Wahl-Insider

Warum die ÖVP sich vor der FPÖ fürchtet

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In der ÖVP liebäugeln einige mit VP-FP. Hofer will das auch. Warum es trotzdem schwer wäre.

„Eine neuerliche Koalition, die platzt, kann sich Sebastian Kurz nicht leisten“ – zumindest über diese Analyse sind sich auch in der ÖVP alle einig. Ansonsten gehen die Vorstellungen innerhalb der türkisen Welt aber weit auseinander. Im VP-Klub, in der Industrie und bei einigen aus dem Umfeld des VP-Chefs würde man eine Wiedervermählung von Türkis und Blau einiges abgewinnen. Immerhin sind sich die zwei Parteien in Sachen Zuwanderungs- und Wirtschaftspolitik – zumindest mit FPÖ-Chef Norbert Hofer – weitgehend einig.

 

In den Bundesländern, aber vor allem auch im Kreis aller noch lebenden Ex-VP-Chefs, also inklusive Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, warnt man Kurz vor dem Comeback der Politehe mit Blau. Denn das Risiko, dass diese erneut scheitern würde, ist extrem hoch.

In der FPÖ gibt es ebenfalls zwei Lager: Während Hofer und einige ehemalige Regierungsmitglieder unbedingt wieder in eine Regierung wollen, verlangen Ex-FPÖ-Innenminister Herbert Kickl und die blaue Basis dafür einen hohen Preis:

Kickl hat mittlerweile im oe24.TV-Interview offiziell bestätigt, dass das Innen­ministerium eine „Koalitionsbedingung“ für die FPÖ wäre. Das wiederum könnte sich Kurz, der Kickl als Person, aber auch andere FPÖler im Innenministerium offiziell ausgeschlossen hatte, nicht leisten.

Streit um Innenressort als unlösbares Problem

Poker. Der Streit um das ­Innenressort könnte zum unlösbaren Problem für Türkis-Blau werden.

Denn, auch wenn Hofer kompromissbereit wäre, so hat doch Kickl das Sagen in der FPÖ. Funktionäre und Basis – jenseits der FPÖ ­Oberösterreich – folgen ihm blind. Sie würden eine Abkehr von Kickl als „Verrat“ ansehen.

Aber selbst, falls Hofer die Seinen – und vor allem Kickl – doch dazu bringen würde, auf das Innenministerium zu verzichten, wäre VP-FP immer noch äußerst schwierig.

Schüssel warnt Kurz vor Kickl als Jörg Haider

Der lange Schatten. Vor allem Ex-Kanzler Schüssel und einstige VP-Minister aus der ersten schwarz-blauen Koalition (2000 bis 2002) können dem VP-Kanzlerkandidaten berichten, was ihm blühen würde, wenn Kickl „nur“ Klubobmann würde. Wie einst Haider, der als Kärntner Landeshauptmann damals einige Monate in den Ministerrat kooptiert wurde, würde Kickl als Klubchef automatisch in den entscheidenden Sitzungen dieser neuerlichen Regierung sitzen. „Es war von Anfang an mühsam mit Kickl“, berichtete Kurz bereits im kleinen Kreis von den letzten Jahren.

Das wäre freilich ein Spaziergang sans souci im Vergleich zu dem, was Kurz und die Seinen bei einer Neuauflage mit einem wütenden Kickl erwarten würde.

Wie einst Haider – Susanne Riess als Vizekanzlerin und ihr Ministerteam waren tatsächlich meist kompromissbereit in der Koalition mit Schüssel – würde der einstige blaue Generalsekretär die Oppositionspolitik von innen her betreiben. Was immer Hofer als potenzieller Vizekanzler ausmachen würde, könnte Kickl mit Hilfe der blauen Basis hintertreiben. Wie es weiland Jörg Haider gemacht hatte. Bis es zum blauen Aufstand in Knittelfeld gegen VP-FP kam.

Zudem würde der 50-jäh­rige Kärntner Kickl auch inhaltlich hohe Forderungen stellen: Abschaffung der ­Mitgliedsbeiträge für Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer, eine noch restriktivere Zuwanderungs­politik und keine Einsparungen im Sozialbereich. Er würde danach trachten, Kurz konsequent öffentlich vorzuführen. So lange, bis die ÖVP de facto erneut die Reißleine ziehen müsste. Ob Kurz wohl dieses Risiko eingeht?

 

Isabelle Daniel

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