Viele kritische Fragen noch offen

Toni P. (†): Das Protokoll des Todesmarsches

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Nicht nur die Hinterbliebenen fragen sich: Wenn er krank war, warum ist Toni marschiert?

Der Tod des 19-jährigen Grundwehrdieners sorgt weiter für heftige Debatten – auf der einen Seite stehen jene, die kein Versagen des Bundesheeres und der Ausbildner sehen, und dass Marschieren in der Mittagshitze bei 35 Grad und mehr nun mal zum Soldatenleben gehöre.

Auf der anderen Seite tauchen anhand des Protokolls des Todesmarsches am 3. August in Horn im Waldviertel immer mehr Fragen auf, die lange noch nicht beantwortet und die Wasser auf die Mühlen von Heereskritikern sind:

Vater von Kameraden
 erhebt schwere Vorwürfe

Dabei geht es vor allem um die offenbar nicht funktionierende Rettungskette, als Toni P. nach etwa der Hälfte der 7 Kilometer zusammenbrach. Der Vater eines Kameraden packt aus: „Schon vor dem Marsch gaben die Verantwortlichen kund: ‚Wer noch in der Lage ist zu sprechen, kann weitermarschieren.‘ Als der Bursche völlig verwirrt in der Wiese lag, wurde nicht umgehend die Rettung verständigt.“

Warum hat sich Bursche nicht krankgemeldet?

Vielmehr soll der Zugskommandant angerufen worden sein, der mit einem Lkw kam, auf den man Toni P. legte und in die Kaserne statt ins Spital fuhr! In der Kaserne sollen zunächst zwei Sanis den 19-Jährigen begutachtet haben, ehe die Rettung und der Notarzt gerufen wurden. Die Ärzte im Krankenhaus hatten keine Chance mehr – der Maturant und Wasserballer starb an einer Sepsis wohl aufgrund einer Vorerkrankung (siehe Kasten rechts), die aber vielleicht nicht so schlimm geendet wäre, wenn der Gardesoldat sich krankgemeldet hätte.

Versager mit Wochenend-Diensten "belohnt"?

Hierzu muss man wissen, dass Toni P. seinen Einrücktermin am 3. Juli verschlafen und erst eine Woche später als seine Kameraden einrückte. Dafür bekam er 10 Tage Ausgangssperre. Überspielte er deshalb seine sich abzeichnende Schwäche durch den akuten Infekt, weil es stimmt, was ein Rekrut (der im Winter in Horn bei der Garde seine Ausbildung machte) im Standard verrät: Dass Übungen, die nicht zur Zufriedenheit des Unteroffiziers ausgeführt wurden, mit Dienstverlängerungen oder Wochenenddiensten „­belohnt“ werden...

Überdies ist offen, wo sich Toni den Infekt „eingefangen“ hat. Bundesheer-Sprecher Oberst Bauer verspricht, dass allem nachgegangen und die Causa genauestens evaluiert wird, „damit so ein Drama nie ­wieder passiert“. Die Staatsanwaltschaft in Krems ermittelt weiter wegen fahrlässiger Tötung. (kor)

Blutuntersuchung ergab akuten Infekt des Rekruten

War wirklich die Vorerkrankung allein Schuld am Tod des Grundwehrdieners?

Nach einer ersten vorläufigen Infektion hieß es, dass keine Bakterien im Spiel gewesen seien, sondern eine Überhitzung und Überanstrengung in der prallen Sonne zum Tod mit 44 Grad Fieber geführt haben könnten.

Die darauf folgende Blutuntersuchung durch den gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Wolfgang Denk ergab dann allerdings Hinweise auf die Keime Haemophilus influenzae und Streptococcus pneumoniae – erstere sind nahezu nur für immungeschwächte Personen und für unter Fünfjährige gefährlich, zweitere kommen bei mehr als 50 Prozent der Menschen in der Rachenschleimhaut vor. Laut Anklagebehörde in Krems hatte Toni P. „einen akuten Infekt. Die Keimeinschwemmung ins Blut bewirkte offensichtlich das hohe Fieber und war geeignet, eine Sepsis herbeizuführen.“ Unbeantwortet bleibt derzeit noch die Frage, ob es auch ohne Marsch und Hitze und bei rechtzeitiger Behandlung zum Tod des Rekruten gekommen wäre.

