Spionage-Skandal

Übergab Ott sogar Handys mit "Staatsgeheimnissen"?

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Auf den Diensthandys von drei Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP), die der unter Spionage-Verdacht geratene Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott dem russischen Geheimdienst übergeben haben soll, befanden sich "heikle Daten und Informationen".  

Das gab einer der Betroffenen an, wie aus einem Protokoll der "AG Fama" hervorgeht, das der APA vorliegt. Die Daten könnten "möglicherweise auch Staatsgeheimnisse beinhalten", sagte der Betroffene.

Alle drei früheren Mitarbeiter Sobotkas erklärten, auf ihren Handys hätten sich jedenfalls Amtsgeheimnisse befunden. "Speziell klassifizierte Dokumente" seien allerdings auszuschließen. Die Geräte waren bei einem Bootsausflug des Innenministeriums am 10. Juli 2017 ins Wasser gefallen, als ein Kanu kenterte. In weiterer Folge wurden sie zur Datenrettung ins Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gebracht, wobei ein Forensiker zuerst eine Trocknung mit Reiskörnern vornahm. Offenbar wurde dann sogar versucht, einen Spezialisten aus Israel beizuziehen, um die Daten der durchnässten Handys auslesen zu können, was an dessen finanziellen Forderungen scheiterten.

Ott und der Forensiker - gegen diesen ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien wegen Veruntreuung - sollen in weiterer Folge den damaligen Sobotka-Mitarbeitern vorgemacht haben, ihre Handys wären unbrauchbar, die Daten unrettbar verloren und sie würden die Geräte daher der Vernichtung zuführen. Während bei zwei Handys vermutlich kein Zugriff auf die abgespeicherten Daten mehr möglich war, dürfte das beim dritten Gerät aber zumindest in Teilen gelungen sein. Dafür spricht ein USB-Stick, der im Februar 2021 bei einem Ex-Polizisten und Unternehmer im Zug einer Hausdurchsuchung sichergestellt werden konnte. Der Ex-Polizist behauptet, Ott habe ihm den USB-Stick im September 2019 in der Therme Oberlaa übergeben. Auf dem USB-Stick fand sich ein vollständiger Extraktionsbericht über die forensische Datensicherung eines Mobiltelefons, das auf Grund der gesicherten Kontakte und Chats einem der drei betroffenen früheren Sobotka-Mitarbeiter zuordenbar war.

Handy "lagen in Kuvert"

Ott bestreitet, mit der Beschaffung der Handys etwas zu tun gehabt und diese weitergegeben zu haben. Die Handys seien ihm "in einem Kuvert in den Briefkasten in meiner Wiener Wohnung gelegt" worden, gab er nach seiner Festnahme am 30. März in seiner Beschuldigteneinvernahme zu Protokoll: "Von wem ist mir nicht bekannt. Zum Vorhalt, dass diese drei Telefone über mich (...) nach Russland verbracht wurden, bestreite ich. Diese drei Telefone habe ich irgendwann zuhause in Kärnten physisch vernichtet, sprich mit dem Fäustel zerschlagen. Danach habe ich sie in der Mülltonne entsorgt."

Indes berichtet das Nachrichtenmagazin "Profil" in seiner aktuellen Ausgabe, dass Otts ehemaliger Vorgesetzter beim BVT, der frühere Spionageabwehr-Chef Martin Weiss, im April 2022 zu einer Aussage bei der Staatsanwaltschaft in München war, und zwar offenbar ohne Wissen der österreichischen Behörden und unter Zusage auf freies Geleit. Weiss soll sich in Dubai aufhalten, wo er vor österreichischem Zugriff sicher ist.

Entlastungshandlung 

Was in München offiziell unter dem Titel Beschuldigteneinvernahme lief, betrachtet die "AG Fama" in ihrem Bericht nun als "eine mit Jan Marsalek akkordierte 'Entlastungshandlung'", schreibt das "Profil". Die Vernehmung durch die Münchner Staatsanwaltschaft sei "ohne Information oder Abstimmung mit österreichischen Justiz- oder Polizeidienststellen" erfolgt, so die heimischen Ermittler. Außerdem dürfte es "Zusagen gegenüber dem Beschuldigten" gegeben haben. Gemeint ist offenbar, dass die Münchner dem früheren Leiter der Spionage-Abteilung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), zugesagt hätten, dass er wieder gehen darf.

