Eine Mitinsassin räumt mit Gerüchten auf und beklagt die unmenschlichen Haftumstände.
Wegen schweren Betrugs verbrachte Tamara N. (Name geändert) mehrere Monate im Frauengefängnis in der Schwarzau. In dieser Zeit lernte sie Österreichs bekannteste Mörderin Estibaliz Carranza kennen, die in den Jahren 2008 und 2010 ihren Mann und später ihren Lebensgefährten erschoss, die Leichen zerstückelte und im Keller ihres Eissalons einbetonierte.
Im Gespräch mit ÖSTERREICH räumt die mittlerweile entlassene Mutter mit einigen Gerüchten um „Esti“ auf und gibt Einblick in den rauen Alltag von Gefangenen.
ÖSTERREICH: Wie war Ihre erste Begegnung mit „Esti“?
Tamara N.: Wir haben uns im Hof der Justizanstalt kennengelernt. Sie hat sich bei mir als Doppelmörderin vorgestellt. Sie hatte vielleicht zwei Freundinnen da drin. Von den anderen Insassinnen hielt sie sich fern.
ÖSTERREICH: Hatten Sie gar keine Angst vor ihr?
Tamara N.: Wovor denn? Was hätte sie in Haft schon machen können? Es gab Gerüchte, dass sie andere Insassinnen bedrohen würde. Das war aber Unsinn. Sie war eine richtige Lady. Wenn sie mit den Justizbeamtinnen den Gang entlangging, fiel sie einfach auf, weil sie immer schön gekleidet in die Arbeit kam. Man muss auch sagen, dass sie vom Wachpersonal schon ein bisserl hofiert wurde. Deshalb verfassten die anderen Frauen auch diesen Beschwerdebrief über sie. Sie waren neidische Drogensüchtige, die sie mobbten und in deren Alltag sich alles um die Frage, wie sie in Haft zu Gift kommen, drehte.
ÖSTERREICH: Wie soll man in Haft an Drogen kommen?
Tamara N: Wenn Sie wüssten... Im Hof wird ganz ungeniert gedealt. Im Gefängnis bekommst du alles, was du willst. Du musst nur die richtigen Leute bestechen. Dem Wachpersonal ist alles egal. Wenn eine stirbt, sagen sie nur: „Ane weniger.“ Die Ärzte helfen dir nicht, für die bist du nur ein Kostenfaktor. Ich hatte eine Freundin, die an Krebs starb, weil sie sie nicht untersucht haben. Vom Essen wirst du krank. In Haft stirbst du oder du überlebst. Der Justizminister müsste einfach aufräumen und eine unabhängige Kommission die Haftumstände prüfen lassen.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie und Esti den Alltag überstanden?
Tamara N.: Wir saßen in der Stickerei und sprachen über unsere Kinder. Auch über unsere Taten. Sie hat gesagt, dass sie es sehr bereut und damals keinen anderen Ausweg mehr wusste. Sie war die Einzige, mit der ich richtig reden konnte und nicht die „Prinzessin“. Man hat gemerkt, dass sie sehr intelligent ist. Ihr Sohn ist das Einzige, was ihr in Haft Halt gibt. Sie hofft darauf, dass sie in 12 bis 15 Jahren nach Spanien verlegt wird, wo sie ihn öfters sehen würde. Ich wünsche es ihr sehr.(lae)