Tod in Kaserne

Rekrut (21) nach Schuss auf Mustafa: "Habe mit Waffe herumgespielt"

Die Staatsanwaltschaft spricht von einem Tötungsvorsatz, die Verteidigung von einem tragischen Unglück. 

Der dramatische Vorfall im Wachlokal der Türkkaserne in Spittal and der Drau schlug österreichweit hohe Wellen. Der Mord-Prozess findet heute statt.  Der mediale und öffentliche Andrang am Landesgericht Klagenfurt ist enorm, mehrere Besucher fanden im großen Schwurgerichtssaal keinen Platz mehr. Die Verhandlung war bis zum Abend anberaumt. Es drohen bis zu 20 Jahre Haft. 

Rekrut (21) nach Schuss auf Mustafa:
© APA/WOLFGANG JANNACH

Zu der tödlichen Schussabgabe war es am Nachmittag des 22. Oktobers im Wachlokal der Kaserne gekommen, in dem der Angeklagte seit dem Morgen Dienst versah. Nachdem das spätere Opfer eingetreten war, kam es zu einem kurzen Gespräch zwischen den beiden jungen Männern - worum es dabei ging, ist laut Anklage nicht bekannt. Vor dem Grundwehrdienst hatten sich die zwei jungen Männer nur flüchtig gekannt.

Das Opfer, der Wachsoldat Mustafa P. (21) aus Kärnten, durch einen Schuss aus der Dienstwaffe des zum Tatzeitpunkt noch 20-jährigen Rekruten ums Leben. Das Projektil traf den 21-Jährigen in die Brust, durchdrang die Lunge und trat im Rückenbereich wieder aus. Mustafa starb am hohen Blutverlust wenig später im Spital. 

Wie es zu dem Schuss kam, wird aktuell im Prozess erläutert.  Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Im Zuge des Gesprächs mit dem 21-Jährigen nahm der Angeklagte plötzlich seine Dienstwaffe aus dem Holster "und drückte den Abzug, als der Lauf der Waffe in Richtung der Brust des etwa zwei Meter Entfernten gerichtet war". Das Projektil durchdrang die Brust des 21-Jährigen und trat am Rücken wieder aus. Trotz rascher notärztlicher Hilfe starb der 21-Jährige an Verbluten infolge des Lungendurchschusses im Schockraum des Klinikums Klagenfurt.

Anklage geht von Tötungsvorsatz aus

Der Angeklagte hatte nach seiner Festnahme die Schussabgabe zugegeben, jedoch erklärt, dazu sei es unabsichtlich gekommen. Das sei aber nicht nachvollziehbar, verwies die Staatsanwältin in ihrem Anklagevortrag auf die wechselnden Angaben des Angeklagten: Erst habe er gesagt, der Waffengurt sei ihm heruntergefallen, dabei habe sich ein Schuss gelöst. Später gab er an, er sei beim Eintreten des späteren Opfers "erschrocken" - dazu wurde auf ein Video verwiesen, demzufolge der später Getötete schon zwei Minuten im Wachlokal war, bevor der Schuss fiel.

Weiters meinte der Angeklagte, er habe gemerkt, dass etwas - wohl die Pistole - herunterfällt. Diesen Gegenstand habe er dann mit einem Fuß nach oben gekickt und kurz zu fassen bekommen. Dabei verwies die Staatsanwältin auf die mehrfache Sicherung der Glock: Im Holster könne sich kein Schuss lösen und die Waffe könne auch nicht einfach so aus dem Holster fallen. Wie genau die Version des Angeklagten abgelaufen war, konnte bisher nicht geklärt werden, er habe nämlich eine Teilnahme an einer Tatrekonstruktion abgelehnt. Auch, dass es kein Motiv gebe, bestritt die Staatsanwältin: "Es gibt ein Motiv, aber wir kennen es nicht."

Verteidigung: "Tragisches Unglück"

Von einem "tragischen Unglück" sprach der Verteidiger des Angeklagten, Kurt Jelinek. Der Angeklagte und das Opfer hätten einander gekannt und auch verstanden, es gebe keinen Grund, warum sein Mandant dessen Kollegen töten hätte sollen. Der 20-Jährige werde sich der grob fahrlässigen Tötung schuldig bekennen: "Er hat mit der Waffe eine Gefahrensituation geschaffen, was nicht passieren hätte sollen." Mehrmals bat der Verteidiger im Namen seines Mandanten die Familie des Getöteten, die auch im Gerichtssaal war, um Entschuldigung.

"Wir gehen davon aus, dass es richtig blöd hergegangen ist", sagte Jelinek zum Unfallhergang. Offensichtlich sei die Waffe doch aus dem Holster gefallen. Dieser "nicht sorgsame Umgang mit der Waffe" sei der Fehler seines Mandanten gewesen. Dieser könne zwar nicht genau sagen, wie der Ablauf war - nur so viel: "Er hat die Waffe erwischt und einfach fest zugepackt." Die teils widersprüchlichen Angaben des 20-Jährigen begründete er damit, dass dieser nicht in der Lage sei, "sich rhetorisch gut auszudrücken".

"Mit Waffe herumgespielt"

Der Angeklagte selbst sagte aus, dass er im Wachlokal herumgegangen sei und dabei mit der Pistole "herumgespielt" habe, indem er sie leicht aus dem Holster gezogen und wieder hineinfallen lassen habe. Schließlich habe er den Gurt abnehmen wollen, weil ihm schlecht geworden sei. Plötzlich habe ihn der später Getötete angesprochen: "Ich habe nicht gemerkt, dass jemand da ist. Ich habe mich erschrocken, habe dabei gemerkt, dass etwas fällt. Dann habe ich nachgegriffen und einen Knall gehört." Er habe aber erst nicht realisiert, dass das ein Schuss war.

Wie genau dieses "Nachgreifen" abgelaufen war, konnte der Angeklagte auch auf mehrmalige Nachfrage von Richter Dietmar Wassertheurer, der dem Schwurgericht vorsaß, nicht sagen. Er habe vor dem Schuss auch nicht mit seinem Kollegen gesprochen: "Ich habe nicht gesehen, dass er da ist." Auch darauf hingewiesen, dass dieser schon zwei Minuten lang im Gebäude war, blieb der Angeklagte bei seiner Aussage. Nachdem der Schuss gefallen war, sammelte der Angeklagte die Patronenhülse und das Projektil ein und platzierte beides auf dem Schreibtisch im Wachzimmer. Wann und warum er das getan habe, könne er nicht mehr sagen, erklärte er.

Video dokumentiert Nachtatverhalten des Angeklagten

Vorgespielt wurde auch ein Video, das den Platz vor dem Wachlokal zeigt. Darauf ist das Opfer beim Betreten des Wachlokals zu sehen. Zwei Minuten später läuft der junge Mann wieder vor die Tür und hält sich eine Hand auf die Brust. Danach blickt immer wieder der Angeklagte vor die Tür, geht aber wieder ins Gebäude zurück. Schließlich ist er zu sehen, wie er am Handy telefoniert und einen Notruf absetzt. "Es ist jemand angeschossen worden aus Versehen. Es hat einen Unfall gegeben, wir haben einen Verletzten da", ist auf der Aufzeichnung zu hören, die im Saal abgespielt wurde. Das Opfer bezeichnete er später als "guten Freund, mit dem man über private Sachen reden kann".

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