Österreichs Asyl-Kurs

Austro-Minister geben in der EU den Ton an

Teilen

Das kleine Österreich gibt derzeit das Tempo in der Asylpolitik an. Tenor: Grenzen dicht.

Sebastian Kurz, Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Hans Peter Doskozil (SPÖ) – in der EU sind die drei Austro-Minister derzeit die gefragteste Adresse, wenn es um Härte gegen Flüchtlinge sowie Kampf gegen den Terror geht. Nicht immer zur Freude der anderen EU-Regierungen. So attackierte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn seinen Kollegen Kurz scharf.

Innenminister Wolfgang Sobotka startete in oe24.TV: Im Lichte des Behörden-Versagens um den Berlin-Attentäter Amri, denkt Sobota laut über eine Fußfessel-Überwachung von IS-Rückkehrern und eine Vernetzung der privaten und behördlichen Videoüberwachung nach.

Außerdem will Sobotka, dass Flüchtlinge künftig nicht mehr in die EU einreisen dürfen – sie sollen in Lagern warten, solange ihre Asylanträge geprüft werden. Wie Deutschland will auch Österreich die Grenzkontrollen verlängern, „solange die EU nicht in der Lage ist, Außengrenzen zu schützen“.

Heeresminister Hans Peter Doskozil legte in Bild ein Konzept für Asylzentren außerhalb Europas vor. Jedes Land soll zudem seine Kapazitätsgrenzen selbst festlegen – das ergäbe eine gesamteuropäische Obergrenze .

Außenminister Sebastian Kurz führt einen politischen Mehrfronten-Kampf: Auf EU-Ebene fordert er, dass Asylwerber, die schon in der EU sind, wieder in Asylzentren außerhalb Europas zurückgebracht werden sollen. In Österreich legte sich Kurz mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft an und fordert ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. (gü)

Doskozil: Rückführung in sichere Schutzzonen

Flüchtlinge sollen nach Möglichkeit nicht mehr europäischen Boden betreten. SP-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil legt jetzt ein Papier vor, das die gesamte europäische Asylpolitik auf den Kopf stellen soll. Entsprechend ablehnend reagierte am Freitag die EU-Kommission. Das Konzept, das ÖSTERREICH vorliegt, ist mit den VP-Ministern Wolfgang Sobotka und Sebastian Kurz abgestimmt – und soll der zentraleuropäischen Ver­teidigungskooperation im Februar vorgelegt und diskutiert werden:

• Asylzentren: „Wir müssen die illegalen Einreisen unterbinden“, sagt Doskozil. Konkret sollen Asyl- und Migrationszentren „in Drittstaaten wie Niger, Jordanien oder Usbekistan eingerichtet werden. Dorthin sollten dann auch im Mittelmeer aus Seenot gerettete Flüchtlinge gebracht werden“.

• Obergrenzen: Nach Prüfung jedes Antrages soll „eine begrenzte Anzahl von Personen“ legal in die EU einreisen. Dabei sei „unbedingt auf die Kapazitätsgrenze eines Landes zu achten“. Für jedes Land soll eine Obergrenze festgelegt werden – womit sich dann auch eine für die gesamte EU ergäbe.

• Rückführungen: Diese will Doskozil deutlich ausweiten: Einerseits sollen Staaten mit finanziellen Anreiten dazu gebracht werden, abgelehnte Asylwerber zurückzunehmen. Aber eben nicht nur das: „Ist das Herkunftsland nicht gewillt, seine eigenen Staatsbürger zurückzunehmen, erfolgt in diesem Fall eine Rückführung in die sichere Schutzzone“, heißt es wörtlich.

Keine Alleingänge

Die EU-Kommission konterte, man dürfe Asylwerber laut Genfer Konvention nicht zurückweisen, es gebe ein „Push-Back-Verbot. Doskozils Konter: „Es haben offenbar in Brüssel viele noch nicht begriffen, dass das europäische Asylsystem auf völlig neue Beine gestellt werden muss. Eine effektive und vor allem funktionierende europäische Lösung muss unser aller Ziel sein, denn nur dann werden nationale Alleingänge der Vergangenheit angehören.“

Kurz: Über Kopftuchverbot diskutieren

Außenminister Sebastian Kurz ist auch international ein gesuchter Experte in Sachen Asyl. Sein Vorschlag, die Flüchtlinge schon aufzufangen, bevor sie nach Europa kommen, wird auch in Deutschland heftig diskutiert.

Jetzt lässt er mit neuen Regeln für Muslime in Österreich aufhorchen. Der Chef seines Integrations-Expertenrats, Heinz Faßmann, hat ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst vorgeschlagen und bekommt Rückendeckung von seinem Minister. Im ÖSTERREICH-Interview präzisiert Kurz seine Vorstellungen.

ÖSTERREICH: Sie und Verteidigungsminister Doskozil wollen Flüchtlinge auffangen, bevor sie nach Europa kommen. Was ist der Unterschied Ihrer Konzepte?

