Kanzler kündigt mehr nationale Grenzkontrollen an.
Der Kanzler im Interview mit ÖSTERREICH über die Zusammenarbeit mit der Türkei, die Flüchtlingsobergrenze und die Abschiebungen.
ÖSTERREICH: Wird die Türkei nun die EU beim Grenzschutz unterstützen oder nicht?
Werner Faymann: Wir hatten am Donnerstag ein wichtiges Treffen mit dem Premier der Türkei. Ich habe Davutoğlu meinen Plan A vorgeschlagen: Frontex soll die Menschen, die von der Türkei nach Griechenland in Booten kommen, aufgreifen. Es müssen alle gerettet werden, aber dann müssen die Menschen zurück in die Türkei gebracht werden. Dann wäre Frontex nicht mehr nur ein Rettungsprogramm, sondern tatsächlich auch Grenzschutzprogramm. Natürlich muss die Türkei bei dieser Maximalvariante mitspielen. Was sicher nicht einfach für sie ist.
ÖSTERREICH: Und falls die Türkei Nein sagt?
Faymann: Wenn die Türkei sagt, dass sie alleine die Grenzen schützt, und dann kämen nur noch 10.000 statt 20.000, wäre das noch keine Lösung. Dann müssten wir Plan B umsetzen. Das wünsche ich mir zwar nicht, aber dann müssen wir unsere Grenzen noch stärker sichern. Und zwar brauchen wir dann nicht nur in Spielfeld ein technisches Grenzmanagement, sondern auch an möglichen Ausweichrouten.
ÖSTERREICH: Bis wann wird das entschieden?
Faymann: Bis zum EU-Rat am 18. Februar muss das klar sein. Sonst müssen wir die Grenzsicherung ausweiten. Die Innengrenzen zu schützen, ist eine Notlösung, aber wir müssen vorbereitet sein. Die Zeit drängt.
ÖSTERREICH: Warum halten Sie die Obergrenze oder den Richtwert von 37.500 Flüchtlingen für 2016 für wichtig?
Faymann: Es ist richtig und wichtig, weil das die Anzahl an Flüchtlingen ist, die Österreich verkraften kann. Es geht nicht nur um kurzfristige Quartiere, es geht auch um die Integration. Wir haben 2015 im besonderen Maß geholfen. Aber wir können dieses Jahr nicht noch einmal 100.000 aufnehmen, während nahezu ganz Europa niemanden nimmt. Wir können nicht sagen, dass die Grenze nach oben hin offen ist. Das ist sie nicht und darf sie nicht sein.
ÖSTERREICH: Aber die angepeilte Obergrenze wird die Krise nicht lösen, oder?
Faymann: Das sagt auch keiner. Ich kenne niemanden, der glaubt, dass der Richtwert, oder wie immer man das nennen mag, alles lösen wird. Es bedarf eines umfassenden Maßnahmenpaketes: Einerseits eine EU-Lösung – Außengrenzen sichern und Flüchtlinge verteilen –, andererseits auch eine Grenzsicherung bei uns. Ich möchte auf alles vorbereitet sein. Als Politiker muss man Entwicklungen zu Ende denken. Wir können uns sicher nicht darauf verlassen, dass die Türkei alles für uns regelt.
ÖSTERREICH: Die Regierung will 50.000 abgelehnte Asylwerber in den kommenden fünf Jahren abschieben. Ist das überhaupt realistisch?
Faymann: Innen- und Außenministerium sind dafür zuständig und können auf meine Unterstützung bauen. Aber es muss das passieren, was vereinbart wurde: also 50.000 Rückführungen. Dafür muss es EU-Abkommen geben, aber zusätzlich muss sich auch das Außenministerium mehr engagieren. Das ist harte Arbeit.
ÖSTERREICH: Der Außenminister will Ländern, die Flüchtlinge nicht zurücknehmen, Entwicklungshilfe streichen.
Faymann: Auf nationaler Ebene sollte man sich die Frage stellen, weshalb andere EU-Länder mehr Menschen abschieben konnten als wir. Auf EU-Ebene kann ich unterstützen. Aber es wäre falsch, sich nur auf die EU zu verlassen. So wie es auch falsch wäre, sich nur auf nationale Maßnahmen zu verlassen. Die Entwicklungshilfe muss man fallbezogen beurteilen. Sanktionen, die ihren Zweck nicht erfüllen, bringen wenig.
ÖSTERREICH: Was halten Sie von der SPÖ-Online-Mitgliederbefragung zum Asyl?
Faymann: Das war keine repräsentative Umfrage. Aber ich freue mich über die 11.000, die mitgemacht haben.