In der ORF-Pressestunde beharrte der Alt-Kanzler auf Molterer-Steuerplänen und sieht die Homo-Ehe nicht durch die rosa-rote Brille.
ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel lehnt das von Teilen seiner Partei propagierte Mehrheitswahlrecht ab. In der ORF-"Pressestunde" meinte er am Sonntag, er habe zwar nichts gegen eine Diskussion, eine entsprechende Systemänderung hielte er aber "nicht für klug". In Sachen Steuerreform sprach sich der Alt-Kanzler für das von der Parteispitze betriebene Familiensplitting aus, bei der Diskussion über die Jugendkriminalität hinterfragte er das Jugendstrafrecht und bezüglich der Eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle geht Schüssel davon aus, dass man diese entgegen den ursprünglichen Plänen nicht vor dem Standesamt wird eingehen können.
Keine Schnellschüsse beim Mehrheitswahlrecht
Beim
Mehrheitswahlrecht warnte Schüssel vor Schnellschüssen. Das unter anderem
von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) vertretene Modell, wonach die
stärkste Partei 50 Prozent plus einem Sitz im Nationalrat erhalten soll,
erscheint dem Klubchef nicht sinnvoll. Dann müsse man ja erst wieder
Koalitionen bilden. Und auch die Rolle des Bundespräsidenten müsste wohl bei
so einer Systemänderung neu diskutiert werden, zusätzlich wäre vermutlich
auch eine Angleichung auf Länderebene durchzuführen.
Er warne also davor zu glauben, dass mit einem Mehrheitswahlrecht gleich jedes Problem ein für allemal gelöst wäre. Diesmal sei eben eine Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP "praktisch der Wählerwille" gewesen. Eine Festschreibung der Großen Koalition für alle Zeiten befürchtet Schüssel durch die Beibehaltung des jetzigen Systems nicht. Denn er lehne jegliche Abgrenzung ab, wenn eine Partei in den Nationalrat gewählt werde.
Keine Ausgrenzung der FPÖ
So schloss der Klubchef auch nicht
explizit eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aus. Natürlich müsste davor deren
EU-Kurs geändert werden und islamfeindliche Aussagen wie im Grazer Wahlkampf
"glasklar ausgeräumt" sein. Dabei plädierte Schüssel auch dafür, sich nicht
nur auf Einzelpersonen zu konzentrieren. So wolle er mit dem Grünen
Sicherheitssprecher Peter Pilz persönlich "nie etwas zu tun haben". Die
Grünen seien ungeachtet dessen als Partei regierungsfähig.
Steuerreform: Schüssel verteidigt Familiensplitting
In der
Steuerreform-Debatte verteidigte Schüssel die Pläne seiner Partei, ein
Familiensplitting einzuführen. Systeme dieser Art seien in vielen Ländern
üblich, die eine höhere Geburtenrate aufwiesen, etwa in Irland und
Frankreich. Dass sich auch die VP-Frauen dagegen aussprechen, führte der
Alt-Kanzler darauf zurück, dass hier "manche Argumente der Roten nachgebetet
wurden". Er habe das Ganze aber mittlerweile mit VP-Frauenchefin Maria
Rauch-Kallat ausdiskutiert.
Eine Vermögenssteuer lehnte Schüssel deutlich ab. Vorstellbar ist für ihn nur eine Finanztransaktionssteuer in Europa, für die er ohnehin immer gewesen sei. Als besonders wichtig bei der Steuerentlastung erscheint dem Klubchef neben der Familienentlastung eine gleiche Besteuerung von Betrieben unabhängig von deren Rechtsform.
Homo-Ehe: Klares "Nein"
Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel
(V) könnte sich durchaus vorstellen, persönlich an einer Zeremonie
teilzunehmen, bei der eine Eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle
fixiert wird: "Gegen Feierlichkeiten hat niemand etwas." Allerdings glaubt
der ÖVP-Klubobmann, dass bei der Suche nach einer entsprechenden
gesetzlichen Regelung letztlich herauskommen wird, dass die Eintragung nicht
am Standesamt erfolgen wird. Genau dies war allerdings im
ÖVP-Perspektivenpapier vorgesehen.
Camps für Jugendliche
Bezüglich der umstrittenen Camps für
kriminell gewordene Jugendliche, die sich die Volkspartei in anderen Ländern
einmal ansehen möchte, wiegelte Schüssel ab. Es geht nur darum, verschiedene
Gruppen zusammenzufassen und ihnen eine Aufgabe in Gemeinschaftscamps zu
geben. Dies werde etwa bei Drogensüchtigen schon getan.
Hinterfragt wurde von Schüssel, warum es für Jugendliche ein eigenes Strafrecht bis zum 21. Lebensjahr geben müsse. Schließlich dürfe man schon mit 16 an Wahlen teilnehmen. Skeptisch zeigte sich der Klubchef bezüglich des "gigantischen Gehirnwäscheprozesses", der den Jugendlichen via TV täglich suggeriere, dass zuschlagen der einfachste Weg sei. Er rufe hier aber "nicht nach Zensur sondern nach Verantwortung".
Keine Anti-Rauchergesetze wie in Italien
Auf Wahlfreiheit setzte
Schüssel einmal mehr in der Raucher-Frage. Verbote würde nämlich in Wahrheit
auch in Italien und Irland nicht funktionieren, wo nur nach
Umgehungsmöglichkeiten gesucht werde.
Arbeitsplätze vor Klimaschutz
Beim Klimaschutz verteidigte
der Alt-Kanzler Ausnahmen für gewisse Industriezweige, da es auch darum
gehe, Arbeitsplätze zu sichern. Schüssel selbst will auf eine Förderung der
thermischen Sanierungen setzen, ebenso auf einen Ausbau von Wasserkraft,
Photovoltaik etc. In der aktuellen Debatte um die Lkw-Maut sagte der
Klubobmann Ja zu einer Erhöhung in Europa, wenn dafür eine Senkung der
Lkw-Steuer in Österreich vorgenommen werde.
Heftige Kritik übte Schüssel am Klimabeauftragten des Bundeskanzleramts, Andreas Wabl, der seine Sache schlecht mache und nur für Reibeflächen sorge. Überhaupt wisse er nicht, wofür es diesen Position überhaupt brauche, schließlich gebe es einen Umweltminister.
Gnädiger ging Schüssel mit seinem SP-Pendant Josef Cap um. Beispielsweise sei die Verlängerung der Pflege-Amnestie unter anderem durch die "positive Kraft der Energie der beiden Klubobmänner zustande gekommen". Auch sonst telefoniere man immer wieder: "Wir hängen es nur nicht an die große Glocke."
Schließlich forderte Schüssel Anstrengungen gegen die stark gestiegene Inflation ein, die ein Hammer sei. Hier seien Maßnahmen vonnöten, die Sozialpartner sollten sich zusammensetzen.