Die Staatsanwältin rechnete in ihrem Schlussplädoyer mit den Angeklagten ab: "Das ist schwerste Kriminalität".
Wien. Am Montagabend sind am Wiener Landesgericht die Hauptangeklagten im Missbrauchsfall um eine Lehrerin, die von Juli 2024 bis Jänner 2025 von Burschen im Alter von 15 bis 17 Jahren erpresst, bestohlen und missbraucht worden sein soll, umfassend schuldig gesprochen worden. Für einen 15-jährigen Iraker setzte es dreieinhalb Jahre unbedingte Haft, für einen 17-jährigen Rumänen drei Jahre unbedingte Haft. Ein 15-jähriger Afghane bekam 15 Monate Haft, davon fünf Monate unbedingt.
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Der gebürtige Iraker wurde im Zusammenhang mit drei sexuellen Übergriffen auf die Frau für schuldig befunden, die vom Gericht als Vergewaltigung, sexueller Missbrauch einer wehrlosen Person bzw. geschlechtliche Nötigung qualifiziert wurden. Daneben setzte es für den 15-Jährigen Schuldsprüche wegen schwerer Erpressung der Betroffenen, schweren Einbruchsdiebstahls und versuchter Brandstiftung. Er hatte gemeinsam mit den beiden anderen Hauptangeklagten und einem mitangeklagten 14-Jährigen in der Nacht auf den 16. Jänner 2025 in der Wohnung der Lehrerin Feuer gelegt.
Der Iraker wurde gerichtlich verpflichtet, teils gemeinsam mit anderen Angeklagten dem Opfer rund 15.000 Euro an Schadenersatz zu bezahlen. Die Frau hatte den 15-Jährigen als Haupttäter beschrieben und als Kopf der Gruppe. Er hatte der Frau angedroht, ihre Affäre mit einem früheren Schüler publik zu machen sowie kompromittierende Bilder und Videos zu veröffentlichen, falls sie Forderungen der Jugendlichen nach Geld, Lebensmitteln, Tabak und Suchtmitteln nicht nachkommen sollte.
Urteile der Hauptangeklagten nicht rechtskräftig
Der 17-jährige Rumäne wurde wegen Vergewaltigung, versuchter Brandstiftung und schweren Einbruchsdiebstahls schuldig gesprochen, der 15-jährige Afghane wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, Diebstahls und versuchter Brandstiftung. Der ausschließlich am Feuerlegen beteiligte 14-Jährige fasste rechtskräftig zwölf Monate, davon vier Monate unbedingt aus. Die über die drei Hauptangeklagten verhängten Urteile sind nicht rechtskräftig.
Freispruch für Burschen, der einvernehmlichen Sex mit Lehrerin hatte
Drei weitere Jugendliche hatten sich in der viertägigen Verhandlung vor einem Schöffensenat zu verantworten gehabt, darunter ein Jugendlicher, mit dem die Lehrerin im Vorjahr einvernehmlich ein kurzzeitiges sexuelles Verhältnis eingegangen war. Er war damals 16 Jahre alt. Er wurde vom Vorwurf, am Diebstahl einer Spardose aus der Wohnung der Frau beteiligt gewesen zu sein, rechtskräftig freigesprochen. Von seiner Beziehung zur Pädagogin hatten die anderen Angeklagten erfahren, die mit diesem Wissen die Lehrerin massiv unter Druck setzten und sie wiederholt dazu brachten, sie in ihre Wohnung zu lassen, wo es zu den inkriminierten sexuellen Übergriffen kam.
Ein 17-Jähriger, der die Lehrerin besonders stark unter Druck gesetzt und ihr mit dem Publikmachen ihres einvernehmlichen kurzzeitigen sexuellen Verhältnisses mit dem damals 16-Jährigen gedroht hatte - er kündigte das Anbringen von Plakaten vor der Schule an -, bekam rechtskräftig 18 Monate, davon sechs Monate unbedingt. Ein anderer 16-Jähriger, der am Rande untergeordnet beteiligt war, wurde des Einbruchsdiebstahls und der Sachbeschädigung für schuldig befunden und zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt.
Lehrerin für Gericht "absolut glaubwürdig"
Den Schuldsprüchen wurden die "absolut glaubwürdigen Aussagen" der Lehrerin zugrunde gelegt, die "im Einklang mit den Beweisergebnissen" standen, wie die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung darlegte. Die Angaben der zu den zentralen Vorwürfen nicht geständigen Angeklagten wurden dagegen als "Schutzbehauptungen" und "in sich widersprüchlich" gewertet.
Die Staatsanwältin hatte ihr Schlussplädoyer genutzt, um mit den Angeklagten abzurechnen. "Das, was hier passiert ist, ist schwerste Kriminalität." Die Beweise würden "völlig ausreichen, um einen Schuldspruch zu fällen. Hier hat ein Mensch im realen Leben massives Leid erfahren." Die Angeklagten hätten "keine Reue, keine Schuldeinsicht" und "eine Empathielosigkeit, die ihresgleichen sucht" gezeigt. Die Lehrerin habe im Ermittlungsverfahren sieben Mal zu verschiedenen Teiles des Anklagekomplexes ausgesagt: "Sie hat widerspruchsfrei geschildert, dass sie Opfer verschiedenster Straftaten geworden ist."
