Er schläft nur noch vier Stunden, er arbeitet 20 Stunden am Tag. Jetzt startet der Kanzler die Offensive für mehr Sicherheit – und gegen die FPÖ.
Seit gut 150 Tagen regiert Werner Faymann das Land in neuem Stil. Im – mit seinen alten Bene-Bürotischen – spartanisch eingerichteten Kanzleramt arbeitet Faymann mittlerweile zwischen 16 und 20 Stunden am Tag. „Ich komme selten vor 1 Uhr nachts ins Bett und stehe jeden Tag um 5.30 Uhr bestens gelaunt auf“, sagt der Kanzler.
Und: „Ich habe derzeit nur ein Freizeitvergnügen – das tägliche Frühstück mit meiner Tochter um 7 Uhr früh.“
100 Telefonate
In den nächsten Tagen verschärft Werner Faymann
seinen Arbeitseinsatz. Ab Montag will er in jeder freien Minute mit seinen
Bezirksparteien telefonieren, um sie zur Mobilisierung bei der EU-Wahl zu
bewegen. Der SPÖ droht am 7. Juni durch zu geringe Wahlbeteiligung der
Absturz auf Platz 2 – eine Negativ-Dynamik, die Faymann (der bei
Nationalratswahlen klar voranliegen würde) unbedingt verhindern will.
Vorbild Kreisky
Der Kanzler, der auch im Palais am Ballhausplatz
wie „der nette Mann von nebenan“ wirkt, hat sich mittlerweile SPÖ-Legende
Bruno Kreisky „als Vorbild“ genommen - „und Rosa Jochmann, die
Widerstandskämpferin, die nie Hass sondern immer Toleranz gepredigt hat.“
Obama
Und Barack Obama – ist auch er Faymann-Vorbild? „In
dem Sinne ja, als er ein politisches Kommunikations-Genie ist. Wenn der
etwas erklärt, versteht es die ganze Welt. Da kann jeder Politiker viel
lernen.“
Sicherheit
Unser „Polit-Genie“ Faymann hat mittlerweile im
EU-Wahlkampf für die SPÖ ein neues Lieblingsthema entdeckt: Die Sicherheit. Nächste
Woche lädt Faymann zu einem „Sicherheits-Rat“ ins Parlament. In ÖSTERREICH
sagt er bereits seine Offensive gegen die Kriminalität an: Mehr Geld für
deutlich mehr Polizisten – und erstmals wieder „Grenzraum-Kontrollen“
entlang der Ausfahrtsstrassen ...
Der Kanzler im EU-Interview:
ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, es gibt viele Umfragen, die
der SPÖ eine Niederlage bei der EU-Wahl voraussagen: Sie verlieren den
ersten Platz und damit den Kanzler-Bonus.
WERNER FAYMANN: Die
SPÖ hat bei jeder Wahl das Ziel Erster zu werden. Diesmal haben wir einen
unberechenbaren zusätzlichen Gegner: die Wahlbeteiligung. Die Bereitschaft
zur Wahl ist diesmal bei breiten Kreisen der Bevölkerung nicht so spürbar,
wie das sonst knapp vor Wahltagen merkbar ist. Viele unserer Stammwähler
überlegen offenbar noch: Wieso soll ich zur EU-Wahl extra hingehen? Was
bringt mir das?
ÖSTERREICH: Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie denen sagen: Es
bringt wenig!
FAYMANN: Im Gegenteil – ich will unseren
Wählern sagen: Wenn alle hingehen, die für ein soziales Europa sind, die
wollen, dass der Staat in Zeiten der Krise soziale Netze sichert und Europa
nicht den Spekulanten überlässt – dann werden wir klar Erster sein, aber
dafür müssen wir unsere Wähler mobilisieren.
ÖSTERREICH: Dafür sind Sie ja als Parteivorsitzender wohl
hauptverantwortlich ...
FAYMANN: (lacht) Ich bin immer für
alles verantwortlich. Das ist das Schöne aber auch das Mühsame an meinem
Job. Aber fürs Wetter bin ich nicht verantwortlich – und für eine
europaweite Stimmung bei den Wählern nur sehr bedingt.
ÖSTERREICH: Es gibt zwei große Themen bei dieser Wahl ...
FAYMANN:
Wie bewältigen wir die Wirtschaftskrise – und was tun wir für mehr
Sicherheit ...
ÖSTERREICH: Haben wir die Wirtschaftskrise überstanden?
FAYMANN:
Sicher nicht!
ÖSTERREICH: Sie sind anderer Meinung als Ihr Finanzminister
Josef Pröll, der gesagt hat: Im 4. Quartal geht’s wieder bergauf!
