Neue Mittelschule

Für Mitterlehner Fortbestand nicht garantiert

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Mitterlehner steht dem bisherigen Modell einer NMS skeptisch gegenüber.

Spieler. Seine Tarockrunden im Gasthaus seiner ­Heimat Helfenberg waren sicherlich schon lustiger: ÖVP-Chef, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (59) hat nach der Präsentation der Steuerreform mit der Wut der Wirte zu kämpfen. In Helfenberg wird er nach wie vor gut bedient. Sein Schwager ist der Wirt, wie Mitterlehner augenzwinkernd im Interview mit ÖSTERREICH am SONNTAG erzählt. Die Angriffe anderer Gastronomen seien hingegen für ihn ein Ärgernis gewesen. Doch Änderungen soll es keine großen mehr geben: „Man darf nicht umfallen“, so Mitterlehners Devise.

Klare Worte. Nach der Steuerreform will Mitterlehner nun die Themen Pensionen und Bildung in Angriff nehmen. Gegen die Anhebung des Frauenpensionsalters spreche nichts, so der ÖVP-Chef. Und in ­Sachen Bildung steht die Neue Mittelschule für ihn auf der Kippe. Ins Wahljahr geht er gelassen. Und für ihn ist klar: Es wird einen eigenen ÖVP-Kandidaten für die Präsidentschaftswahl geben. Mitterlehner, vielsagend: „Erwin Pröll ist ein absolut erfahrener, kompetenter und geschätzter Politiker.“

ÖSTERREICH: Wenn Sie zu Hause in Oberösterreich beim Tarockieren sitzen, werden Sie dann vom Wirt derzeit überhaupt bedient?
Reinhold Mitterlehner: Zufälligerweise ist mein Schwager der örtliche Wirt, da könnten wir noch ein paar Verschärfungen machen und ich würde trotzdem bedient. Aber Sie wollen auf die Proteste der Wirte gegen die Registrierkassen hinaus. Gastronomen und Hoteliers sehen für sich hier Belastungen. Da muss ich sagen: Regis­trierkassen sind im in­ternationalen Vergleich üblich, und es wird dort keine großartigen Änderungen mehr geben. Es wird aber eine Ankaufprämie geben.

ÖSTERREICH: Wie hoch war also der Preis, den die ÖVP für die Steuerreform zu zahlen hatte?
Mitterlehner: Es ist eine gelungene Reform. Dass jene, die die Gegenfinanzierung mittragen müssen, nicht zufrieden sind, war klar. Aber wir haben verhindert, dass es flächendeckend Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern gibt. Das zählt. Und dass sechs Millionen Österreicher mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro entlastet werden.

ÖSTERREICH: Als nächster Schritt ist einerseits die Pensionsreform angekündigt. Der zuständige Minister Hundstorfer scheint hier keine Eile zu haben. Wa­rum?
Mitterlehner: Er vertritt hauptsächlich bestimmte Interessen und will die Pensionsthematik positiv darstellen. Wir haben hier mehr Dynamik, weil wir die Zahlen kennen und wissen, wir müssen handeln. An der Reform führt kein Weg vorbei.

ÖSTERREICH: Sie wollen das Frauenpensionsalter anheben. Die Mehrheit der Österreicher will das ebenso wenig wie der Koalitionspartner SPÖ. Verstehen Sie das?
Mitterlehner: Ich würde den Härtegrad dieser Meinungen nicht überschätzen. Ich wünsche mir hier vom Regierungspartner, dass er nicht sofort mit der ­stereotypen Antwort kommt, das Anheben des Frauenpensionsalters würde den Frauen schaden. Die Situation der Frauen hat sich seit den 1990er-Jahren massiv verbessert, sowohl was die Kinderbetreuung als auch die Karrierechancen betrifft.

ÖSTERREICH: Sie sehen also keine Benachteiligung der Frauen mehr?
Mitterlehner: Die Umstände für Frauen haben sich massiv verbessert. Und wir wollen ja keine Anhebung des Frauenpensions­alters auf einmal, sondern schrittweise – und damit früher als geplant starten. Das bringt später höhere Pensionen.

