Gutachter: "aufgestaute Wut"

Mordverdacht-Prozess: Angeklagter leugnete Tötungsabsicht

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Ein Mann muss sich im Landesgericht Leoben wegen Mordes verantworten.

Leoben/Knittelfeld. Ein 32-jähriger Mann hat sich am Montag im Landesgericht Leoben wegen des Verdachts des Mordes verantworten müssen. Der Angeklagte soll seinen Freund mit 37 Messerstichen und einem Kehlschnitt im Juni umgebracht haben. Der Beschuldigte stritt die Tötungsabsicht ab und sprach davon, er habe sich gewehrt. Die Anklage sieht aber einen "eiskalt geplanten Mord" aus Eifersucht.

Der im Jahr 2016 samt Frau und Kind nach Österreich geflüchtete Afghane - er ist entgegen bisherigen Informationen bereits 32 und nicht 22 Jahre alt - hatte am 19. Juni in Knittelfeld laut Staatsanwältin Viktoria Steinecker seinen Freund "mit 37 wuchtig ausgeführten Messerstichen getötet". "Dann hat er ihm die Kehle durchgeschnitten und ihn in der Wohnung ausbluten lassen", schilderte die Anklägerin im Eröffnungsplädoyer den Geschworenen. "Er gibt es zu. Die Frage ist das Motiv." Täter und Opfer haben sich 2017 kennengelernt. Der Landsmann soll mit der Frau des Angeklagten eine Affäre gehabt haben - und der 32-Jährige soll davon gewusst haben.

"Ein Jahr vor der Tat erfuhr er von der Affäre und er entschloss sich, seinen Nebenbuhler zu beseitigen", so Steinecker. In den Stunden vor der Tat waren beide noch zusammen in Wien, nahmen gemeinsam Drogen und besuchten ein Bordell. Zurück in Knittelfeld ging das spätere Opfer schlafen. Der 32-Jährige soll laut Anklage über ein Fenster in seine Wohnung eingestiegen und den 28-Jährigen im Schlaf überrascht haben. "Das Messer ist fast bis zum Anschlag in das Fleisch eingedrungen. Der Kehlkopf wurde gespalten", beschrieb die Staatsanwältin die Wucht der Stiche.

Zum Tathergang hatte der Beschuldigte bisher mehrere Varianten parat: der Drogeneinfluss war schuld, dann will er sich nur gewehrt haben und das spätere Opfer soll ihn provoziert haben. Den Einbruch über das Fenster stritt der Angeklagte jedenfalls ab. Sein Verteidiger sprach von Notwehr, die zu einem Totschlag wurde. Mord sei es nicht gewesen, denn der 28-Jährige habe seinen Mandanten provoziert und angegriffen. Bei der Rangelei sei ein Messer ins Spiel gekommen. Letztlich brachte der 32-Jährige seinen Landsmann laut Verteidiger "im Blutrausch" um.

Der Angeklagte fühlte sich nicht schuldig, den 28-Jährigen vorsätzlich getötet zu haben. Er erzählte vom Tag vor dem Tod seines Freundes, von massivem Drogenkonsum, dem Bordellbesuch und einem gemeinsamen Abend in der Wohnung des späteren Opfers. "Ich kannte mich nicht aus, mir ging es schlecht und wollte mehr von den Drogen", rechtfertigte er sich. "Er sprach über meine Frau." Der 28-Jährige soll anzügliche Textnachrichten mit dem Handy auf den Fernseher gespiegelt haben, in denen er beschrieb, wo er die Frau des Angeklagten geküsst haben will.

Es soll zum Streit zwischen den beiden gekommen sein, schilderte der Beschuldigte. Plötzlich habe sein Landsmann ein Messer gezückt, das er ihm aus der Hand geschlagen habe. Dann soll er mit diesem auf den 28-Jährigen eingestochen haben - er könne sich an vier bis fünf Mal erinnern. Dann sei sein Freund reglos am Boden gelegen und er habe noch das restliche "Gras" in der Wohnung geraucht. Das Messer ließ er verschwinden, es wurde nie gefunden, obwohl er der Polizei den genauen Ort zeigte, wo er es versenkt haben will.

Die Staatsanwältin brachte vor, dass die Blutwerte des 32-Jährigen in keiner Weise auf einen derart massiven Drogenkonsum hindeuten: "Er hat keine der beschriebenen Drogen an dem Tag genommen. Bei der beschriebenen Menge wäre er vermutlich selber tot." Der vorsitzende Richter Roman Weiß meinte: "Bei der Tatrekonstruktion haben Sie den Vorfall ganz anders beschrieben." Daraufhin sagte der Angeklagte, dass die Angaben der Tatrekonstruktion stimmen würden. Die Kehle will er dem Opfer aber nicht durchgeschnitten haben. Daraufhin zeigte Weiß den Geschworenen Fotos, die eindeutig den Kehlschnitt zeigten.

Bei der ersten Vernehmung durch die Polizei hatte der 32-Jährige angegeben, dass sein Freund den Tod verdient habe: "Es waren zwei höllische Jahre für mich", war damals seine Rechtfertigung. Das sah der Beschuldigte am Montag anders. Er sei damals zwei Tage nicht bei sich gewesen, meinte er.

Gutachter sieht "aufgestaute Wut"

Der gerichtspsychiatrische Gutachter Manfred Walzl erklärte in seinen Ausführungen, dass der Angeklagte in seinen Augen keine psychopathologische Veränderung zeige. Damit sei er "uneingeschränkt zurechnungsfähig". Weshalb der 32-Jährige dennoch zu so einer brutalen Tötung fähig war, begründete der Sachverständige schlicht: "Das Böse ist Teil des Menschen."

Ein Drogeneinfluss sei anhand der Blutwerte jedenfalls auszuschließen. Es wurden lediglich Reste von Abbauprodukten gefunden. Als Ursache für die brutale Tat sieht Walzl vielmehr "aufgestaute Wut" und "gekränkte Eitelkeit des Mannes".

Nach der Mittagspause dürfte das Beweisverfahren bald geschlossen werden. Danach sind noch die Schlussplädoyers zu hören, ehe sich die Geschworenen zur Beratung zurückziehen. Anschließend wird das Urteil verkündet.
 

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