Mehr als einen Drittel der Österreicher geht die "politische Korrektheit" in diesem Land zu weit.
Es ist fast überall ein Streit-Thema: Über das Gendern wird am Stammtisch, in Firmen und Familien zum Teil heftig diskutiert. Jetzt gibt es eine große Umfrage des Gallup-Instituts mit 2.000 Befragten (19. September bis 19. Oktober, online und persönlich, repräsentativ für österreichische Bevölkerung ab 16).
Streng dagegen in der Verwaltung
- 61 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Verwendung gendergerechter Sprache wie etwa den Genderstern oder -doppelpunkt in der öffentlichen Verwaltung.
- 39 Prozent geht die "politische Korrektheit" grundsätzlich zu weit,
- 23 Prozent empfinden sie als angemessen,
- 26 Prozent wünschen sich mehr.
Jüngere sind eher dafür
Deutliche Unterschiede zeigen sich in Abhängigkeit von Alter und politischer Orientierung. Während Über-30-Jährige zu 42 Prozent der Ansicht sind, dass die politische Korrektheit zu weit geht, beträgt dieser Anteil bei jungen Menschen bis 30 Jahre nur 29 Prozent. Die Anhänger und Anhängerinnen der Grünen und der SPÖ empfinden am ehesten einen Mangel und jene der FPÖ wenig überraschend ein Übermaß an Political Correctness.
Einem Viertel ist es egal
Für die Verwendung gendergerechter Sprache in der Verwaltung sprachen sich in der Umfrage nur 14 Prozent der Befragten aus. Einem Viertel der Bevölkerung ist es gleichgültig, ob in öffentlichen Dokumenten gegendert wird oder nicht.
"Mangelt an Diskussionskultur"
Für die Leiterin des Gallup-Instituts in Österreich, Andrea Fronaschütz, bringen die Ergebnisse der Umfrage aber auch Grund zur Sorge. Denn: 27 Prozent gaben an, in den letzten 12 Monaten in privaten Gesprächen zumindest einmal ihre Meinung zu gewissen politischen Themen aus Angst vor Verurteilung nicht genannt zu haben. "Wenn mehr als ein Viertel der Bevölkerung von Selbstzensur im Privaten berichtet und knapp 40 Prozent ein Übermaß an Political Correctness wahrnehmen, sollte ernsthaft über das gesellschaftliche Klima nachgedacht werden. Diese Zahlen zeigen auf, dass es an Diskussionskultur mangelt", sagte Fronaschütz.
59%: das sollte nicht so wichtig sein
Für die Mehrheit der Befragten sind Identitätsthemen in der Politik überrepräsentiert. So finden 59 Prozent, dass diese sich zu viel mit gendergerechter Sprache beschäftigt, 43 Prozent sehen zu großen Fokus auf die Rechte der LGBTIQ-Community und 39 Prozent das Thema "Diversität" überrepräsentiert. Die größte Unterstützung finden diese Bereiche dagegen innerhalb der Sympathisanten und Sympathisantinnen der Grünen.
Großen Nachholbedarf attestieren die Befragten der Politik in Sachen soziale Gerechtigkeit. So sind 67 Prozent der Bevölkerung der Auffassung, dass sich die Politik der sozialen Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu wenig widmet. 44 Prozent sehen zu wenig politisches Engagement für die persönliche Freiheit. Besonders hoch ist dieser Anteil bei FPÖ-Sympathisanten und Sympathisantinnen. Je niedriger die formale Bildung, umso deutlicher werden hier Defizite wahrgenommen.