Es sei nicht das erste Mal, dass die deutsche Justiz Ermittlungshandlungen Österreichs rund um die Spionageaspekte in der Wirecard-Causa abgeblockt habe, so das Nachrichtenmagazin. Schon in der Vergangenheit habe sich Österreichs Justiz immer wieder an München gewandt, um eine Kooperation voranzutreiben. Die Deutschen hätten sich mäßig interessiert gezeigt, was ein "absolutes Novum" darstelle, so "Profil" unter Berufung auf Ermittlerkreise. Im Nachrichtenmagazin wird gemutmaßt, dass es einen Zusammenhang mit dem Faktum geben könne, dass Marsaleks Wirecard Zahlungen des deutschen Bundesnachrichtendienstes abgewickelt habe.

Kurz nachdem Weiss bei der Staatsanwaltschaft München war, sei dort zudem der Verdacht der Fluchthilfe fallengelassen worden, heißt es weiter -wieder, ohne vorher mit Österreich zu sprechen. Dabei hätte es laut "Profil" bereits einen fixfertig vorbereiteten Strafantrag gegen Weiss wegen "Begünstigung" (Anm.: Fluchthilfe) in der Schublade der heimischen Ermittler gegeben. Das Problem: Wenn in einem europäischen Land Ermittlungen wegen eines bestimmten Straftatbestands eingestellt wurden, dürfen sie nicht in derselben Sache in einem anderen fortgesetzt werden.

Während Weiss sich zuletzt in Dubai aufgehalten haben dürfte, wo er vor dem Zugriff österreichischer Behörden insofern sicher ist, als es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten kein Auslieferungsübereinkommen gibt, sitzt der ehemalige BVT-Chefinspektor Egisto Ott seit fast zwei Wochen unter Spionage-Verdacht in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft. An sich würde am kommenden Montag ein regulärer Haftprüfungstermin anstehen, Otts Rechtsvertreter habe aber darauf verzichtet, hieß es am Wochenende auf APA-Anfrage aus dem Wiener Landesgericht.

Zadić für Russland-U-Ausschuss 

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) spricht sich indes für einen parlamentarischen Russland-Untersuchungsausschuss aus, um neben einer rechtlichen auch für eine politische Aufklärung zu sorgen, wie sie am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal" sagte. Zu Verbindungen von Peter Pilz (in dessen Liste Zadić ihre politische Karriere begonnen hatte) zu Ott befragt, meinte sie, sie selbst sei nie in Kontakt zu dem Spionageverdächtigten oder seinen "Kumpanen" gewesen. "Zu wem Pilz Kontakt gehabt hat, müssen Sie ihn selber fragen."

Eingeschränkt offen zeigte sich Zadić für die von der ÖVP wiederholt geforderte Überwachung von Messengerdiensten wie Whatsapp oder Signal zur Gefahrenabwehr. Aus ihrer Sicht könne man darüber reden. Die vom Verfassungsgerichtshof eingezogene rote Linie eines "Bundestrojaners" dürfe dabei allerdings nicht überschritten werden. Ein Aufspielen von Schadsoftware und das Offenlassen von Sicherheitslücken auf Geräten kann es aus ihrer Sicht also nicht geben. Die technische Lösung dafür müsse vom Innenministerium kommen.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) begrüßte dies in einer schriftlichen Stellungnahme. Experten aus beiden Ressorts würden in enger Zusammenarbeit eine legistische Lösung vorlegen, kündigte er an. "Es geht darum, dem Verfassungsschutz und der Kriminalpolizei die notwendigen Befugnisse zu geben, um Spionage, Terrorismus und organisierte Kriminalität wirkungsvoll bekämpfen zu können. Während diese Bundesregierung mit Hochdruck für die Sicherheit der Menschen in unserem Land arbeitet, hat die FPÖ kein Interesse an einem schlagkräftigen Verfassungsschutz und einer modernen Kriminalpolizei in Österreich", so der Innenminister.

Bei der Frage des Generalstaatsanwalts als künftige justizielle Weisungsspitze beharrte Zadić auf die von Experten geforderten Dreiersenate. Auch dies sei eine "rote Line", richtete sie der ÖVP aus. Sie werde "keine Kompromisse schließen zum Nachteil unseres Rechtsstaats und der Justiz", nur um eine positive Schlagzeile zu bekommen.

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