FAYMANN:
Ich bin da prinzipiell anderer Meinung als jeder g’scheite Mensch, der jetzt
bereits weiß, was im 4. Quartal sein wird. Alle diese Leute hatten nämlich
auch vor zwei Quartalen keine Ahnung, was da auf uns zukommt. Ich bin so wie
Josef Pröll der Meinung, dass sich die Finanzmärkte schön langsam wieder
stabilisieren. Das ist ein gutes Zeichen. Aber die Krise ist für mich erst
vorbei, wenn die Arbeitslosigkeit nicht mehr steigt – und davon sind wir
leider noch weit entfernt. Ich glaube, dass wir noch lange nicht alle
Maßnahmen gesetzt haben, die notwendig sind, um die Beschäftigung wieder
anzukurbeln, weil der Arbeitsmarkt der Krise mit einer Zeitverzögerung
hinterherläuft. Da kommen noch dramatische Zeiten auf uns zu. Keine Rede
von: Die Krise ist schon vorbei!
ÖSTERREICH: Die Finanzmärkte sind beruhigt – ein Banken-Crash
droht uns nicht mehr?
FAYMANN: Die Finanzmärkte sind deshalb
beruhigt, weil die EU – die in der Krise so wichtig war – die Länder in Ost-
und Südost-Europa stabilisiert hat, die Währungsrisiken aufgefangen hat. Ich
sehe deshalb Gott sei Dank überhaupt keine Anzeichen mehr für einen
Banken-Crash. Aber ich bin sehr besorgt über die Entwicklung der
Arbeitslosigkeit – da gibt es etwa in der Automobilbranche überhaupt keinen
Turnaround.
ÖSTERREICH: Dass Magna Opel kauft, sehen Sie als
Hoffnung?
FAYMANN: Die Betriebsräte von Opel in Aspern sagen
mir, dass das eine sehr gute Lösung ist. Wir helfen auch mit, soweit das
eine Regierung kann – aber kein Regierungschef kann in einen Betrieb wie
Opel oder Magna hineinsehen, deshalb halte ich mich mit Kommentaren da sehr
zurück.
ÖSTERREICH: Zum zweiten großen Thema ist in diesem Wahlkampf
das Thema Sicherheit geworden. Sie werden hier in Ihren inhaltlichen
Forderungen der FPÖ immer ähnlicher.
FAYMANN:
Natürlich ist das wichtigste Thema der SPÖ immer die soziale Frage – der
Arbeitsmarkt, die Gesundheit, die Pensionen. Aber mein Ziel als
Regierungschef ist es, auf die Sorgen der Bevölkerung zu hören. Und eine der
wichtigsten Sorgen der Menschen ist derzeit das dramatische Ansteigen der
Einbrüche und der organisierten Kriminalität. Deshalb werde ich jetzt bei
diesen Sorgen aktiv – ich habe als Erstes den Assistenzeinsatz des
Bundesheeres an den Grenzen verlängert, weil die Polizei dort nicht über
genügend Personal verfügt und die Bevölkerung sich mit Recht von uns bei der
Kriminalität mehr Einsatz erwartet.
ÖSTERREICH: Da gibt’s viele Experten die sagen: Die Soldaten
an der Grenze sind zum Krenreiben – die dürfen eh nix.
FAYMANN:
Ich war gestern selbst bei den Soldaten im Grenzgebiet – und die Polizisten
dort, also die wirklichen Experten, haben mir versichert, wie wichtig und
sinnvoll dieser Grenzeinsatz des Bundesheeres ist und wie sehr die Soldaten
beim Aufspüren von Banden und Einbrechern mithelfen und wichtig sind.
ÖSTERREICH: Wenn Sie das Eindringen der organisierten
Kriminalität nach Österreich verhindern wollen – müssten Sie dann nicht
wieder Grenzkontrollen einführen?
FAYMANN: Auch das
halte ich für sinnvoll und auch das will ich verstärken. Keine
Grenzkontrollen im alten Sinn, dass wir wieder Schranken und Stacheldraht
aufstellen – sondern eine neue Form der Grenzraum-Kontrolle, bei der wir auf
allen wichtigen Straßen an der Grenze wieder Polizeikontrollen durchführen,
wo wir stichprobenartig verdächtige Autos anhalten, Visa kontrollieren, den
Kofferraum kontrollieren. Da bin ich so wie Landeshauptmann Niessl voll
dafür, und diese moderne Grenzraumkontrolle wird kommen.
ÖSTERREICH: Eine wirkliche Grenzkontrolle wollen Sie nicht?
FAYMANN:
Es sollen nicht die Touristen kontrolliert werden, sondern es sollen im
gesamten Grenzraum verdächtige Autos geprüft und angehalten werden.
Planquadrate. Anhaltungen. Zusätzlich wollen wir die internationale
Zusammenarbeit der Polizei intensivieren und die Sicherung der
Schengen-Außengrenze – etwa zwischen Ungarn und Rumänien – verstärken.
