"Operation Montana"

Menschenhändler-Familie ausgehoben

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Frauen wurden auf den Strich geschickt, Männer zum Betteln.

Es war ein Familienunternehmen. Sieben Bulgaren, alle verwandt oder verschwägert, haben einen Menschenhändler-Ring aufgezogen, der Frauen und Männer aus der Region Montana, dem ärmsten Gebiet ihrer Heimat, rekrutiert und mit brutalsten Methoden in Wien auf den Strich oder zum Betteln gezwungen hat. Nach mehr als einjährigen Ermittlungen wurde die Gruppe nun in Zusammenarbeit zwischen österreichischen und bulgarischen Kriminalisten zerschlagen.

Geistig Behinderte unter den Opfern
Insgesamt 22 Verdächtige wurden ebenso ausgeforscht wie 31 Opfer, darunter eine Minderjährige im Alter von 17 sowie eine geistig Behinderte, und 34 weitere Beteiligte. Sieben Personen sind in Haft, einer von ihnen wurde in Wien bereits verurteilt. Er bekam nicht rechtskräftig zehn Jahre Haft, einem Opfer, das auch die Frau des Angeklagten ist, wurden 30.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) bezeichnete das Ergebnis der Operation "Montana" als "im wahrsten Sinn des Wortes gelungen". Man habe Menschenhändlern schon länger den Kampf angesagt. "Es geht darum, die Opfer zu schützen." Die Täter sollten "mit der vollen Härte des Gesetzes" bestraft werden, betonte die Ressortchefin.

Die Ermittlungen begannen im September 2010, als sich ein bulgarischer Staatsbürger bei der Wiener Polizei meldete und Hinweise auf die Gruppe gab, die Frauen zur Prostitution zwinge, wie Claudia Dannhauser von der Ermittlungsgruppe Lagler im Landeskriminalamt Wien berichtete. Es folgte eine Razzia im Leopoldstädter Stuwerviertel, doch die zur Prostitution gezwungenen Frauen machten keine Aussagen. Auch eine Abgängigkeitsanzeige einer Frau in Bulgarien, die nach ihrer Tochter suchte, brachte die Fahnder nicht weiter, weil das Mädchen mittlerweile in seine Heimat zurückgebracht worden war.

Angst um Sohn
Doch nur eine Woche später meldete sich die Kontrollstelle mit dem Hinweis, dass zwei bulgarische Frauen um eine Kontrollkarte angesucht haben, die sie zur Ausübung der Prostitution berechtigen würde. Da könne aber etwas nicht stimmen. Dannhauser zufolge begann eine zu reden: Sie hätte einen dreijährigen Sohn, der sich im Einflussbereich der Täter befinde, und könne daher nichts sagen. Die Wiener Kriminalisten kontaktierten daraufhin über den österreichischen Polizeiattachee ihre bulgarischen Kollegen. Die versprachen, sich des Falls anzunehmen, und brachten den Bub in ihre Obhut.

Das Kind in Sicherheit wissend, packte die Frau aus und belastete ihren Mann schwer. Dieser flüchtete nach Bulgarien, kehrte aber Mitte August zurück und wurde bei einer Kontrolle festgenommen. Der 42-Jährige wurde bereits bei einer Hauptverhandlung im Landesgericht Wien zur Höchststrafe verurteilt, seine Frau bekam die Entschädigung zugesprochen. Doch der große Schlag sollte erst folgen.

Am 14. November schlugen die Wiener und die bulgarischen Fahnder konzertiert zu. In Wien wurden fünf Personen - alle verwandt oder verschwägert mit dem bereits Verurteilten - festgenommen, eine weitere in Bulgarien per europäischem Haftbefehl. In der Bundeshauptstadt wurden neun Opferwohnungen durchsucht, dazu gab es acht Hausdurchsuchungen. In Bulgarien wurden 14 Häuser durchsucht.

"Ein zentraler Punkt war die Einvernahme der Opfer. Sie haben eine irrsinnig große Angst", schilderte Dannhauser. Im konkreten Fall kam dazu, dass sich viele nicht als Opfer sahen. Die Täter gingen nach der "Loverboy"-Methode vor. Sie umgarnten die Frauen in Montana, gingen mit ihnen Beziehungen ein und lotsten sie so nach Österreich. Für die gemeinsame Zukunft sollten sie hier auf den Strich gehen. Dafür wendeten sie brutalste Methoden an: Die Ermittler bekamen von Kopf bis Fuß blaugeschlagene Frauen zu sehen. "Sie haben schon zugegeben: Ja, ich wurde ausgebeutet. Aber erst bei der Einvernahme", so Dannhauser.

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