Interview

Kanzler: "Tragödie ist ein Signal"

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Werner Faymann will Balten, Briten, Tschechen zur Asyl-Quote zwingen.

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, wie tief sitzt der Schock über das Drama im Burgenland?
Werner Faymann: Ich bin erschüttert – das ist eine unvorstellbare Tragödie. Niemand kann ermessen, welches Leid diese Menschen durchmachen, wenn sie sich in einen Lkw pferchen lassen und dann darin ersticken. Da reichen Worte nicht aus. Wir hatten gestern beim EU-Gipfel eine Trauerminute, aber auch sofort eine Diskussion, wie wir das politisch lösen.
ÖSTERREICH: Trauerminute schön und gut – aber muss die EU nicht endlich handeln?
Faymann: Jawohl, die EU muss handeln. Wir müssen als Erstes in den Kriegsländern selbst aktiv werden. Dieser Wahnsinn in Syrien muss aufhören. Man sollte ein UN-Mandat im Kampf gegen den IS überlegen.
ÖSTERREICH: Heißt was?
Faymann: Heißt, dass die EU mit einem UNO-Mandat im Kampf gegen den IS vor Ort aktiv werden könnte.
ÖSTERREICH: Ein UNO-Einsatz mit Österreich?
Faymann: Österreich kann sich, sobald ein UN-Mandat da ist, vor allem im humanitären Bereich beteiligen.
ÖSTERREICH: Die Flüchtlinge wird das nicht stoppen.
Faymann: Die Flüchtlingsströme muss die EU an der Außengrenze in den Griff bekommen. Es hat keinen Sinn, dass jetzt jedes Land Stacheldrähte, Mauern und Wachtürme aufbaut. Die EU muss Zentren in Griechenland und Italien organisieren und dort bereits die Asylfrage lösen. Jene, die keinen Anspruch haben, sofort zurückschicken und die anderen gerecht verteilen.
ÖSTERREICH: Das fordern Sie seit einem Jahr – aber es funktioniert nicht.
Faymann: Aber mittlerweile ist Österreich mit dieser Forderung längst nicht mehr alleine. Daher werde ich mit Angela Merkel eine Initiative für eine verpflichtende EU-Quote starten, indem wir den Druck deutlich erhöhen. Ich stelle außerdem den Anspruch, dass wir als Nettozahler die Projekte z. B. in den baltischen Ländern nur noch dann mitfinanzieren, wenn es dort auch eine Bereitschaft zur ausreichenden Aufnahme von Asylwerbern gibt.
ÖSTERREICH: Und wann soll die EU-Quote kommen?
Faymann: So rasch wie möglich.
ÖSTERREICH: Und was passiert in der Zwischenzeit mit dem Flüchtlings-Chaos in ­Österreich?
Faymann: Zunächst bin ich dafür, dass die Innenministerin die Grenzraumkontrollen gegen Schlepper, die auch jetzt schon stattfinden, noch verstärkt. Dann wird es rasch ein hartes Gesetz gegen Schlepper geben. Und schließlich kommt mit 1. Oktober das Durchgriffsrecht des Bundes auf Gemeindeebene, das die Flüchtlingssituation sehr schnell verbessern soll.
ÖSTERREICH: Wie wird dieses Durchgriffsrecht wirken?
Faymann: Es wirkt schon jetzt voraus. Die Länder haben im letzten Monat 3.000 neue Plätze geschaffen, so viele wie noch nie zuvor. Auch die Bezirke werden aktiv. Und nur wenn dann noch immer zu wenig Plätze da sind, werden wir in den Bezirken, die die Quote nicht erfüllen Container aufstellen oder Häuser anmieten.
ÖSTERREICH: Warum die Idee mit dem Flüchtlings-Koordinator?
Faymann: Weil Profis die Flüchtlingsverteilung organisieren sollen.

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