Bierlein über Herausforderungen im Job, ihre guten Gene und ihre Zukunftspläne.
Persönliche Einblicke gab Brigitte Bierlein (70) im ersten Interview auf oe24.TV mit Wolfgang Fellner. Die Kanzlerin spricht offen über den EU-Gipfel als ihre größte Herausforderung. Sie lobt die Zusammenarbeit mit den Ministern und erklärt auch ihre Zukunft nach der Kanzlerschaft.
oe24.TV: Sie haben als Kanzlerin 16- bis 18-Stunden-Tage, meistens sieben Tage die Woche, am Wochenende Eröffnungen, Veranstaltungen, …Aber man sieht Ihnen gar nichts an, Sie blühen auf.
Brigitte Bierlein: Vielen Dank. Ich bin gewohnt, viel zu arbeiten, es macht mir auch Freude, es ist eine spannende Herausforderung. Und ich habe das Glück, gute Gene geerbt zu haben. Ich erfülle das, wie wir alle in der Regierung, mit großer Demut und mit großem Verantwortungsbewusstsein.
oe24.TV: Wie erleben Sie den Job? Ist es herausfordernder, als Sie gedacht hätten?
Bierlein: Es ist natürlich herausfordernder, ich habe das Glück, ein hervorragendes Kabinett zu haben. Ich habe das Glück, mit Ministerinnen und Ministern zusammenarbeiten zu dürfen, einem Vizekanzler, mit dem ich mich sehr, sehr gut verstehe. Wir haben untereinander ein hervorragendes Klima, wir unterstützen einander, das Haus ist ja hervorragend geführt, auch das Kanzleramt.
oe24.TV: Was ist denn das Schwierigste in dem Job, wenn man so als Neuer komplett hineinkommt, der noch nie in der Politik war?
Bierlein: Eine Herausforderung war sicher der Gipfel in Brüssel. 19 Stunden im Durchmarsch, das war sehr spannend. Ich bin sehr froh, dass das Personalpaket mit der Präsidentin Von der Leyen dann beschlossen werden konnte. Ich bin auch sehr froh, dass wir den Kommissar Hahn einstimmig im Hauptausschuss des Parlaments beschließen konnten. Es sind einige Dinge gut auf dem Weg gebracht worden, von denen ich nicht gerechtet habe, dass das so rasch und glattgeht.
oe24.TV: Sie haben neue Signale gesetzt, zum Beispiel den Dialog im Kanzleramt. Sie laden Interessengruppen ein, Prominente, Künstler, Wirtschaftsbosse … Ist das ein Markenzeichen Bierlein?
Bierlein: Ja, das ist mir sehr wichtig. Ich pflege wirklich mit allen Berufsgruppen den Dialog, mit den Parteispitzen, mit NGOs, und wir haben auch die Klimaschützer von „Fridays for Future“ eingeladen.
oe24.TV: Eine kleine Sensation: Die „Fridays for Future“-Schüler waren im Kanzleramt?
Bierlein: Ja, ich habe sie eingeladen, weil ich sie durch Zufall in Salzburg bei den Salzburger Festspielen auf der Straße getroffen habe und wir ein Gespräch hatten. Bei dieser Gelegenheit habe ich sie eingeladen. Die Jugendlichen, 25 an der Zahl, waren vor Kurzem hier.
oe24.TV: Sie haben jetzt bald Halbzeit oder ein Drittel. Macht Ihnen der Job so viel Spaß, dass Sie ihn vier Jahre weitermachen würden?
Bierlein: Ich übe die Funktion mit großer Demut und, ich hoffe, mit großem Verantwortungsbewusstsein aus. Es ist eine hochspannende Zeit, es sind Einblicke, die ich davor nie hatte. Aber ich bin in einer Alterskategorie, wo ich in der Zukunft nicht unbedingt eine Funktion ausüben möchte.
oe24.TV: Sie sind ja das neue 50 in meinen Augen.
Bierlein: Sie sind sehr charmant. Ich bin seit 1972 im Berufsleben, rechnen Sie sich das durch.
oe24.TV: Viele sagen, Sie wären die ideale Justizministerin der nächsten Regierung.
Bierlein: Mit der Justiz leide ich mit, weil ich da sehr lange gearbeitet habe. Die Personalnot ist extrem. Da muss die nächste Regierung Geld in die Hand nehmen. Aber ich strebe kein Amt mehr an.