Klavierlehrer angeklagt

Überraschender Start im Vergewaltigungs-Prozess

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52-Jähriger soll laut Anklage heute 16-Jährige jahrelang regelmäßig missbraucht haben.

Ein Klavierlehrer, der eine heute 16-jährige Schülerin jahrelang vergewaltigt haben soll, ist am Donnerstag in Wels vor Gericht gestanden. Der Prozess begann nicht alltäglich: Richterin Alice Sadoghi hielt fest, dass die Staatsanwaltschaft widersprüchlich agiere, und sie weigerte sich, ein Gutachten zu verlesen, weil die Sachverständige bereits früher "objektive Falschgutachten" erstattet habe.

Die Anklage wirft dem 52-Jährigen vor, er habe die Musikschülerin in Gmunden und Wels 2012 mehrfach begrapscht und von 2013 bis 2016 regelmäßig vergewaltigt. Dabei soll er das Mädchen mit der Drohung, er werde sonst dessen Familie etwas antun, gefügig gemacht haben, so die Staatsanwältin. Das Opfer habe eine schwere posttraumatische Belastungsstörung davongetragen. Laut dem Privatbeteiligten-Vertreter leide die heute 16-Jährige nach wie vor massiv unter den Übergriffen. "Ihr Leben ist zerstört", sagte er.

"Hat er nicht gemacht"

Der Angeklagte werde sich nicht schuldig bekennen, kündigte seine Verteidigerin an. Ihr Mandant hat laut Gericht eine einschlägige Eintragung um Strafregister. Dazu stehe er auch, so seine Anwältin, aber alles, was man ihm nun zur Last lege, "hat er nicht gemacht". Er und seine Familie seien durch die Angelegenheit selber Opfer geworden.

Die Vorsitzende des Schöffensenats überraschte dann zunächst mit der Feststellung, dass die Staatsanwaltschaft widersprüchlich agiere. Denn der Angeklagte war nach der kontradiktorischen Einvernahme des Opfers aus der Untersuchungshaft entlassen worden - mangels dringenden Tatverdachts. Dagegen habe die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel erhoben, hielt die Richterin fest.

"Erhebliche Zweifel"

Zudem kündigte Sadoghi an, sie werde das eingeholte Gutachten nicht verlesen. Denn das Gericht habe "erhebliche Zweifel an der Sachkunde der Sachverständigen". Diese habe in zwei Verfahren, in denen sie selbst den Vorsitz geführt habe, "objektive Falschgutachten erstattet". Als Beispiel nannte sie den Fall einer Frau, die behauptet hatte, jahrelang jede Woche vergewaltigt worden zu sein, sich dann aber als Jungfrau herausgestellt habe. Was die schweren Folgen der Tat im aktuellen Fall - die angeblich posttraumatische Belastungsstörung - betreffe, so müsse diese von einem Psychiater festgestellt werden, die Sachverständige sei aber Psychologin. Der Privatbeteiligten-Vertreter betonte, seine Mandantin sei bereit sich einer neuen Befundung zu stellen. Es könne allerdings etwas dauern, denn sie sei derzeit in stationärer Behandlung.

Zur Einvernahme des Beschuldigten wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Für Donnerstag ist offenbar noch geplant, die Videos der kontradiktorischen Einvernahme des Opfers zu sichten, dazu wird die Öffentlichkeit ebenfalls nicht zugelassen.

Auf unbestimmte Zeit vertagt

Der Prozess ist am frühen Nachmittag auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Details waren nicht bekannt, da die Verhandlung bis zuletzt unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Anzunehmen ist, dass bei einem neuen Termin das Gutachten erörtert wird - nur verlesen will es die Richterin ja nicht - oder ein neuer Sachverständiger bestellt wird.

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