Doskozil: "Den Schmerz kann ich mir als Vater gut vorstellen"

Verteidigungsminister Doskozil verspricht im Fall des toten Rekruten rasche Aufklärung.

Der tragische Tod des Rekruten Toni P. erschüttert das Land – in ÖSTERREICH verspricht Hans Peter Doskozil (SPÖ) einen Bericht über das Drama noch im August. Kommen Missstände zutage, werde es Konsequenzen geben.

ÖSTERREICH: Wann erwarten Sie Ergebnisse der Untersuchung um den Tod des Rekruten?

Hans Peter Doskozil: Ich habe zwei Kommissionen eingesetzt. Einerseits die Untersuchungskommission unter Leitung des Salzburger Gerichtspräsidenten, der sich mit dem Fall direkt auseinandersetzt. Die Befragungen vor Ort haben bereits begonnen. Die zweite Kommission untersucht unter Leitung von Generalleutnant Höfler die Bestimmungen für die Ausbildung. Ich gehe davon aus, dass wir noch im Monat August erste Ereignisse vorlegen können.

ÖSTERREICH: Beide betroffene Ausbilder sind im Dienst, ja arbeiten sogar mit jenen Rekruten weiter, die wohl auch befragt werden. Warum?

Doskozil: Wir gehen jedem Vorwurf natürlich nach, aber ein Grundsatz muss gelten: Es darf keine Vorverurteilung geben. Und ich wehre mich auch gegen ein Heeresbashing. Unsere Soldaten leisten Großartiges, derzeit stehen wir zum Beispiel im Katastropheneinsatz. Unsere 2.000 Ausbildner machen zum überwiegenden Teil sehr gute Arbeit. Es gibt natürlich Problemfälle – und gegen die müssen wir mit aller Konsequenz auftreten. Die Grundwehrdiener müssen wertgeschätzt werden. Es gilt, respektvoll mit ihnen umzugehen.

ÖSTERREICH: Wenn Sich herausstellen sollte, dass Grundwehrdiener angeschrien und eingeschüchtert wurden …

Doskozil: … wird es Konsequenzen geben, das haben wir auch in der Vergangenheit bewiesen. Ich sage aber dazu: Es gab 2016 etwa 140 Beschwerden, davon 43 von Rekruten – bei 17.000, die wir ausgebildet haben.

ÖSTERREICH: Wie gehen Sie persönlich damit um?

Doskozil: Natürlich bin ich betroffen – als Vater kann ich mir vorstellen, dass es ein unermesslicher Schmerz für die Eltern sein muss. Ich werde den Kontakt mit den Eltern suchen und auch auf das Begräbnis gehen.

ÖSTERREICH: Und Ihre politische Verantwortung?

Doskozil: Ich sehe meine politische Verantwortung darin, dass wir alles aufklären und offen legen. Und ich werde auch alles dafür tun, dass so etwas nicht mehr passiert.

ÖSTERREICH: Themenwechsel. Die SPÖ fährt einen Gerechtigkeitswahlkampf – ihr Landeschef Hans Niessl will einen Asylwahlkampf machen. Und Sie?

Doskozil: Es geht nicht um ein Entweder-oder. Wir müssen alle Themen ansprechen, die auch die Österreicher bewegen. Gerade die Sozialdemokratie sollte das tun. Das ist aktuell natürlich das Flüchtlingsproblem. Aber auch die Themen Arbeitsmarkt, Pensionen, Bildung.

ÖSTERREICH: Ihr Parteichef hat ÖVP-Innenminister Sobotka scharf kritisiert. Da liegt die Frage auf der Hand: Wären Sie der bessere Innenminister?

Doskozil: Ich habe mich stets dagegen verwehrt, Ressortkollegen gute Ratschläge über die Medien zu geben. Dabei bleibe ich auch im Wahlkampf. Was den Innenminister betrifft: Jetzt muss einmal gewählt werden. Dann werden Koalitionsverhandlungen geführt. Die Aufgabe im Verteidigungsministerium ist eine wirklich herausfordernde – diese Verantwortung nehme ich gerne wahr. Ich schätze unsere Soldaten. Ich wäre nicht abgeneigt, weiterhin Verteidigungsminister zu bleiben.


Interview: G. Schröder

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