ÖSTERREICH: Noch vor der Pensionsreform soll die Bildungs­reform auf dem Tisch liegen. Ist Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek die Richtige für die Umsetzung?
Mitterlehner: Wir haben eine Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern und Experten. Ich bin darum optimistisch, dass wir eine Lösung finden. Für die Arbeit der Ministerin ver­teile ich keine Zensuren, das machen ohnehin die Bürger und die Medien. Mir ist wichtig, dass wir bis 17. November Lösungen am Tisch haben.

ÖSTERREICH: Gibt es bei Ihnen eine Bewegung in Richtung der gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen?
Mitterlehner: Das steht bei uns nicht im Haupt­fokus, vor allem, weil wir mit der Neuen Mittelschule ein 300-
Millionen-Projekt haben, das sich nicht bewährt hat. Bei uns hat das Gymnasium nach wie vor einen Stellenwert. Aber wenn Tirol oder Vorarlberg Modelle haben, die gut sind, dann sollen sie diese umsetzen.

ÖSTERREICH: Soll das Modell der Neuen Mittelschule fallen gelassen werden?
Mitterlehner: Ich sehe das bisherige Modell der Neuen Mittelschule skeptisch. Wenn man es nicht qualitativ aufwerten kann, hätte man 300 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Laut Rechnungshof hat sich nichts verbessert, nur die Kosten sind mehr geworden. Fortsetzung nicht garantiert, wenn nichts korrigiert werden kann.

ÖSTERREICH: In Ihrem ­Parteiprogramm steht das Mehrheitswahlrecht als Ziel. Soll Sie das schneller zur Kanzlerschaft führen? Ist es Ihr Lebensziel, Bundeskanzler zu werden?
Mitterlehner: Mir geht 
es darum, schneller poli­tische Entscheidungen treffen zu können. Das ermöglicht das Mehrheitswahlrecht. Es ist also kein Ve­hikel, um den Macht­anspruch zu stellen. Dass man als Bundeskanzler-Partei mehr Stärke hätte, wäre günstig. Aber dazu muss man erst gewählt werden – das sage ich jetzt als Signal an die Wähler. Gebt uns eure Stimme.

ÖSTERREICH: Wir befinden uns in einem Superwahljahr, und nächstes Jahr steht dann die Bundespräsidentenwahl an. Braucht die ÖVP einen ­eigenen Kandidaten, oder ist ein gemeinsamer Kandidat mit der SPÖ denkbar?
Mitterlehner: Ich gehe davon aus, dass wir jedenfalls einen eigenen Kandidaten aufstellen. Die ÖVP hat den Anspruch, eine bestimmte Eigenständigkeit zu haben. Einen gemeinsamen Kandidaten von ÖVP und SPÖ sehe ich nicht.

ÖSTERREICH: Wäre ein ­Kandidat von außen denkbar? Beispielsweise Irmgard Griss, die immer wieder gehandelt wird?
Mitterlehner: Die Frage stellt sich für uns noch gar nicht, aber wir haben genügend gute Kandidaten aus unserem Bereich, die mit ihrer Qualifikation bestens geeignet sind.

ÖSTERREICH: Wäre Erwin Pröll der ideale Kandidat?
Mitterlehner: Ich will 
da unseren internen Entscheidungen nicht vorgreifen, aber Erwin Pröll ist ein absolut erfahrener, kompetenter und geschätzter Politiker. Das ist unbestritten. Und das beweisen seine Wahlergebnisse.

ÖSTERREICH: Sie sind jetzt seit sechs Monaten ÖVP-Chef. Wie oft haben Sie das schon bereut?
Mitterlehner: Ich nehme mein Amt mit Freude und Verve wahr, wir sind auf ­einem guten Weg. Ich muss aber schon sagen, dass manches im Zuge der Steuerreform heftig war. Der Ton der Wirte war relativ scharf. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich politische Verunglimpfungen nicht ärgern. Aber solche emotionalen Engpässe muss man bewältigen und darf nicht umfallen. Das ist eine Prinzipiensache, dadurch wird man stärker.

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