ÖSTERREICH: Mehr Polizisten?
FAYMANN: Es muss
definitiv mehr Geld für die Sicherheit geben – und dazu gehört, dass wir
deutlich mehr junge Polizisten in Ausbildung nehmen.
ÖSTERREICH: All diese Vorschläge sind der FPÖ ähnlich.
Spreche ich mit Werner Strache oder mit H.C. Faymann?
FAYMANN:
Das hat mit der FPÖ nix zu tun. Zwei Dinge will ich klarstellen. Erstens:
Als die FPÖ in der Regierung war, hat sie das Gegenteil von dem gemacht, was
sie jetzt fordert. Die FPÖ und Schüssel haben über 3.000 Polizisten
eingespart, die sind schuld an dem Sicherheits-Debakel, das wir jetzt haben.
Zweitens: Wir drucken keine grauslichen Plakate, wo wir das Thema
Kriminalität zur Angstmache missbrauchen – sondern wir handeln, wir sorgen
jetzt für mehr Sicherheit.
ÖSTERREICH: Die FPÖ-Plakate betrachten Sie als grauslich?
FAYMANN:
Die sind nicht nur grauslich, die sind ekelerregend. Wenn ich etwas
nicht mag, dann ist das Hetze. Ich zeige Probleme auf, um sie zu lösen. Aber
ich bin für Aufklärung, für Toleranz, für Respekt gegenüber anderen. Und
wenn ich etwas überhaupt nicht leiden kann, dann jemand, der auf Plakaten
andere – die Türkei, Israel, die Ausländer generell – vernadert. Für mich
ist die FPÖ eine Partei der Hassprediger.
ÖSTERREICH: Hassprediger?
FAYMANN: Herr
Strache und Co sind für mich Hassprediger, weil ihr Stil System hat – hier
sollen bewusst mit Plakaten und Inseraten Hass, Neid und Missgunst angefacht
werden. Und das braucht niemand.
ÖSTERREICH: Steht für Sie – so wie einst bei Vranitzky – die
FPÖ außerhalb des Verfassungsbogens?
FAYMANN: Ich
brauche dafür keinen Bogen, sondern die FPÖ steht für mich klar außerhalb
jeder Diskussionswürdigkeit, dass sie Anspruch hätte, in einer
Bundesregierung vertreten zu sein. Ich fühle mich voll bestätigt, dass ich
mit dieser Partei Regierungsverhandlungen abgelehnt habe - ich könnte nicht
mehr in den Spiegel schauen, wenn ich mit solchen Leuten gemeinsam in der
Regierung wäre.
ÖSTERREICH: Können Sie noch in den Spiegel schauen, weil Sie
für Martin Graf als dritten Nationalratspräsidenten waren?
FAYMANN:
Ich sage ganz ehrlich: Das war ein Fehler. Bei der Regierung war ich immer
der Meinung, dass man an der FPÖ nicht anstreifen kann. Bei der Frage
Nationalratspräsident habe ich geglaubt, dass eine im Parlament vertretene
Partei darauf demokratischen Anspruch hat. Ich hätte mir diese Verhöhnung
und Herabwürdigung von Menschen wie Ariel Muzikant, die ja an die Nazi-Zeit
erinnert, nicht träumen lassen. Und ich bin entsetzt, wie unwürdig sich
Martin Graf als Nationalratspräsident erwiesen hat. Deshalb bin ich auch
klar dagegen, dass es für diese FPÖ-Mandatare künftig politische Ehrenämter
gibt.
ÖSTERREICH: Kein Volksanwalt, kein Ausschussvorsitz?
FAYMANN:
Keine Ehrenämter für Graf und Konsorten mehr – und rasch ein Gesetz, dass
der für einen Nationalratspräsidenten unwürdige Herr Graf abgewählt wird.
ÖSTERREICH: Woran scheitert das in Wahrheit?
FAYMANN:
Nur daran, dass sich mein Vize Josef Pröll, mit dem ich in der Regierung
sehr vertrauensvoll und konstruktiv zusammenarbeite, unbedingt die Option
der FPÖ als möglicher Regierungspartner – wie man so schön sagt – warmhalten
will. Er stellt hier taktische Spielchen vor eine saubere politische Linie.
Und ich werde alles versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass es für die
politische Hygiene unseres Landes wichtig ist, dass man
Parlamentspräsidenten, die das Amt als Hassprediger missbrauchen, abwählen
können muss. Politische Taktik muss dort aufhören, wo der politische Anstand
anfängt.
ÖSTERREICH: Und Martin Graf ...
FAYMANN: ...
ist an dem Tag abgewählt, an dem Josef Pröll seine taktischen Spielchen mit
der FPÖ beendet und für politischen Anstand sorgt.