Regierungserklärung

Die Ansagen des Kanzlers

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Zum ersten Mal seit knapp zehn Jahren gab wieder ein SPÖ-Chef die Regierungserklärung ab. Diskutiert wurde den ganzen Tag.

Ein wenig Triumph schwingt mit: Der neue Regierungschef Alfred Gusenbauer (SPÖ) hat heute im Sitzungssaal des Nationalrats erstmals oben auf der Regierungsbank Platz genommen. Ex-VP-Kanzler Wolfgang Schüssel muss bei den Abgeordneten sitzen. Der neue Kanzler ist vorerst am Ziel.

Kritiker versucht er, in seiner Regierungserklärung - der ersten eines SP-Chefs seit zehn Jahren - zu besänftigen. Gusenbauer kündigte zur Entschärfung der Studiengebühr-Diskussion sogar an, selbst für wöchentliche Nachhilfe an einer Schule zur Verfügung stehen.

16-stündige Sitzung
Die Nationalratssitzung zum Regierungsprogramm dauerte - samt eingeschobener dreistündiger Dringlicher des BZÖ - mehr als 16 Stunden. Zur Regierungserklärung Alfred Gusenbauers (S) gab es, samt Ministern, 107 Wortmeldungen.

Antrag zum Programm
SPÖ und ÖVP haben das Regierungsprogramm der wiederbelebten großen Koalition in der Regierungserklärungs-Sitzung des Nationalrates am Dienstag in einer Entschließung begrüßt. Die Regierung wird darin um zeitgerechte Vorlage der Vorhaben ersucht. Die Opposition stimmte dem SP-VP-Antrag natürlich nicht zu. Die Grünen kritisierten ihn als "Unsitte", verlange man damit doch von allen Abgeordneten, noch ohne jede Verhandlung allen Details des rot-schwarzen Koalitionsübereinkommens zuzustimmen.

Für die Parlamentsdirektion bedeutete der Antrag noch viel Arbeit in den späten Abendstunden. Denn bei der Einbringung um 21.30 Uhr waren die dortigen Mitarbeiter noch "intensiv mit der Vervielfältigung" des Antrages für alle Abgeordneten beschäftigt, wie Nationalratspräsidentin Barbara Prammer berichtete. Beigefügt war ihm nämlich auch das rund 170 Seiten starke Regierungsprogramm.

Knackpunkt Studiengebühren
Gusenbauer hat am Dienstag in seiner ersten Regierungserklärung vor dem Nationalrat den Konflikt um die Studiengebühren und deren Erlass nur bei der Leistung sozialer Dienste zu entschärfen versucht. Der SPÖ-Chef äußerte Verständnis für jene, die sich weitergehende Schritte erhofft hätten. Er kündigte seine Bereitschaft an, selbst einmal pro Woche in einer Wiener Schule Nachhilfe zu geben.

Stabile Finanzen und Soziales
In der 61-minütigen Erklärung referierte Gusenbauer nochmals das Regierungsprogramm, legte ein Bekenntnis zur stabilen Staatsfinanzen ab und kündigte eine "große Steuerreform" an. Sozialpolitisch versprach der Neo-Kanzler mehr Gerechtigkeit und die Etablierung einer legalen Form der 24-Stunden-Betreuung. Die geplante Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge um 0,15 Prozent bezeichnete Gusenbauer als "maßvoll". Gewürdigt wurde, dass bei chronisch und mehrfach Kranken eine Rezeptgebühr-Obergrenze in Höhe von zwei Prozent des Einkommens festgelegt wird.

Frauenpolitik und Jobs
Frauenpolitik werde dieser Regierung "besonders" wichtig sein, versprach Gusenbauer. Die Beschäftigungsquote solle bei zum Ende der Legislaturperiode auf 65 Prozent steigen, die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze müsse steigen. Gewürdigt wurde einmal mehr die Flexibilisierung des Kindergelds.

Hervorgehoben wurde von Gusenbauer, dass es die jüngste Regierung aller Zeiten sei und jene mit dem höchsten Frauenanteil. Vorsichtig näherte sich der SPÖ-Chef dem Thema Gleichstellung homosexueller Verbindungen an.

Schulreform ohne Ideologie
Im Bildungsbereich würdigte der SPÖ-Chef die geplante "schrittweise" Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 und äußerte die Hoffnung, dass man sich im Schulbereich jenseits "irgendwelcher Ideologien" zum besten System für die Kinder verständigen könne: "Diese Utopie ist machbar, diese Utopie werden wir umsetzen."

An den Unis sollen nach Vorstellung Gusenbauers unter seiner Kanzlerschaft "merkbare Verbesserungen" bei den Studienbedingungen entstehen. Nochmals gewürdigt wurde vom Kanzler der Ausbau der Studienbeihilfe sowie des Kreditmodells.

Für den Bereich Jugend wurde vom Kanzler die Senkung des Wahlalters auf 16 hervorgehoben. In den Bundesmuseen soll für alle ein eintrittsfreier Tag pro Monat etabliert werden.

Thema Eurofighter umschifft
Das Thema Eurofighter umschiffte Gusenbauer in der Regierungserklärung. Das Bundesheer müsse entsprechend ausgestattet und gerüstet sein: "Dies gilt auch für die Luftraumüberwachung."

Kein konkretes Türkei-Statement
Außenpolitisch hob der Kanzler hervor, dass Österreich "auf Basis der immer währenden Neutralität" weiterhin ein solidarischer Partner sein werde, der sich intensiv an der Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen werde. Zum EU-Beitritt äußerte er sich nicht explizit, sprach nur von Möglichkeiten zur Partnerschaft.

Straffer Ausländer-Kurs
Einen straffen Kurs schlug Gusenbauer in der Ausländerpolitik ein: "Integration steht vor Neuzuzug" wurde vom Kanzler als Devise ausgegeben. Zuwanderung müsse auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Arbeitsmarkts abgestimmt sein.

Lösung für Ortstafel-Frage
In der Ortstafel-Frage machte Gusenbauer klar, dass man die verfassungsmäßigen Rechte der Volksgruppen sicherstellen wolle: "Es besteht kein Zweifel daran, dass es geboten ist, die Ortstafelerkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs umzusetzen." Dies solle in möglichst breitem Konsens mit den Volksgruppen erfolgen und verfassungsrechtlich abgesichert werden.

Große Koalition verteidigt
Die Zusammenarbeit seiner SPÖ mit der ÖVP verteidigte Gusenbauer: "Große Koalitionen sind nicht an sich gut oder schlecht." Es gehe darum, was die beiden Partner leisten, wie sie miteinander umgingen und wie offen die große Koalition auch für Initiativen der Opposition oder von außerhalb des Parlaments sei.

Einmal noch ging der SPÖ-Vorsitzende indirekt auf öffentliche Vorwürfe ein, wonach sich seine Partei bei den Verhandlungen mit der ÖVP über den Tisch habe ziehen lassen. Man hab ein "sehr ambitioniertes" Programm entwickelt, "das die Handschrift beider Partner trägt." Das Wahlergebnis sei der Auftrag zur Kooperation gewesen, wenn man eine stabile Bundesregierung in Österreich haben wollen.

Kritik kam von der Opposition
Grünen-Chef Van der Bellen bezeichnete die Regierungserklärung als "Programm der enttäuschten Hoffnungen". FPÖ und BZÖ orteten eine inhaltliche Fortsetzung von Schwarz-Orange. SPÖ-Klubobmann Cap verteidigte das Programm, es trage "deutliche sozialdemokratische Handschrift".

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