Nachdem in der SP ein Streit um die Schulden der Partei ausgebrochen ist, kontert nun der ehemalige Kanzler Kern seinerseits die Vorwürfe.
Der ehemalige Parteichef und Altkanzler Christian Kern wehrt sich in einem ÖSTERREICH vorliegenden Brief an das SPÖ-Präsidium gegen die Vorwürfe, er habe die SPÖ mit einem Schuldenstand von 14 Millionen Euro hinterlassen. "Ich habe die Partei bei meinem Rücktritt nachweislich mit einem Schuldenstand von 10,57 Millionen Euro, und nicht 14 Millionen Euro übergeben. Ich habe den weit höheren Schuldenstand, den ich übernommen hatte, stark reduziert."
Kern übt auch Kritik an der Parteispitze, die ihn zuletzt indirekt für die finanzielle Situation der SPÖ verantwortlich gemacht hatte: "Diese Darstellungen sind nur Rechtfertigungsversuche, die ich nicht nachvollziehen kann."
"Neben den wirtschaftlichen gibt es aber auch ein paar politische Fakten, auf die ich hinweisen möchte", schreibt Kern in dem Brief. Umfragen kurz vor seinem Abgang hätten die SPÖ bei 29 Prozent gesehen. "Nach meinem Abgang hat sich die SPÖ die längste Zeit bei 26 Prozent eingependelt."
Viele Weichen seien für das neue Team an der Spitze gestellt worden. Inklusive des Personals, das diesen Weg glaubwürdig vertreten hätte können. Man hätte sich dann aber entschlossen, einen anderen Kurs einzuschlagen.
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Schulden: SPÖ feuert 27 Mitarbeiter
"Ibiza-Ereignisse brachten SPÖ-Absturz"
"Mit dem Management der Ibiza-Ereignisse und dem Wahlkampf 2019 kam dann der Absturz auf das bekannte Niveau. Bis heute haben sich die Zustimmungswerte nicht erholt", analysiert Kern schonungslos weiter.
"Mein Abschied von der Parteispitze hat viele enttäuscht. Vielleicht verstehen manche im Lichte der jüngsten Ereignisse meine Entscheidung nunmehr besser. Ich habe im Wahlkampf 2017 erlebt, welchen Schaden Illoyalität verursachen kann."
SPÖ schlägt zurück
Die angesprochenen 10,57 Millionen Euro Schulden versteht hingegen die SPÖ nicht. "Diese Angaben können wir nicht nachvollziehen", hieß es dazu am Mittwoch aus der SPÖ. Dennoch verwies man darauf, dass in den veröffentlichten 14 Millionen 1,5 Millionen offene Rechnungen enthalten seien - was zumindest einen Teil der Diskrepanz erklärt.
SPÖ-Bundesparteikassier Christoph Matznetter bestätigte am Mittwoch die tags zuvor gemachten Angaben der SPÖ-Vorsitzenden Rendi-Wagner und des Bundesgeschäftsführers Christian Deutsch. Der Abgeordnete stellte klar, dass die Bank-und sonstigen Verbindlichkeiten der SPÖ-Bundespartei Ende 2018 insgesamt 14 Mio. Euro betragen haben. Davon seien 12,5 Mio. Euro auf Bankverbindlichkeiten und 1,5 Mio. auf sonstige Verbindlichkeiten entfallen, teilte der Kassier per Aussendung mit.
Rendi-Wagners Vorgänger Christian Kern hatte sich am 18. September 2018 von der Parteispitze zurückgezogen. Wenige Tage danach übernahm die ehemalige Gesundheitsministerin seinen Job. Am 30. September 2018 hätten die Schulden der SPÖ 13,1 Mio. Euro betragen, führte Matznetter am Mittwoch weiter aus. Davon entfielen 12,5 Mio. Euro auf Verbindlichkeiten bei Banken, 634.486 Euro auf sonstige Verbindlichkeiten. "Das Delta von 900.000 Euro bis Jahresende ergibt sich dadurch, dass der Schuldenstand im letzten Quartal wegen laufender Kosten grundsätzlich ansteigt", erklärte Matznetter in der Mitteilung. Grund dafür sei, dass eine Hälfte der Parteienförderung im Jänner, die zweite Hälfte im Juli ausbezahlt werde, so der Kassier. Laufende Ausgaben wie etwa Gehälter müssten bis Jahresende weiter bezahlt werden, größere Einnahmen würden nach Juli aber nicht mehr hereinkommen.
Auch SPÖ-Betriebsrat rechnet ab
Unterdessen wendet sich aufgrund der Kündigungswelle auch der SPÖ-Betriebsrat an den Parteivorstand und hinterfragt, inwieweit dieser in das geplante Sparpaket eingebunden war. Ferner wird in dem der APA vorliegenden Brief die Vorgangsweise der Parteiführung offen kritisiert.
Betriebsratschef Siegfried Sailer macht nach der heutigen Belegschaftssitzung klar, dass sich auch die Belegschaft der prekären finanziellen Situation durchaus bewusst sei. Doch sei man besonders enttäuscht, dass im Laufe des Jahres keinerlei Bemühungen der Parteispitze verzeichnet worden seien, eine Kündigungswelle abzuwenden. Dabei seien ökonomischer Engpass und schlechtes Wahlergebnis bereits im Mai absehbar gewesen: "Nun vor Weihnachten Maßnahmen in diesem Ausmaß zu ergreifen ist bitterlich."
Dazu kommt, dass laut Betriebsrat diesem bisher keine Gelegenheit gegeben wurde, sich über Auswahl und Anzahl der Betroffenen mit der Geschäftsführung auszutauschen. Die mangelhafte Kommunikation widerspreche dem sozialpartnerschaftlichen Gedanken sowie den gesetzlichen Erfordernissen. Damit habe man sich auch in eine soziale Abfederung bisher nicht einbringen können. Es sei nicht einmal bekannt, nach welchen Kriterien die Mitarbeiter, die zur Kündigung vorgesehen sind, ausgesucht worden seien.
So sei bisher auch kein Gesamtpaket hinsichtlich der künftigen Aufgaben der Bundesgeschäftsstelle kommuniziert worden. Nicht einmal mit allen Leitenden Sekretären sei das Gespräch gesucht worden.
Kritisch hinterfragt werden einmal mehr die Beraterverträge der Partei. Diese würden weiterlaufen, während langjährige Mitarbeiter und Kollegen in sensiblen sozialen Lagen von Kündigung betroffen seien. Das sorge für Frustration: "Möglicherweise hätten manche Kündigungen durch umsichtige Beraterverträge sogar verhindert werden können."
Konkrete Forderungen an den Vorstand werden nicht geäußert, sehr wohl aber ein Appell "an euer menschliches und politisches Verständnis als Genossinnen und Genossen". Allen voran stehe aber die Frage, inwiefern die Mitglieder des Parteivorstands in diese Vorgangsweise eingebunden gewesen seien. Indirekt drängt man diese nun, zumindest für die Erstellung eines Sozialplans zu sorgen: "Wir jedenfalls sind gesprächsbereit."