ÖSTERREICH sprach mit Dominik Wurzer (31) und seiner chinesischen Ehefrau (29), die am Montag aus der Quarantäne entlassen werden.
Am 9. Februar wurden der gebürtige Österreicher Dominik Wurzer und seine chinesische Ehefrau aus Wuhan ausgeflogen. Im Interview mit ÖSTERREICH berichten die beiden von ihrem Alltag in der Geisterstadt, im Epizentrum des Coronavirus.
ÖSTERREICH: Die Quarantäne für Sie und Ihre Frau ist zu Ende. Was brachte die finale Untersuchung und wo/wie haben Sie die 14 Tage verbracht?
Wurzer: Unsere Quarantäne endet am Montag (24. 2. 2020). Sämtliche bisher durchgeführten Tests fielen negativ aus und wir zeigten auch zu keiner Zeit Symptome, die dem Coronavirus zuzuordnen sind. Wir waren glücklich, die Quarantäne zu Hause verbringen zu können. Das bedeutet, dass wir uns frei in unserem Haus bewegen durften. Allerdings war sämtlicher persönlicher Kontakt mit anderen sowie das Verlassen des Hauses untersagt. Dies ermöglichte uns, unserer Arbeit wie gewohnt über das Internet nachzugehen. Mit Nahrungsmitteln wurden wir von unserer Familie versorgt und die Amtsärzte kontrollierten in regelmäßigen Abständen unseren gesundheitlichen Zustand.
ÖSTERREICH: Sie lebten in Wuhan, haben mit Ihrer Frau an der Wuhan-Uni unterrichtet. Wie erlebten Sie den Ausbruch der Seuche?
Wurzer: Wie jedes Jahr verbrachten wir Weihnachten und Silvester 2019 in Österreich. Wir wurden zuerst (am 31. 12. 2019) von Freunden über soziale Medien informiert, dass es evtl. einen neuen Ausbruch von SARS in Wuhan gibt und wir nicht wieder nach China zurückkehren sollen. Dies wurde allerdings einige Tage später von der Regierung in Hubei als „Fake-News“ bezeichnet, woraufhin wir die Warnungen als Gerücht abtaten. Vergleichbare Gerüchte entstehen immer wieder in China und stellen sich im Nachhinein als falsch heraus. Daher kehrten wir am 5. 1 .2020 wieder nach China, um Vorlesungen an einer dort ansässigen Eliteuniversität zu halten.
ÖSTERREICH: Wie war die Stimmung an der Uni und im privaten Umfeld?
Wurzer: Ein Freund (35 Jahre alt) arbeitete in einem Einkaufszentrum direkt neben dem Fischmarkt, in dem der Virus ausbrach. Er bekam hohes Fieber und begab sich sogleich in ärztliche Betreuung. Glücklicherweise bekam er einen Platz im Krankenhaus, da er sich in den ersten Tagen der Epidemie infizierte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind sämtliche Krankenhäuser überfüllt und Personen werden in umfunktionierten Stadien behandelt. Mittlerweile ist unser Freund wieder gesund und gilt als geheilt. Unsere Familie ist vom Virus derzeit nicht betroffen, da sie sich zum Zeitpunkt des Ausbruchs außerhalb Wuhans aufhielt und seitdem ihre Wohnungen nicht mehr verließen. Als wir uns noch in Wuhan befanden, unterhielten wir täglichen telefonischen Kontakt, um sicherzustellen, dass es ihnen gut geht und die Versorgung mit Nahrung, Wasser und Medikamenten gewährleistet ist. Um uns nicht zu verunsichern, brachten unsere Verwandten erst nach unserer Evakuierung zum Ausdruck, wie besorgt sie um uns waren.