"Staatsanwältin: Zwangslage schamlos ausgenutzt"
Die Anklägerin betonte, dass es in der Hauptverhandlung nicht um moralische Fragen gehe. Die Frau habe "falsche Entscheidungen getroffen", die nicht immer "der gesellschaftlichen Erwartungshaltung entsprochen" hätten: "Es geht aber keinesfalls darum, ein Moralurteil über die Lehrerin zu fällen". Die Angeklagten hätten "Psychoterror" betrieben und die Lehrerin in eine "Abwärtsspirale, aus der sie nicht mehr rausgekommen ist" versetzt: "Sie hatte panische Angst, ihren Ruf zu verlieren, ihren Job, ihre Existenz." Die Angeklagten hätten "ihre Ausweglosigkeit erkannt und ihre Zwangslage schamlos ausgenutzt".
Am vierten Verhandlungstag waren unter anderen die Eltern der Betroffenen zu Wort gekommen. Es sagte auch eine Zeugin aus, die an der Schule, an der die Lehrerin tätig war bzw. ist, als Direktionsassistentin beschäftigt ist.
Vater: "Hab' sie noch nie so fertig gesehen"
"Ich hab' sie noch nie so fertig gesehen", legte zunächst der Vater der Lehrerin im Zeugenstand dar. Zunächst hätte sich seine Tochter ihrer jüngeren Schwester anvertraut, dann hätten auch die Eltern erfahren, "was ihr passiert ist. Dass sie von einer Bande Jugendlicher erpresst, beraubt, vergewaltigt wurde. Drogen, Gewalt, Demütigung". Man habe ihr auch Geld gestohlen, einmal eine Spardose mit 800 Euro, dann für einen Urlaub angesparte Banknoten aus einer Handtasche, gab der Vater der Frau zu Protokoll.
Mit "kompromittierenden Fotos" hätte man seine Tochter unter Druck gesetzt, schilderte der Mann. Seine Tochter habe nicht zur Polizei gehen wollen, weil sie befürchtete, das Wissen um ihre Kontakte zu Jugendlichen würde an der Schule die Runde machen: "Sie hat gemeint, dass das beruflich schlecht ausgeht. Sie war total durch den Wind." Dann sei einige Zeit eine Ruhe gewesen, seine Tochter hätte geglaubt, die Angeklagten hätten das Interesse an ihr verloren: "Dass das rauskommt, war aber ihre größte Angst. Die Scham. Die Kollegen haben sie blockiert gehabt. Außer uns hat sie niemanden gehabt. Sie war sozial abgenabelt."
An Schule kursierten offenbar Gerüchte um Lehrerin
An der Schule dürften mit Beginn des Wintersemesters 2024/2025 Gerüchte über ein Naheverhältnis der Lehrerin zu minderjährigen ehemaligen Schülern die Runde gemacht haben. Darauf deutete jedenfalls die Aussage einer an der Bildungseinrichtung tätigen Direktionsassistentin hin, die von einem Verteidiger stellig gemacht worden war und die kurzfristig als Zeugin befragt wurde. Sie habe in den Sommerferien 2024 zufällig einen Schüler auf der Straße getroffen: "Er hat mir erzählt, dass sie (die Lehrerin, Anm.) Jugendliche zu sich einlädt und mit ihnen Geschlechtsverkehr hat." Sie sei "natürlich geschockt" gewesen, der Bursch, zu dem sie "ein Vertrauensverhältnis" gehabt hätte, habe "ein paar Namen genannt".
Sie habe "darüber nachgedacht, ob das wahr ist", gab die Zeugin weiter zu Protokoll. Es habe "für mich glaubwürdig" geklungen: "Der Junge hat keinen Grund, mir nicht die Wahrheit zu sagen." Im Herbst seien dann ehemalige Schüler in die Schule gekommen und hätten Ähnliches erzählt: "Die Mädchen waren sehr aufgeregt, dass eine ältere Dame, eine Lehrerin Jungs zu sich einlädt."
Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Lehrerin zu keinem Zeitpunkt strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Es war kein Fehlverhalten der Frau im Sinne eines etwaigen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses oder sonstiger strafrechtlicher Bestimmungen nachweisbar. Die Bildungsdirektion gab sich zu dieser Thematik zugeknöpft. "Da es sich hier um personenbezogene Daten handelt, kann die Bildungsdirektion für Wien aus datenschutzrechtlichen Gründen zu den Fragen keine Auskunft geben", hieß es am Montagnachmittag auf APA-Anfrage.
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Mit dem Wissen um ihr einvernehmliches kurzzeitiges sexuelles Verhältnis mit dem 16-Jährigen hatte sich die Lehrerin jedenfalls erpressbar gemacht.
In der Nacht auf den 16. Jänner kam es dann zum Einbruch in die Wohnung der Frau. Die Eindringlinge hatten es auf Schmuck und sonstige Wertgegenstände abgesehen. Nachdem sie ihre Beute zusammengerafft hatten, legten sie an zwei Stellen Feuer. Die Wohnung brannte komplett aus. Nur dank eines raschen Eingreifens der Berufsfeuerwehr konnte ein Übergreifen der Flammen auf andere Teile des Mehrparteienhauses verhindert werden.
Mutter: "Sie wurde komplett bedroht"
Mit der Brandstiftung und den dazu eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen habe sich das, was seiner Tochter zuvor widerfahren war, "nicht mehr verheimlichen lassen. Gegipfelt hat das Ganze in der Brandlegung", meinte der Vater der Lehrerin in seiner Zeugenaussage zusammenfassend.
"Sie wurde komplett bedroht, sie hatte Angst", bekräftigte im Anschluss die Mutter der Frau. Einem im Ermittlungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten zufolge erlitt die Frau als kausale Reaktion auf die sexuellen Übergriffe eine chronische Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung.