Israels Außenminister entzündete Kerze für in Mauthausen getöteten Großvater.
Mauthausen. Aus Anlass des internationalen Holocaust-Gedenktags haben am Donnerstag in Österreich Gedenkfeierlichkeiten stattgefunden. Der israelische Außenminister Yair Lapid, dessen Großvater im KZ Ebensee starb, legte zusammen mit österreichischen Regierungsmitgliedern in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen einen Kranz für die NS-Opfer nieder. Die Staatsspitze kam am Nachmittag mit Vertretern der jüdischen Gemeinschaft und der Roma zum Gedenken bei der Namensmauer in Wien zusammen.
Lapid erinnerte in seiner Rede in Mauthausen an seinen Großvater Bela Lampel. Lampel war Anfang März 1945 in das Außenlager Ebensee gekommen, wo er am 5. April starb. Zwischen 1938 und 1945 waren in Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern rund 200.000 Menschen aus mehr als 70 Nationen interniert, knapp die Hälfte von ihnen wurde ermordet oder starb in Folge der grausamen Haftbedingungen.
Lapid entzündete eine Kerze
Im "Raum der Namen", in dem in Glas die Namen von 81.000 bekannten Ermordeten eingraviert sind, entzündete Lapid beim Schriftzug seines Großvaters eine Kerze. In einem sehr persönlichen Statement erklärte er anschließend, dass die Opfer von Mauthausen keine Nummern waren, die ausgelöscht wurden, sondern Menschen mit Namen - so wie sein Großvater, der mit seinen Kindern auf den Fußballplatz ging. Im März 1944 um 6 Uhr wurde er von deutschen Soldaten in SS-Uniformen aus dem Schlafzimmer abgeholt. Die Großmutter flehte noch einen Soldaten an: "Vergessen Sie nicht, auch Sie haben eine Mutter", erzählte Lapid mit leiser Stimme.
Sein Großvater habe ihn heute nach Mauthausen gesandt, um in seinem Auftrag zu sagen, dass die Juden nicht aufgegeben haben: "Die Nazis dachten, sie wären die Zukunft und Juden würde es nur noch im Museum geben. Stattdessen ist der jüdische Staat die Zukunft und Mauthausen ist ein Museum. Ruhe in Frieden, Großvater.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) unterstrich bei der Feier, dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden dürften. Sie hielten die Erinnerung lebendig, um eine Wiederholung der Geschichte zu verhindern. Nehammer entschuldigte sich im Namen Österreichs bei Lapid für die Ermordung des Großvaters und versprach ihm, das "jüdische Leben in Österreich" zu unterstützen.
Schallenberg: "Historische Verantwortung"
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte, dass Österreich heute "vollumfänglich" die historische Verantwortung wahrnehme. Daraus ergebe sich für die Zukunft, weltweit "entschlossen und konsequent" gegen jede Form von Antisemitismus aufzutreten. Besonders hob er dabei die Verantwortung zu Israel hervor. "Nur wenn Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt in Sicherheit und Freiheit leben können, kann aus einem 'niemals vergessen' wirklich ein 'niemals wieder' werden."
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), dessen Ressort für die Gedenkstätte verantwortlich ist, sprach von einem "unglaublichen Gräuel" in Mauthausen. Daraus erwachse die politische Verantwortung, für Demokratie und Menschlichkeit einzutreten. Die KZ-Gedenkstätte stehe zum einen für das "dunkelste Kapitel der Geschichte", meinte auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Sie sei zugleich auch ein "sichtbares Zeichen gegen jegliche Feinde der Demokratie".
Am Nachmittag nahm Lapid an einer Gedenkfeier bei der Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte in Wien teil, zu der die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) geladen hatte. Bei der Feier gab es keine Reden. Inmitten der 160 Steinelemente, in denen die Namen von 64.440 in der NS-Zeit ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden eingemeißelt sind, wurde ein Kaddisch (Totengebet) gesungen und ein Musikstück gespielt.
Erklärung von Staatsspitze unterzeichnet
Die österreichische Staats- und Regierungsspitze sowie Oppositionsparteien bekannten sich zur Verantwortung, die sich aus dem Holocaust-Gedenken ableitet. "Wir alle sind gefordert, Zivilcourage zu zeigen, zu widersprechen, wenn antisemitische, romafeindliche oder fremdenfeindliche Worte fallen", hieß es in einer von der IKG initiierten Erklärung, die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner und NEOS-Vizechef Niki Scherak, IKG-Präsident Oskar Deutsch sowie dem Obmann des Roma Service Emmerich Gärtner-Horvath unterzeichnet wurde.
"Im Rahmen der Initiative #WeRemember gedenken wir aller Opfer, die aus antisemitischen, rassistischen, homophoben, politischen und anderen Gründen verfolgt, gequält und ermordet wurden", betonten die Unterzeichner. "Aus der Erinnerung erwächst die Verantwortung, uns immerwährend und aktiv gegen Antisemitismus, Romafeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und jegliche Form der Diskriminierung zu stellen."
Zuvor hatten bereits zahlreiche Politikerinnen und Politiker die Erinnerung an die Opfer eingemahnt. Man müsse dafür sorgen, "dass Menschenverachtung, Sündenbockdenken und Gewalt niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden", betonte Van der Bellen in einer Stellungnahme auf Facebook. Man werde weiterhin gegen jede Form des Antisemitismus kämpfen, versicherte Nehammer. Regierungsmitglieder von Kanzler Nehammer und Vizekanzler Kogler abwärts zeigten sich auf diversen Social Media Plattformen mit "We remember"-Schildern.
Edtstadler: "Kampf gegen Antisemitismus"
"Der Kampf gegen Antisemitismus hat leider nichts an Aktualität verloren", verwies Verfassungsministerin Edtstadler in einer Stellungnahme auf die Demonstrationen von Corona-Impfgegnern, die dies "in erschreckender Art und Weise" zeigten. Der Vergleich von Corona-Maßnahmen mit totalitärer Politik oder gar dem Faschismus komme einer Verharmlosung der Nazi-Herrschaft gleich, kritisierte auch SPÖ-Chefin Rendi-Wagner in einer Aussendung. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger mahnte Zivilcourage ein, wenn antisemitische oder fremdenfeindliche Worte fallen.
Seitens der FPÖ erklärte der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer in einer Aussendung, es sei die Verpflichtung der Republik Österreich, "unsere jüdischen Mitbürger vor Angriffen und Anfeindungen zu schützen". Die Verbrechen des Nationalsozialismus dürften sich nicht wiederholen. "Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz und es darf ihm auch kein Raum gegeben werden", betonte auch FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung.