Eine Chat-Gruppe der FPÖ plante Abschaffung der GIS-Gebühren.
Der 166 Seiten lange Datenauswertungsbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) brachte diese Woche gleich zwei Chefredakteure zu Fall: ORF-Chefredakteur Matthias Schrom und „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak nahmen nach ihren Chat-Enthüllungen den Hut - beide traten zurück. Der WKStA-Bericht - der oe24 vorliegt - enthüllt neben den Nachrichten von Nowak und Schrom aber auch weitere brisante Chats über den ORF.
Blaue Chat-Gruppe plante GIS-Abschaffung
So wird in dem Akt penibel aufgelistet, wie die FPÖ in den Jahren 2018 und 2019 (unter der türkis-blauen Koalition) die ORF-Gebühr abschaffen wollte und welche Deals mit der ÖVP dafür im Hintergrund ausgehandelt wurden. Am 13. April 2018 gründete der damalige FPÖ-Generalsekretär und Mediensprecher Harald Vilimsky eine eigene Chatgruppe auf WhatsApp mit dem Titel „ORF-Gruppe“, in der die ORF-Deals der blauen Führungsspitze paktiert wurden. Mitglieder der Gruppe waren neben Vilimsky Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Ex-Minister und Regierungskoorindator Norbert Hofer, Ex-Klubobmann Johann Gudenus, die Abgeordneten Markus Tschank und Hans-Jörg Jenewein, ein Kabinettsmitarbeiter von HC Strache (Philipp Trattner) sowie die blauen Stiftungsräte Franz Maurer, Markus Braun, Barbara Nepp und Stiftungsratschef Norbert Steger.
Das Ziel war klar: „Sämtliche relevante Aktionen, Vorhaben, Hintergrundaktivitäten und Terminfahrpläne sind bitte über diese Gruppe oder mich persönlich bekannt zu machen resp. Abzuklären, damit wir auch alle an einem Seil ziehen können und nach außen den Eindruck einer geschlossenen Meinungslage machen können“, schreibt Vilimsky zum Start der Gruppe.
„Weißmann, ein korrekter Schwarzer“
Schon im November 2018 schreibt Stiftungsratschef Steger in die Gruppe: „Die VP macht derzeit einen Vorstoß für Weißmann, ein korrekter Schwarzer“. Norbert Hofer antwortet darauf: „Ich persönlich bin gegen Rot (GD) - Schwarz als Führung, aber Weißmann ist schon ok“. Weißmann wurde schließlich von Türkis-Grün zum ORF-Generaldirektor gewählt.
„Dazu muss wer rausgeschmissen werden!“
Am 7. Juni 2019 fordert Strache dann ein rasches Aus der ORF-Gebühr: „alle werden um 320 Euro entlastet! Extrem wichtig! Ein FP-Wahlversprechen.“ Vilimsky darauf: „Spitze. Nur bitte rechtzeitig deponieren in den Verhandlungen, dass dieses Volumen für Abschaffung der GIS-Gebühren reserviert ist.“
Steger fordert neben der GIS-Abschaffung aber auch blaue Postenbesetzungen im ORF: „Ohne Personelles wird trotzdem kein einziger FP-Beitrag objektiver oder freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!“
Straches Antwort darauf: „Deswegen braucht es ein ORF-Gesetz, wo totale Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden!“
Steger: „Blümel blockiert! Vorsicht! Ein weiteres Jahr Rotfunk!“ Und dann: „Blümel will über die Wien Wahl ohne große Änderungen wegen ,Orbanisierung’! Er arrangiert sich mit Roten, wie in der Kultur.“
Strache: „Liebe Freunde! Ich erwarte rasch ein neues ORF-Gesetz. Spätestens bis Juni! Es braucht hier endlich eine Reform!!!! Da kann und darf nicht länger zugewartet werden. Die Bürger verlieren ihre Geduld!“
Am 16. Jänner gibt Strache dann den Fahrplan vor: „Bezüglich ORF-Reform bestehen wir auf Umsetzung unserer Vereinbarung (Gesetz, GIS) bis Juni (Begutachtung), Beschluss im September! Lg“
FPÖ wollte Steuerreform gegen Aus der ORF-Gebühr tauschen
Ende Jänner erklärt Strache den blauen ORF-Verhandlern dann, dass die FPÖ der geplanten Steuerreform nur zustimmen werde, wenn die ORF-Gebühr im Gegenzug abgeschafft wird - hierzu solle es einen Sideletter geben. Strache: „Hier muss schriftlich - Sideletter - die Abschaffung der GIS-Gebühr bis Ende 2021 per Parlaments-Beschluss verankert werden (mit Jänner 2022 in Kraft treten, sonst können wir den Steuerentlastungsschritten SV-Beiträgen kürzen, etc… nicht zustimmen. Klare Linie!.“ Strache weiter: Wenn keine schriftliche Zusage zur Abschaffung der GIS-Gebühr bis Ende 2021, dann kann es keine Zusage zur Steuerreform und Budget im April geben!“ Auch am 10. Februar 2019 schreibt Strache: „Abschaffung der GIS-Gebühr muss kommen, sonst kann es keine Zustimmung von uns zu Steuersenkungspaket kommen …. 320 Euro netto pro Jahr Ersparnis!!!“ Und Strache fordert einmal mehr einen Sideletter ein: „Sideletter gilt ja ohnehin. Jetzt hinterlegen wir Zeitplan eigenen Sideletter. ORF-Gesetz - personelle Weichenstellungen - Abschaffung der GIS-Gebühr!“
Am selben Tag (10. Februar 2019) meldet sich Strache dann beim damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Medienminister Gernot Blümel per WhatsApp: „Lieber Sebastian, lieber Gernot! Ich muss bei ORF-Reform auf unser Übereinkommen bezüglich Abschaffung der GIS-Gebühren bestehen! Das muss bis März 2019 fixiert werden und auch budgetär fixiert werden! Lg HC“ Strache schießt dann noch eine Nachricht nach: „Abschaffung der GIS-Gebühr und die Zwangsveröffentlichungen in der Wiener Zeitung! Beides muss abgeschafft werden und so wurde es auch vereinbart! Bis März braucht es hier ein Gesamtpaket! Lg“
Am 5. März schreibt der blaue Stiftungsrats-Chef Norbert Steger in die Gruppe: „Bitte, bitte bei Verhandlungen nicht vergessen: Betriebsräte müssen das Stimmrecht bei Personalentscheidungen im Stiftungsrat verlieren. Wrabetz wäre ohne deren Stimmen nicht GD!“
GIS-Aus war kurz vor Einigung, dann kam Ibiza
Ende April 2019 scheint man sich mit der ÖVP dann bezüglich der Abschaffung der GIS fast einig zu sein: „Kurz will noch etwas zusätzlich für die Industrie als Steuerentlastung … da stimmen wir nur zu, wenn uns die GIS-Abschaffung Ende 2021 schriftlich (Sideletter) zugesichert wird, was da auf einmal für Gelder möglich sind…“, schreibt Strache am 26. April 2019 in die FPÖ-ORF-Chat-Gruppe.
Ein Monat danach wird das Ibiza-Video veröffentlicht: HC Strache und die türkis-blaue Koalition sind Geschichte - und die Abschaffung der GIS-Gebühr ist damit vom Tisch …