Das Ermittlungsverfahren leitet die Staatsanwältin, die "verschwinden" sollte.
Um weitere vier Wochen hat am Freitag das Wiener Landesgericht für Strafsachen die vor Ostern über einen Wiener Rechtsanwalt verhängte U-Haft verlängert, der während eines gegen ihn anhängigen Betrugsverfahrens einen Mordauftrag vergeben haben soll. Das teilte Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf APA-Anfrage mit.
Kurioser Fall
Ungewöhnlich erscheint in diesem Fall, dass das Ermittlungsverfahren wegen versuchter Bestimmung zum Mord ausgerechnet von jener Staatsanwältin geleitet wird, die einer polizeilichen Zeugenaussage zufolge auf Geheiß des Anwalts ebenfalls "verschwinden" sollte. Weder die Staatsanwältin noch die Wiener Anklagebehörde sehen das als problematisch an, wie Behördensprecherin Nina Bussek der APA erläuterte: "Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt, dass sie Opfer wäre." Daher liege keine Befangenheit vor, die es erforderlich machen würde, die Staatsanwältin von dem Fall abzuziehen. Auf die Angaben des Zeugen - ein aus Bulgarien stammender Automechaniker - angesprochen, der den Rechtsanwalt mit seinen belastenden Angaben hinter Gitter gebracht und sich dabei unter anderem auf die Staatsanwältin bezogen hatte, meinte Bussek, man müsse "die gesamte Beweislage" berücksichtigen. Aus dieser dürfte sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft Wien zweifelsfrei ergeben, dass die Anklägerin nicht Zielscheibe des Mordkomplotts war.
Fest steht, dass in der den Anwalt betreffenden Festnahmeanordnung und den weiteren Anträgen der Anklagebehörde die Staatsanwältin nicht erwähnt wird. Diese beziehen sich ausschließlich auf einen pensionierten Mitarbeiter der Wiener Müllabfuhr bzw. dessen Tochter, denen der Anwalt nach dem Leben getrachtet haben soll. Der ehemalige MA 48-Bedienstete hatte den Anwalt in dessen Betrugsverfahren belastet. Laut dem bulgarischen Automechaniker soll der Jurist ihn, den Mechaniker, ersucht haben, den Zeugen zu überfahren oder zu verschleppen bzw. dessen Tochter zu entführen. Auch die Staatsanwältin, die der Bulgare namentlich - wenn auch unter Weglassung von Konsonanten nicht ganz korrekt - nannte, möge "verschwinden", soll sich der Anwalt gewünscht haben.
Zweifel am Zeugen
Inwieweit der Bulgare glaubhaft ist, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Er soll mehrere Vorstrafen wegen Betrugs aufweisen. Der Verteidiger des inhaftierten Anwalts, Rudolf Mayer, hatte am Karfreitag der APA versichert, der Jurist werde von dem Bulgaren aus Rache zu Unrecht belastet. Sein Mandant habe sich mit dem Mechaniker, den er seit 20 Jahren kenne, zerstritten, worauf der Mann mit dem angeblichen Mordkomplott dahergekommen und zur Polizei gegangen sei.
Gegen den unter Mordverdacht geratenen Anwalt wird seit vergangenem Oktober am Wiener Landesgericht wegen Millionenbetrugs verhandelt. Ihm wird vorgeworfen, mit gefälschten Testamenten auf das Erbe eines ehemaligen österreichischen Botschafters in Athen sowie ein Zinshaus in Hernals aus gewesen zu sein. Wären die Vorhaben geglückt, wären die rechtmäßigen Erben um mehr als 3,7 Millionen Euro gebracht worden. Der Anwalt hat die gegen ihn gerichteten Fälschungsvorwürfe stets bestritten. Die nächste Verhandlung in dem Schöffenverfahren ist für den 19. Juni anberaumt.