Pro & Contra

Ist Türkis-Blau wirklich politisch tot?

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Kurz und Hofer - Kommen sie doch noch zusammen? Pro & Contra von ÖSTERREICH-Chefredakteur Werner Schima und  oe24.at- & oe24.TV-Chefredakteur Richard Schmitt. 

Werner Schima: "Kurz lässt sich diese Option nicht aus der Hand nehmen"

Werner Schima
© TZOe Artner
× Werner Schima

Auf die Frage, ob eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Regierung diesmal noch eine Chance hat, gibt’s zwei Antworten. Es kommt nur drauf an, wem man sie stellt.

Für all jene, denen es nicht egal ist, wenn jede Woche ein blau-brauner Einzelfall aufpoppt, denen es nicht wurscht ist, was freiheitliche Funktionäre so vor sich hinsingen, für alle, die hie und da im Ausland vorbeischauen, über den Tellerrand der heimischen Grenzen blicken, das internationale Ansehen Österreichs also nicht ignorieren können und wollen – für diese Spezies, die es in unserer schönen Heimat auch noch geben soll, wird die Antwort wohl Nein heißen.

Alle anderen, denen das 
alles nicht so wichtig ist, wenn sie nur eine funktionierende und im Eilzugtempo fahrende Mitte-rechts-Regierung wiederbekommen, die diese 2017 begonnene Politik fortsetzen kann, hoffen nach wie vor, dass die Sondierungen der ÖVP mit den Grünen im Sande verlaufen und die beiden so unglücklich getrennten Liebenden sich doch noch für Türkis-Blau II in die Arme schließen werden. Möglicherweise sind diejenigen sogar in der Mehrheit.

Es wird also auf Sebastian Kurz ankommen – er wird letztlich die oben gestellte Frage beantworten müssen.

Auch wenn sich offensichtlich eine zunehmende Zahl in der ÖVP gegen Türkis-Blau ausspricht. Auch wenn es den Fürsprechern nicht gerade genützt hat, dass die FPÖ im Zuge der Liederbuch-Verteidigung sogar Leopold Figl, den schwarzen legendären Säulenheiligen, angepatzt hat (der übrigens im KZ Dachau gefoltert und fast umgebracht wurde): Sebastian Kurz wird sich die Option, doch wieder mit der FPÖ zusammenzugehen, nicht aus der Hand nehmen lassen.

Scheitert Türkis-Grün, hat Kurz nur zwei Optionen

Dass Türkis-Grün scheitert, ist trotz aller Hochstimmung über das gute Gesprächsklima noch immer gut möglich. Die inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden sind nach wie vor riesig und die Grünen wissen genau: Gehen sie zu viele Kompromisse ein, nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch in der Asylfrage und bei sozialen Themen wie Mindestsicherung, wird es die Partei nach der glanzvollen Wiederauferstehung genauso schnell wieder zerreißen. Wenn’s also nichts wird mit dem interessanten Experiment, hat Kurz nur mehr zwei Möglichkeiten (an Türkis-Rot glaubt mittlerweile kein Mensch mehr):

Entweder in Neuwahlen gehen und hoffen, dass sich dann Türkis-Pink ausgeht.

Oder eben unter der Devise „Alles vergeben und vergessen“ zurück zu Türkis-Blau.

Richard Schmitt: "Totgeschriebene leben oft länger, die Chance lebt"

Richard Schmitt
© TZOe Artner
× Richard Schmitt

Tot, toter – FPÖ: Das verkünden viele Kommentatoren in den meisten Medien Österreichs. Die Kollegen meinen, dass Sebastian Kurz „absolut keine Chance“ hätte, mit der in diesem Jahr besonders skandalgeschüttelten Liederbuch-Partie zu koalieren. Sie irren, und zwar aus mehreren Gründen.

Warum die FPÖ doch noch mit Kurz regieren könnte

Die vielen Einzelfälle in der FPÖ lassen die Empörungskurve sinken: Natürlich sind wir alle, die links des FPÖ-Recken Wolfgang Zanger stehen, verwundert über die Liederbuch-Texte und dessen Erklärungen dazu. Kein vernünftiger Mensch kann sich eigentlich erklären, warum Zanger in der FPÖ bleiben sollte. Aber waren wir nicht auch über Jörg Haiders „Beschäftigungspolitik“-Sager empört? Trotzdem ging der Aufstieg der Rechten weiter, Strache und Herbert Kickl übernahmen das Muster Haider: Totale Provokation, darauf folgte der erwartete Gegenreaktions-Tsunami, der wiederum die erwünschte Opferrolle lieferte.

Kommt die Erzählung von der »jetzt braveren« FPÖ?

So ärgerlich dieses Faktum auch ist: Die Österreicher stumpfen bei den vielen „Einzelfällen“ der Blauen ab. Und die Anti-FPÖ-Hysterie gewisser Medien hilft den Blauen eben bei dem, was sie am besten kann: im Spielen der Opferrolle.

Dazu kommt: Wesentlich mehr als für diverse Skandale interessieren sich die Österreicher dafür, ob sie auch in Zukunft in ihrer Heimat in Sicherheit leben können, ob ihnen Jobs und der neue Familienbonus bleiben, und ob eine Regierung einen weiteren Migranten-Zustrom verhindern will / kann.

Auch die Zeit, die noch bis zu ernsthaften Gesprächen zwischen Sebastian Kurz und Norbert Hofer verstreichen wird, lässt die Chance auf „Türkis-Blassblau reloaded“ steigen: Die Erzählung von der jetzt „eh viel braveren“ neuen FPÖ braucht noch zwei Monate, damit sie von diversen Spin-Doktoren verkauft werden kann.

Bereits erste Treffen von 
Spitzen der ÖVP und FPÖ

Im Hintergrund laufen ohnehin schon vertrauliche Gespräche türkiser Spitzenpolitiker mit den „bösen“ Freiheitlichen. Größter Wert wird darauf gelegt, dass dies keine geheimen Neben-Verhandlungen sind, sondern Treffen „zur Kontaktpflege“. Sogar Herbert Kickl hätte in der Vorwoche bereits wieder mit einem der Top-Player der ÖVP geplaudert …

Wenn Türkis-Grün scheitert, werden wir uns im Februar wieder an das Norbert-Hofer-Zitat erinnern müssen: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“

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