Sebastian Kurz: Die Minister SobotkaDosskozil und ich ziehen in dieser Frage an einem Strang. Das Ziel ist ganz klar, dass man den Zustrom illegaler Immigranten stoppt bzw. bestmöglich reduziert und dass man die Hilfe vor Ort ausbaut. Die Idee ist, dass man nicht in Europa, sondern bereits außerhalb entscheidet, wer legal zu uns kommen darf. Und diese Entscheidung nicht den Schleppern überlässt.

ÖSTERREICH: Wann ist so eine Lösung realistisch?

Kurz: Ich bin hundertprozentig sicher, dass sich dieses System am Ende des Tages durchsetzen wird, kann aber nicht einschätzen, wie lange es dauern wird, die Skep­tiker und Kritiker zu überzeugen. Aber unser Modell wird sicher kommen, weil wir damit vor Ort mehr Menschen helfen können, den Schleppern die Geschäftsgrund­lage entziehen und dem Sterben im Mittelmeer ein Ende setzen.

ÖSTERREICH: Sie sind für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst?

Kurz: Ich bin dafür, diesen Vorschlag des Chefs unseres Expertenrats zu diskutieren. Wir müssen regeln, was in Österreich erlaubt ist und was nicht. Soll es erlaubt sein, ein Kopftuch im öffentlichen Dienst zu tragen, eine Burka im öffentlichen Raum – ja oder nein? Dann kann man noch einmal unterscheiden zwischen Personen, die zum Beispiel großen Einfluss auf Kinder haben, wie Volksschullehrerinnen. Das ist ­eine Debatte, die geführt ­werden und mit unserem ­Koalitionspartner verhandelt werden muss. (Das ganze Interview lesen Sie am Sonntag in der Tageszeitung ÖSTERREICH und auf oe24.at)

Sobotka: "Alle Flüchtlinge außerhalb Europas registrieren"

Der Innenminister stellte sich den Fragen von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner auf oe24.TV.

Oe24.TV: Als der Berlin-Anschlag passierte, haben Sie gesehen, dass es brenzlig werden könnte?

Wolfgang Sobotka: Selbstverständlich. Oft sind es ja auch schlafende Terroristen, die sich selbst radikalisieren. Das ist unabwägbar, einen 100-%-Schutz gibt es auch für diese Situation nicht.

Oe24.TV: Der Fall Amri ist doch ein Debakel der Asyl­politik. Er fackelt ein Flüchtlingslager ab, spaziert nach vier Jahren Gefängnis bei der Tür hinaus. Da muss Ihnen doch das Geimpfte aufgehen.

Sobotka: Einmal mehr heißt das: strikter Außengrenzschutz der EU, keine kriminellen Routen nach Europa. Nicht über Schlepper nach Europa, sondern über legale Einwanderung. Einmal mehr heißt das: Registrieren der Asylwerber außerhalb der EU. Wir fordern das seit Monaten.

Oe24.TV: Wir brauchen also ein völlig neues Asylrecht?

Sobotka: Ja, wir brauchen eine neue rechtliche Basis, um Wirtschaftsflüchtlinge von Asylflüchtlingen viel schneller zu trennen.

Oe24.TV: Wie viele sogenannte Gefährder gibt es bei uns?

Sobotka: Wir haben Rückkehrer aus den IS-Kampfgebieten. Etwa 85 wurden zur Anzeige gebracht, aber nicht alle wurden verurteilt.

Oe24.TV: Gibt es da auch eine Dunkelquote?

Sobotka: Die Dunkelquote ist etwa 109, bei denen gehen wir davon aus, dass sie noch in den Kampfgebieten sind. Und wir haben 51 an der Ausreise gehindert, 44 sind gestorben.

Oe24.TV: Sollte man diese 85 Rückkehrer nicht mit Fußfesseln überwachen?

Sobotka: Die Fußfessel ist Instrument des Strafvollzugs – nach einer Verurteilung. Also muss ich über ein neues Gesetz nachdenken.

Oe24.TV: Sie wären dafür, dass IS-Rückkehrer eine Fußfessel bekommen?

Sobotka: Absolut.

oe24.TV: Sie würden auch gerne mehr Asylwerber abschieben. Wie viele waren es denn im vergangenen Jahr?

Sobotka: Wir haben 2016 10.689 außer Landes gebracht. Das sind mehr als je zuvor, da sind wir in Europa auch der Spitzenreiter. Weitere 5.600 Leute haben wir unmittelbar an den Grenzen zurückgewiesen, insgesamt also knapp 16.300.

oe24.TV: Die Mindestsicherung für Flüchtlinge soll auf 560 Euro abgesenkt werden?

Sobotka: Für fünf Jahre. 80 % der Bevölkerung meinen, es muss zwischen Arbeiten und Nichtarbeiten ein Unterschied sein. Eine tschetschenische Familie in Graz hat es mir ja selbst klar gesagt: Sie kommen nach Österreich, weil es hier die besten Sozialhilfen gibt.

oe24.TV: Zurück zum Thema Sicherheit: Sie planen auch den Ausbau der Video­überwachung:

Sobotka: Wir brauchen die Autonummern-Erkennung via Asfinag-Kameras. Und die Zusammenschaltung privater Überwachungskameras. Wenn in London ein Überfall geschieht, können die den davonlaufenden Täter regelrecht verfolgen.

Video zum Thema: Minister Sobotka im Gespräch mit Wolfgang Fellner
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.