75 Prozent brauchen zumindest zeitweise Hilfe der Eltern - Druck auf Familien durch Corona weiter gestiegen.
Wien. Der Bedarf an privater Nachhilfe bleibt in Österreich weiter hoch: Jeder dritte Schüler braucht Nachhilfe, zeigt das am Donnerstag präsentierte jährliche Nachhilfebarometer der Arbeiterkammer (AK). Bei 17 Prozent der Schüler greifen die Eltern dafür auf bezahlte Nachhilfe zurück, die Kosten dafür liegen bei insgesamt 86 Mio. Euro. Zusätzlich benötigen drei Viertel der Kinder Hilfe der Eltern.
Für die Erhebung wurden zwischen Ende Februar und Mitte April 3.563 Haushalte mit 5.390 Schulkindern befragt, die Hälfte vor den Schulschließungen aufgrund der Corona-Pandemie, die Hälfte danach. Dabei habe sich gezeigt, dass das coronabedingte Homeschooling eine massive Belastung für die Familien war, betonte Elke Larcher von der Abteilung Lehrausbildung und Bildungspolitik bei einer Pressekonferenz. "Das System ist aber kein Neues." Im österreichischen Schulsystem sei Lernen schon lange nur durch Supportsysteme möglich. Dazu gehören etwa Förderkurse, die laut Larcher von je einem Drittel der Schulen regelmäßig bzw. gelegentlich angeboten werden. Allerdings sei dieses Angebot nicht institutionalisiert.
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Ein wesentlicher Teil der Lernunterstützung sei schon vor der Umstellung auf Heimunterricht daheim passiert, 44 Prozent der Eltern von Volksschülern sind hier laut Umfrage so gut wie täglich gefordert. Vor den Schulschließungen gaben 37 Prozent der Befragten an, sie seien durch die Unterstützung ihrer Kinder beim Lernen zeitlich belastet. In der Coronakrise waren es 49 Prozent, jeder Dritte berichtete deshalb von Konflikten daheim.
Eltern geben im Schnitt 520 Euro für Nachhilfe aus
Neben der Hilfe durch Förderkurse und Eltern benötigen insgesamt 32 Prozent der Schüler (317.000 Personen) private Nachhilfe. 40.000 bekommen diese allerdings laut der AK-Umfrage nicht, vor allem, weil die Eltern sich diese nicht leisten können. Jene Familien, die für Nachhilfe zahlen, haben dafür heuer im Schnitt 520 Euro ausgegeben. Am weitaus häufigsten wird im Fach Mathematik Nachhilfe benötigt, statt wie früher ums Durchkommen geht es mittlerweile auch immer öfter um bessere Chancen auf einen Platz in der Wunschschule.
Die jährlichen Gesamtkosten für Nachhilfe sind mit 86 Mio. Euro zwar im Vergleich zu den Vorjahren etwas geringer. Das liegt laut Larcher allerdings nur daran, dass bezahlte Nachhilfe wegen der Corona-Maßnahmen teils nicht angeboten werden konnte. Der Zeitaufwand der Eltern für Lernhilfe daheim verringert sich durch private Nachhilfestunden - ob kostenlos oder nicht - übrigens nicht. Und: Mit Alleinerziehenden muss laut Umfrage mangels Zeitbudget gerade eine Gruppe überdurchschnittlich stark auf bezahlte Nachhilfe setzen, die ohnehin schon ein geringeres Haushaltseinkommen hat.
AK-Präsidentin Renate Anderl fordert angesichts dieser Ergebnisse für Schüler, denen die Eltern während des Homeschoolings nicht so gut helfen konnten, ein "Nachhol-Paket": Sie sollen in den zwei Wochen nach Schulschluss sowie den zwei Wochen vor Schulbeginn freiwillig einen kostenlosen Förderunterricht durch Lerncoaches oder Lehramtsstudierende an den Schulen besuchen können.
Außerdem brauche es mehr Geld für Schulen, an denen besonders viele Kinder von ihren Eltern nicht ausreichend unterstützt werden können. Das von der Regierung angekündigte Pilotprojekt zu einem solchen Sozialindex müsse von 100 auf 500 Schulen ausgeweitet werden. Außerdem solle so rasch wie möglich der angekündigte Ausbau hochwertiger Ganztagsschulen angegangen werden. Dort ist laut Umfrage der Anteil an Schülern, die Nachhilfe zukaufen, ebenso wie an Schulen mit hochwertigem Förderunterricht deutlich geringer (acht bzw. elf versus 17 Prozent).