Damit würden kleine Parteien wegbeschlossen und Ungerechtigkeit eingeführt, argumentiert der Bundespräsident.
Bundespräsident Heinz Fischer bleibt auch nach der jüngsten Regierungskrise ein glühender Verteidiger des bestehenden Verhältniswahlrechts. Er zähle sich nicht zu denen, "die glauben, man müsse nur ein Mehrheitswahlrecht einführen, und alle Probleme wären gelöst. Das halte ich für zu kurz gedacht", so der Bundespräsident gegenüber der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit".
Widerspruch in sich
Das von Teilen der ÖVP propagierte Modell
eines "minderheitenfreundlichen Mehrheitswahlrechts" bezeichnete Fischer
wörtlich als "Contradictio in adjecto", also als "Widerspruch in der
Beifügung". Fischer: "Die Idee, die stimmenstärkste Partei sollte die Hälfte
der Mandate plus eines erhalten, während der Rest auf die übrigen Parteien
proportional aufgeteilt wird, halte ich für nicht sehr durchdacht. Da könnte
es sogar passieren, dass eine Regierungspartei mit absoluter Mehrheit, die
versagt hat und bei den Wahlen abgestraft wird, mit derselben Mandatszahl
weiterregieren kann, nur weil sie knapp stimmenstärkste Partei geblieben
ist."
Kleine Parteien nicht "wegbeschließen"
Grundsätzlich
sei er, Fischer, nicht gegen eine Wahlrechtsdiskussionen, er lehne es aber
ab, bloß, weil eine Koalition nicht reibungslos funktioniert, das Wahlrecht
zu ändern, damit eine andere Regierungsform reibungsloser funktionieren
könnte. Fischer: "Man sollte der Bevölkerung nicht sagen: Ihr braucht nur an
einer großen Schraube zu drehen, und schon ist das Problem gelöst. In der
heutigen Situation große Hoffnungen an ein geändertes Wahlrecht zu knüpfen
und nebenbei die drei kleineren Parteien am grünen Tisch wegzubeschließen,
das kann ich nicht befürworten."