Wien

HTL-Musterschüler wurde Austro-Dschihadist

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18-jähriger galt als gut integriert - Mutter wegen Terror-Finanzierung vorbestraft.

Am 18. August waren neun gebürtige Tschetschenen festgenommen worden (ÖSTERREICH berichtete), als sie - aufgeteilt auf zwei Autos - über die Grenzübergänge Nickelsdorf bzw. Thörl-Maglern Österreich verlassen wollten, um sich - so die Erkenntnisse des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) - in Syrien aufseiten der radikalislamistischen Terrormiliz IS auf Kampfhandlungen einzulassen.

Sieben Männer im Alter zwischen 18 und 27 und eine 19-jährige Frau sitzen seither in U-Haft, der jüngste mutmaßliche Jihadist - ein 17-jähriger Schüler - wurde aufgrund seines jugendlichen Alters vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

Der Großteil der Verdächtigen, gegen die die Staatsanwaltschaft Wien unter der Aktenzahl 501 St 124/14f wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (278b Abs 2 StGB) ermittelt, war bis zu ihrer Festnahme behördlich nicht aufgefallen. Sie waren nicht dem radikal-islamistischen Spektrum zurechenbar. Einige der gebürtigen Tschetschenen galten nach außen hin als gut integriert.

Musterschüler als Dschihadist
Das trifft insbesonders auf einen 18-Jährigen zu, der eine HTL besucht und im Juni erfolgreich die zweite Klasse abgeschlossen hat. Googelt man seinen Namen, stößt man im Internet auf ein Foto, das einen adretten jungen Burschen als Teilnehmer an einem internationalen Schüleraustausch-Programm zeigt.

Die Mutter des Jugendlichen, der am 5. Jänner 19 wird, ist allerdings wegen Terrorismusfinanzierung vorbestraft. Sie soll laut rechtskräftigem Urteil den tschetschenischen Rebellenführer Doku Umarow - der Chef des selbst proklamierten sogenannten Kaukasus-Emirats kämpfte für eine islamistische Herrschaft im gesamten Kaukasus-Gebiet und galt in Russland bis zu seinem gewaltsamen Tod Anfang des Jahres als "Staatsfeind Nummer eins" - finanziell unterstützt haben.

Tante war "Schwarze Witwe"
Zwei Schwestern der 41-jährigen Frau, die vor rund zehn Jahren mit ihren drei Kindern nach Österreich geflüchtet war, sollen in Russland direkt an terroristischen Anschlägen beteiligt gewesen und dabei ums Leben gekommen sein. Eine der beiden war angeblich als "Schwarze Witwe" in das Geiseldrama von Beslan verwickelt, bei dem im September 2004 Terroristen in einer Schule in Nordossetien 1.100 Personen in ihre Gewalt brachten. Als russische Einsatzkräfte nach drei Tagen das Gebäude stürmten, um die Geiseln zu befreien, fanden über 330 Menschen den Tod.

Weil sie ihrem Sohn 4.250 Euro mit auf die Reise gegeben hatte, die laut Staatsanwaltschaft nach Syrien in den bewaffneten Jihad gehen sollte, laufen nun auch gegen die 41-jährige Frau wieder Ermittlungen. Neben Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung steht erneut der Verdacht der Terrorismusfinanzierung im Raum: Dem Abschlussbericht des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) zufolge soll die Mutter ihrem Ältesten die 4.250 Euro zugesteckt haben, "damit dieser das Geld an Mitglieder der terroristischen Organisation Emirat Kaukasus übergebe".

Geld für Geschenke?
Der 18-Jährige behauptet demgegenüber, es habe sich um angespartes Pflegegeld gehandelt, das die Familie für seinen jüngeren, zwölfjährigen Bruder erhalten hatte, der an Epilepsie leidet. Er habe nicht nach Syrien, sondern in Istanbul eine befreundete tschetschenische Familie besuchen wollen, die dort im Sommer immer vier Wochen Urlaub mache. Das viele Geld habe ihm die Mutter deshalb überlassen, "weil es bei uns Tschetschenen üblich ist, Geschenke für Bekannte mitzubringen", wie der Jugendliche nach seiner Festnahme in einer Beschuldigteneinvernahme zu Protokoll gab. Außerdem habe er für seinen Bruder "islamische Medizin" besorgen wollen. Wäre ihm etwas von dem Geld übrig geblieben, hätte er das nach seinem Urlaub wieder mit nach Wien gebracht.




 

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