in der Früh im Bereich Dopschstraße - Pastorstraße in Wien-Floridsdorf gesehen haben, wie ein sieben- bis achtjähriger Bub in ein weißes Auto gezerrt wurde. Eine Kindesentführung stand im Raum. Doch gegen Mittag gab die Polizei Entwarnung. In den umliegenden Schulen und Horten der Großfeldsiedlung war kein Kind abgängig. Außerdem begannen die beiden Zeuginnen in den Einvernahmen ihre Angaben zu relativieren.

Bub in Kastenwagen gezerrt?
Ihre Entdeckung wollten die beiden Mädchen um 8.40 Uhr gemacht haben. Sie beobachteten, wie der Bub in ein Auto gezerrt wurde. In ersten Meldungen hatte es gar geheißen, dass das Kind mit Zuckerln angelockt worden war und es sich bei dem Fahrzeug um einen weißen Kastenwagen mit dunklen Heckscheiben gehandelt habe. Das bestätigte sich im Laufe des Vormittags nicht.

Direktorin holte die Polizei

Ihre Wahrnehmungen schilderten die beiden Kinder ihrer Direktorin in der Pastorstraße 29. Diese alarmierte die Polizei. Uniformiert und zivil suchten etwa 30 Beamte nach dem angeblich verschwundenen Kind. Anrainer berichteten von Absperrungen und zwei Hubschraubern, die sich an der Aktion beteiligt hätten.

 Der Schwerpunkt lag neben der Einvernahme der beiden Mädchen auf Kontrollen in der Volksschule Pastorstraße und anderen Lehranstalten der Umgebung. Und da entspannten sich die Gesichter im Laufe des Vormittags immer mehr, obwohl es wegen eines muslimischen Feiertags mehr fehlende Kinder zu überprüfen galt als sonst. Zunächst wurde in der Pastorstraße festgestellt, dass kein Schüler abgängig war, später kamen auch entsprechende Meldungen von den anderen Schulen und Horteinrichtungen.

Aussagen relativiert
Auch die Mädchen relativierten ihre Angaben bei den Einvernahmen: Es sei wohl schon so, dass sie etwas beobachtet hätten, meinte Polizeisprecherin Iris Seper. Aufgrund von Ereignissen in jüngerer Vergangenheit dürften die Kinder besonders sensibilisiert sein und so einen normalen Vorgang in ein bestimmtes Konstrukt hineininterpretiert haben. Vor wenigen Wochen hatte eine Direktorin in Simmering vor Männern gewarnt, die vor ihrer Schule versucht hätten, Kinder mit Süßigkeiten und jungen Tieren zu ködern.

Die Exekutive versuchte laut Seper in den Einvernahmen, bei denen auch ein Psychologe engagiert war, noch genauer Licht in die Angelegenheit zu bringen. Die Polizei hielt auch ihren Appell an Eltern aufrecht, sich unverzüglich an den Journaldienst des LKA Wien (01/31310 - 33800 DW) zu wenden, wenn sie ihr Kind vermissen.

Entsetzen in Floridsdorf
Der Fall löste unter den Bewohnern der Großfeldsiedlung große Anteilnahme und auch Entsetzen aus. Zahlreiche Eltern warteten vor der Volksschule in der Pastorstraße 29 auf ihre Kinder. Eine Mutter sagte: "Es ist schon ein Wahnsinn. Ich habe eine SMS bekommen, dass wir auf unsere Kinder aufpassen sollen."

Eine andere Mutter sagte, sie sei ohnehin schon sehr verängstigt, wenn ihr Kind nur eine halbe Stunde später komme: "Dann dreh ich schon durch". Sie erzählte außerdem von einem Vorfall, den ihr Sohn im Alter von zehn Jahren auf einem Spielplatz erlebte: "Da hat einer die Hose runtergelassen." Eine weitere Anrainerin kam aus der Schule und erzählte, dass sie ein Bub gefragt hatte: "Bist du die Mama vom gestohlenen Kind?"
 

Seite 2: Der Live-Ticker zum Nachlesen: ÖSTERREICH-Reporter Matthias Lassnig war vorort und verfolgte die dramatische Entwicklung.

 


12:53 Uhr: DIE POLIZEI GIBT ENTWARNUNG. Wir beenden nun an dieser Stelle die LIVE-Berichterstattung.

12:51 Uhr: Die Überprüfung der umliegenden Schulen und Horte hat ergeben: Auch hier fehlt kein Kind.

12:49 Uhr: Das Medieninteresse ist enorm. Ein Fotograf der Agentur AP hat Fotos gemacht. Dutzende Journalisten warten auf weitere Infos von der Polizei.

12.27 Uhr: Die Polizei nimmt nun nochmals die Befragung der beiden Mädchen auf. Eine dafür speziell ausgebildete Polizistin ist dazu gerade angekommen.

12:25 Uhr: Der Fall löst unter den Bewohnern der Großfeldsiedlung Entsetzen aus. Eine Mutter sagt:  "Es ist schon ein Wahnsinn. Ich habe eine SMS bekommen, dass wir auf unsere Kinder aufpassen sollen." Eine andere Mutter sagte, sie sei ohnehin schon sehr verängstigt, wenn ihr Kind nur eine halbe Stunde später komme: "Dann dreh ich schon durch". Sie erzählte außerdem von einem Vorfall, den ihr Sohn im Alter von zehn Jahren auf einem Spielplatz erlebte: "Da hat einer die Hose runtergelassen."

12:14 Uhr: Die Polizei zieht nun aus der Pastorstraße ab. Die Suche geht jedoch weiter. Es werden nun drei weitere Schulen überprüft, ob ein Schüler oder eine Schülerin abgängig ist. Es gibt keine Entwarnung.

12:12 Uhr: Laut Polizeisprecherin Iris Seper fehlt niemand in der Volksschule in der Pastorstraße. Dies ergab die Überprüfung der Schüler. Jetzt konzentriert sich die Suche auch auf andere Schulen in der Umgebung.

11:58 Uhr: Jetzt werden alle Schüler überprüft. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, da heute ein muslimischer Feiertag (Das Opferfest) ist und nicht alle Schüler in der Schule sind.

11:51 Uhr: Laut Polizeisprecherin Seper wollen zwei Mädchen gesehen haben, wie ein 7- bis 8-Jähriger Bub in ein Auto gezerrt worden sei. Sie kannten den Bub allerdings nicht.

11:40 Uhr: In zweier Trupps verlassen die Polizisten wieder die Schule. Sie haben Zettel in der Hand. Hinter vorgehaltener Hand wird vermutet, dass ein Bub abgängig sein soll. Eine offizielle Bestätigung gibt es hierfür noch nicht.

11:20 Uhr: 10 Polizei-Einsatzwagen sind vorgefahren. Die uniformierten Polizisten gehen in die Schule. Sie suchen das Gebäude ab.

11:00 Uhr: Vor der Volksschule in der Pastorstraße 29 in Wien-Floridsdorf herrscht große Aufregung. Besorgte Eltern stehen vor der Schule.

Hintergrund: So schilderten zwei Schüleinnen der Direktorin die Tat:

Zuckerl
Die beiden Mädchen kamen gegen 8.40 Uhr zu ihrer Direktorin. Sie erzählten ihr, dass sie beobachtet hatten, wie zwei Männer ein etwa sieben- bis neunjähriges Kind in Schulnähe in einen weißen Kastenwagen gezerrt hätten und davongebraust wären. Das Entführungsopfer sei mit Zuckerln angelockt worden. Den Wagen beschrieben sie als weiß ohne Aufschrift und hinten verdunkelten Scheiben.

Die Polizei wurde gegen 9.00 Uhr alarmiert. Nach dem Wagen wurde eine Großfahndung eingeleitet, sicherheitshalber offenbar. Andere Polizisten waren dabei, den Sachverhalt zu überprüfen. Seper zufolge war zunächst nicht sicher, ob überhaupt ein Kind abgängig war.

Erinnerungen an Natascha Kampusch

Assoziationen wurden angesichts der Beschreibung des Autos zum Fall Natascha Kampusch wach: Die damals Zehnjährige war 1998 von Wolfgang Priklopil in einem weißen Kastenwagen entführt worden.
 

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