Für Klimaökonom Gernot Wagner müssen nationale und regionale Maßnahmen her, damit Klimaschutz wirklich fruchtet.
Trotz mehr als 40-stündigen Nachsitzens haben sich die Verhandler bei der UN-Klimakonferenz nur auf Minimalbeschlüsse geeinigt. Die chilenische Umweltministerin und COP-Vorsitzende Carolina Schmidt verkündete am Sonntag in Madrid die Beschlüsse vor den Delegierten aus fast 200 Ländern. Darin wurde unter anderem die Notwendigkeit anerkannt, dass die Länder ihre nationalen Klimaschutzziele anheben.
Dass die Klimapolitik auf viel kleineren Bühnen stattfinden muss, davon ist auch der austro-amerikanische Klimaökonom Gernot Wagner überzeugt. Er wollte eigentlich auch zum Klimagipfel reisen. Als dieser aber von Chile nach Madrid verlegt wurde, blieb er dann zuhause in New York. Im Interview mit dem "Standard" erklärte er aber, wie erfolgreiche und vor allem wirksame Klimapolitik auszusehen hat. Er sieht vor allem das Problem, dass die einzelnen Länder und Regionen hier handeln müssen.
"Das Problem ist, dass das Klimaproblem so groß ist. Wir können es nicht einfach lösen und sagen: 'Fertig, wir kümmern uns um andere Dinge.'", so der Experte. Es werde Jahrzehnte dauern bis die Emissionen auf null gesenkt werden können. Es könne kein Politiker behaupten, dass er es geschafft habe. "Hier geht es um ein so massives, globales, perfektes Problem – das macht es so schwer lösbar", erklärt Wagner.
Der Klimaexperte sieht radikalere Änderungen vor allem auf regionaler Ebene am sinnvollsten. "Das Zillertal etwa beschwert sich jeden Sommer und Winter über permanenten Stau. Wie wär’s mit Autos verbieten und Elektrobusse im Dreiminutentakt durchs gesamte Tal schicken? Klar, das kostet Geld, würde eine massive Umstellung bedeuten. Aber genau darum geht es: um zukunftsweisende, radikalste Veränderungen in der lokalsten Politik", so der gebürtige Amstettner Wagner.
Das Hauptproblem sieht er aber darin, dass sich die wenigsten Politiker eine Radikalität im Hinblick auf Klimaschutz vorstellen können. So musste Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach einer versuchten Anhebung der Spritpreise schnell wieder einlenken. Dass es aber doch geht, beweisen Beispiele aus aller Welt. So führte die kanadische Provinz British Columbia eine CO2-Steuer ein, bei der die gesamten Einnahmen an die Bevölkerung zurückgehen - mittels Scheck. Teilweise bekamen die Leute das Geld bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes. Besitzer von zwei bis drei Autos zahlen dabei mehr als sie zurückbekommen und die ärmeren Menschen müssen weniger Geld an den Staat abgeben, erzählt Wagner im Interview.
Viele Länder machen es sich zu einfach, meint Wagner, indem sie die Kompetenz und Verantwortung für den Klimaschutz gern auf die nächst höhere Institution abwälzen - im Fall von Österreich die EU. Ein Umstand, den Wagner so nicht versteht und akzeptieren will. "Wo sonst verstecken wir uns hinter anderen und sagen: 'Wir können leider unsere Lipizzaner und Sängerknaben nicht subventionieren, weil, schau, die anderen machen das ja auch nicht." Das ist eine gern verwendete Ausrede. Natürlich wären einheitliche Maßnahmen besser. Aber leider gibt es keine Weltregierung, die das einfach global regeln kann".