Mord-Prozess in Wien

Herzstich im Cafe "Pronto"

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Prozess um Bluttat wegen Streit um Runde Schnaps.

Weil er am 26. April 2014 im Cafe "Pronto" in Wien-Meidling einen Lokalgast zu Tode brachte, musste sich der 72 Jahre alte Thomas U. am Dienstag wegen Mordes vor einem Schwurgericht verantworten. "Zuerst einmal möchte ich sagen, dass mir der Tod des Erich leidtut. Zum anderen möchte ich sagen, dass die Aggression ausschließlich von ihm ausgegangen ist", stellte der Angeklagte vorweg klar.

Der 72-Jährige hatte nach Mitternacht das Lokal betreten, nachdem er seit dem Nachmittag dem Alkohol zugesprochen hatte. An die 20 Spritzer will er intus gehabt haben, als er sich neben den Tisch setzte, an dem sich Erich H. (42) mit einigen Begleitern unterhielt. Man kam miteinander ins Gespräch und bestellte eine Runde Schnaps.

Streit um Runde Schnaps eskalierte
Als die Kellnerin um 2.15 Uhr die Sperrstunde ausrief, warteten alle darauf, dass Thomas U. - wie von ihm angekündigt - die offene Runde übernehmen würde. Weil er das nicht tat, wurde er von der Freundin des 42-Jährigen beleidigt. Thomas U. schimpfte zurück, worauf ihm Erich H. einen Stoß versetzte, sodass der 72-Jährige rücklings samt dem Sessel zu Boden stürzte.

Als Erich H. ihm aufhelfen wollte, zückte der Mann ein Klappmesser und versetzte seinem Widersacher laut Anklage einen wuchtigen Stich in die Brust und einen zweiten in den Bauch. "Er hatte schlicht und einfach keine Chance, die Messerstiche zu überleben", sagte Staatsanwältin Viktoria Berente. Der eine traf das Herz, der zweite öffnete eine Vene. Obwohl rasch notärztliche Hilfe zur Stelle war, hatte der 42-Jährige bis zur Notoperation im nächstgelegenen Spital zwei Liter Blut verloren. Er starb an einem Herz-Kreislauf-Versagen infolge des massiven Blutverlusts.

Thomas U. hatte nach den Stichen das Messer wieder zusammengeklappt, in die Hosentasche gesteckt und das Cafe "Pronto" verlassen. Er wurde von der Polizei unweit des Lokals in einem Gebüsch aufgegriffen, wo er sich zu verstecken versucht hatte.

Angeklagter will sich an nichts mehr erinnern
Vor den Geschworenen gab der abgebrüht wirkende Mann an, sich an nichts mehr erinnern zu können. Er wisse nicht einmal mehr, dass er das Lokal betreten habe: "Das nächste, was ich weiß, ist im Spital, wo ich am Kopf genäht worden bin."

Laut Gutachten hatte der Angeklagte zum Tatzeitpunkt 3,07 Promille Alkohol im Blut. Thomas U. soll aber an Alkohol gewöhnt gewesen sein und sich keineswegs in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden haben. Seine Steuerungsfähigkeit sei "vermindert, aber nicht aufgehoben" gewesen, so die Expertise der Gerichtspsychiatgerin Gabriele Wörgötter.

"Ich bin der Meinung, die Frau Sachverständige erstellt ein Gefälligkeitsgutachten", nahm der Angeklagte dazu Stellung. Die Staatsanwältin möchte zusätzlich zu einer Verurteilung die Einweisung des Mannes in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher erwirken. Laut einem psychiatrischen Gutachten soll er eine schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung aufweisen, die erwarten lässt, dass er neuerlich Straftaten mit schweren Folgen setzen wird. Nach Ansicht der Sachverständigen Wörgötter wäre Thomas U. daher ein Fall für den Maßnahmenvollzug.

Langes Vorstrafenregister
Tatsächlich ist de Angeklagte kein unbeschriebenes Blatt. Er weist nicht weniger als 19 Vorstrafen auf. Insgesamt hat der 72-Jährige über 30 Jahre seines Lebens in diversen Gefängnissen verbracht.

Zuletzt war er Anfang Februar 2014 in Irland aus einer sechsjährigen Freiheitsstrafe wegen Drogenhandels entlassen und nach Österreich abgeschoben worden. Keine zwei Monate später kam es zur gegenständlichen Bluttat. Sein Strafregister enthält auch eine elfjährige Haftstrafe für einen bewaffneten Raubüberfall in Wien sowie eine siebenjährige Freiheitsstrafe wegen Totschlags - 1980 hatte er in Berlin im Streit in einem Lokal seinen Kontrahenten erstochen, als dieser sich wegdrehte und zu einem Flipper-Automaten gehen wollte.
 

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