Sie werden zwischen höheren Anforderungen, wenig Unterstützung und schlechter Ausbildung zerrieben.
Laut einer deutschen Studie leiden 29 Prozent der Lehrer unter dem Burnout-Syndrom. Eine Umfrage der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) unter Wiener Pädagogen legt eine ähnlich hohe Belastung in Österreich nahe. Demnach ist ein Drittel mehr oder weniger stark Burnout-gefährdet. Die Gründe dafür liegen laut Walter Herzog, Erziehungswissenschafter an der Uni Bern, im System Schule selbst: Politik und Gesellschaft würden Lehrern immer mehr Aufgaben aufbürden, gleichzeitig sollen diese jedes Kind individuell fördern. "Die Gefahr von Stress, Burnout und beruflicher Überlastung ist geradezu institutionalisiert", so sein Urteil bei einer vom Forum Alpbach organisierten Podiumsdiskussion am Dienstag in Wien.
Immer mehr Pflichten
Lehrer spielen laut Herzog immer eine
Vermittlerrolle zwischen den Interessen der Kinder und den Anforderungen der
Gesellschaft. Der Druck durch die Politik werde allerdings immer stärker,
wobei der Anlass nicht das Wohl der Kinder sei: Seit verstärkt durch
Studien wie PISA, Bildungsstandards oder externe Evaluationen die
Lernergebnisse gemessen werden, "steht die ganze Schule unter
Ineffizienzverdacht". Herzog spricht von einer "Renaissance eines
technokratischen Lehrerbilds" als wäre die Schule ein Industriebetrieb, in
dem sich - wenn man nur bestimmte Regeln beachtet - von selbst Erfolg
einstellt.
Zu diesem Zweck würden Lehrern immer mehr Pflichten auferlegt, von der Erstellung individueller Förderpläne und einer Ausbildungsperspektive über die Einbeziehung der Eltern bis zur Kooperation mit Kollegen - das alles bei permanenter Weiterbildung. Als Ausweg sieht Herzog ein Abgehen vom Bild des Lehrers als Allrounder. Bestimmte Aufgaben müssten verstärkt abgegeben werden, etwa an Schulpsychologen und -sozialarbeiter oder an anderes pädagogisches Personal. Und auch im Lehrerberuf selbst müsse es mehr Differenzierung geben, indem eigene Zuständige etwa für Begabungsförderung oder interkulturelle Pädagogik geschaffen werden.
Schlechte Ausbildung
Kristina Reiss, Leiterin der Fakultät für
Lehrerbildung an der Technischen Uni (TU) München, ortet neben den
gestiegenen Anforderungen auch eine in der Vergangenheit schlechte
Ausbildung als Grund für die Überforderung der Lehrer. Früher sei
Lehrerausbildung nur "das fünfte Rad am Wagen der Fachwissenschaften"
gewesen, die Lehramtsstudenten seien schlecht auf den Unterricht vorbereitet
worden. Bei der Lehrerausbildung habe zwar das eigentliche Fachwissen eine
hohe Bedeutung. Die angehenden Pädagogen müssten aber auch fähig sein, jenen
Stoff auszuwählen, der als Basis für die Schüler anwendbar und wichtig sei.
Neben dem fachlichen, didaktischen, pädagogischen und psychologischen
Wissen, das für den Unterricht nötig ist, werden den Lehramtsstudenten an
der TU München daher Routinen - etwa: Wie gehe ich mit Problemen im
Unterricht um?- und eine Art Berufsethos vermittelt.
Auch Bildungswissenschafterin Ilse Schrittesser (Uni Wien) betonte die Rolle einer professionellen Lehrerausbildung und wandte sich gegen die geläufige Bezeichnung des Lehrerberufs als "Berufung": "Nur ein guter Mensch zu sein reicht nicht aus, um ein guter Lehrer zu sein."