Uni: Die meisten Studenten hatten Wuhan wegen des chinesischen Neujahrfestes vor der Schließung der Stadt verlassen. Die überwiegende Anzahl der Professoren und Dozenten sind derzeit in der Universität eingeschlossen, werden aber von der Regierung täglich mit Nahrung und Medikamenten sowie Gesichtsmasken versorgt. Über negative Ereignisse spricht man in China nicht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit oder im Arbeitsumfeld. Daher ist die Stimmung - zumindest dem Anschein nach – positiv und „nach vorne blickend“ zu beschreiben. Diese Woche Montag (17. 2. 2020) startete das Sommersemester. Um einen möglichst geregelten Ablauf sicherzustellen, wurden Dozenten mit Kameras versorgt, über welche sie ihre Vorlesungen ins Internet streamen. Studenten können diese Vorlesungen live am Handy mitverfolgen und über eine Chat-Funktion mit dem Vortragenden interagieren. Dies scheint bis jetzt sehr gut zu funktionieren.
Umfeld: Wir leben in einer „Gated-Community“, bestehend aus 9 30-stöckigen Hochhäusern. Am Eingang jedes Hauses wird täglich aufgelistet, wie viele Personen derzeit im Haus infiziert sind. Bei unserer Abreise (8. 2. 2020) waren es 5 Personen. Die gesamte Community wurde jeden Tag in den Außen- und Innenbereichen desinfiziert. Seit im Stadtzentrum eine generelle Ausgangssperre gilt, steht vor jeder Türe unsere Community Wachpersonal, welches Personen am Verlassen des Hauses hindert. Dies, obwohl von uns als stark einschränkend empfunden, gilt zum Schutz der Bevölkerung, um das Ausbreiten der Epidemie einzudämmen.
ÖSTERREICH: Wann war klar, dass Corona schlimmer als SARS ist?
Wurzer: Zuvor wurden Ärzte ja angehalten, „keine Warnungen auszusprechen. Uns wurde das Ausmaß der Corona-Epidemie erst bewusst, als ganz Wuhan und einige Tage später die gesamte Provinz Hubei unter Quarantäne gestellt wurden. Dies kam für uns vollkommen überraschend, und wir waren daraufhin bis zum Zeitpunkt unserer Evakuierung (für ca. 2 Wochen) in unserer Wohnung eingeschlossen. Kurz darauf lasen wir in den sozialen Medien von Bekannten, dass sie sich nicht im Krankenhaus testen lassen können, da diese keine Patienten mehr aufnehmen aufgrund von Überfüllung und dem Nichtvorhandensein von medizinischem Material. Eine Quarantäne einer Stadt sowie gesamten Provinz ist einzigartig und kam unvorhergesehen, da bis zu diesem Zeitpunkt der Virus in den lokalen Medien verharmlost dargestellt wurde. Wir mussten uns seitdem täglich bei im Office der Gated-Community und Universität melden und Angaben zu unserem Gesundheitszustand machen.
ÖSTERREICH: Hat China das Problem im Griff?
Wurzer: Aufgrund der Quarantäne einer gesamten Provinz scheint sich der Virus hauptsächlich auf Hubei zu begrenzen. Es ist daher eine regionale Epidemie, welche sich auf China und im speziellen auf Hubei beschränkt. Die Regierung in Hubei hat diese Woche verkündet das die Geschäfte und Büros in Wuhan bis mindestens 10.3.2020 geschlossen bleiben sollen. Dies sowie die Quarantäne einer gesamten Provinz bedeuten große Einschnitte in die Wirtschaft, welche in China eine weitaus höhere Bedeutung trägt als hier in Österreich. Die außergewöhnlichen getroffenen Maßnahmen verdeutlichen die Entschlossenheit der chinesischen Regierung, das Problem in den Griff zu bekommen. In unserem Verwandten- und Freundeskreis fürchten jene, die nicht für internationale oder staatliche Betriebe arbeiten und ihren Job sowie deren Einkommen. Viele kleine Unternehmen können ihrer Tätigkeit (aufgrund der Quarantäne) seit Mitte Januar nicht mehr nachgehen, was sie in schwere finanzielle Notlage bringt.
ÖSTERREICH: Werden Sie zurück nach Wuhan gehen?
Wurzer: Wir werden vorerst hier in Österreich bleiben, bis sich die Situation in Wuhan wieder normalisiert hat. Da China und vor allem aufstrebende Städte, wie Wuhan, außerordentlich gute Möglichkeiten im Bereich der Forschung und Technologie bieten, werden wir sobald als möglich wieder dorthin zurückkehren.