Zwei Drittel der zuordenbaren Fälle 2016 rechts, ein Fünftel islamistisch motiviert.
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) beklagt eine alarmierende Anzahl antisemitischer Vorfälle. Der am Donnerstag vorgestellte "Antisemitismusbericht 2016" meldet 477 einschlägige Handlungen. Neben rechtsradikalem Antisemitismus wird zunehmend auch islamische Judenfeindlichkeit als Problem gesehen. Gesetzesverschärfungen lehnte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Präsentation ab.
"Was es braucht, ist Bewusstsein in der Bevölkerung, dass das kein Kavaliersdelikt ist", sagte Kurz. Die Gesetzeslage in Österreich sei gut. Allerdings beklagte Kurz, dass Antisemitismus in vielen Herkunftsländern der jüngst nach Österreich gekommenen Flüchtlinge "ganz normal" sei. Deshalb habe man das Thema auch von Anfang an in die Werteschulungen aufgenommen.
Auch IKG-Präsident Oskar Deutsch beklagte neuen "islamischen Antisemitismus". Zwei Drittel der ideologisch zuordenbaren Vorfälle werden im Antisemitismusbericht aber nach wie vor als "rechts" klassifiziert (68 Prozent), ein gutes Fünftel als "islamistisch" (22 Prozent) und zehn Prozent als "links". Letzteres betrifft etwa "Israel Bashing", wie Deutsch meinte.
Insgesamt meldet der vom Forum gegen Antisemitismus erstellte "Antisemitismusbericht 2016" 477 Vorfälle, ein leichter Anstieg gegenüber 2015 (465). Im Bericht finden sich u. a. auch 24 persönliche Beschimpfungen/Bedrohungen sowie sieben tätliche Angriffe - darunter Mobbing an einer Schule und eine Attacke in der U-Bahn. Der Großteil der Vorfälle betrifft antisemitische Beschimpfungen via Post, E-Mail und Telefon (198) sowie via Social Media und in Internet-Foren (153). Diese beiden Kategorien werden erst seit 2012 erfasst und sind seither stark angestiegen.
Als antisemitisch gewertet werden auch Hakenkreuz-Schmierereien - sei es an Hauswänden oder auf Wahlplakaten. Ob die Aktionen tatsächlich antisemitisch motiviert sind, ist für Amber Weinber vom Forum gegen Antisemitismus dabei nicht relevant: "Am Ende des Tages ist es eine unangenehme Konfrontation mit der NS-Symbolik, die in Österreich im öffentlichen Raum nichts verloren hat."
Einmal mehr trat Deutsch bei dieser Gelegenheit auch für zusätzliche jüdische Zuwanderung ein. Er schätzt die Zahl der Juden in Österreich auf 12.000 bis 15.000 (genau erhoben wird das Religionsbekenntnis der Bevölkerung seit der Volkszählung 2001 nicht mehr). Das sei zu wenig, weil viele Juden keine Partner finden würden und die Partnersuche im Ausland dann häufig zu Abwanderung führe, so Deutsch.