Außenministerin will "eine neue Seite" in den ramponierten Beziehungen aufschlagen.
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat am Donnerstag einen mit Spannung erwarteten Kurzbesuch in der Türkei begonnen. Bei einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in der Bosporus-Metropole wollte Kneissl "eine neue Seite" in den ramponierten bilateralen Beziehungen aufschlagen.
Kommt es zum Gegenbesuch?
Cavusoglu empfing Kneissl zu Mittag Ortszeit im geschichtsträchtigen Dolmabahce-Palast, der früheren Regierungszentrale des Osmanischen Reiches und dem Sterbeort von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk im Jahr 1938. Nach einem Vieraugengespräch waren auch Delegationsgespräche geplant, um 15.00 Uhr (13.00 Uhr MEZ) wollten die beiden Minister vor die Presse treten. Mit Spannung wurde erwartet, ob dabei auch schon ein Termin für Cavusoglus Gegenbesuch in Wien genannt wird - nachdem türkische Regierungspolitiker wegen Wahlkampfaktivitäten seit Anfang des Vorjahres offiziell unerwünscht in Österreich waren.
Eigentlich wollte der türkische Außenminister seine österreichische Kollegin auf die Ferieninsel Büyükada ("Große Insel") im Marmarameer vor der Metropole ausführen. Kneissl hatte als Kind in den 1960er- und 1970er-Jahren mehrmals Urlaub auf der größten "Prinzeninsel" gemacht.
"Das letzte Mal war ich mit 15 Jahren dort", sagte die 53-Jährige den mitreisenden österreichischen Journalisten nach ihrer Ankunft in Istanbul. Dabei hob sie ihre positiven Erinnerungen an die Insel hervor, auf der damals wie heute Pferdekutschen das wichtigste Transportmittel sind.
Ausflug fällt aus
Der Ausflug auf die Insel fiel aber dem durchwachsenen Wetter zum Opfer. Istanbul lag am Donnerstagvormittag unter einer dunklen Wolkendecke, starker Wind peitschte das Meer auf - nicht unpassend zu den widrigen Bedingungen, die Kneissl und Cavusoglu bei ihrem Versuch zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu gewärtigen haben.
Cavusoglu hat sich nach einem ersten Telefonat mit Kneissl im Dezember zu einer Normalisierung der bilateralen Beziehungen bereiterklärt, die sich wegen der Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Putsch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Juli 2016 massiv verschlechtert hatten.
Österreichs Drängen auf einen Stopp der EU-Beitrittsgespräche quittierte Ankara damals mit einer Blockade der NATO-Kooperation mit Wien und dem Rauswurf österreichischer Archäologen aus der antiken Grabungsstätte Ephesos. Für Aufregung sorgten auch geplante türkische Politikerauftritte in Österreich vor dem Verfassungsreferendum im April 2017, die Wien mit aller Kraft zu unterbinden suchte.
Die Außenministerin will bei dem Treffen den Fokus auf bilaterale Fragen legen, bei denen eine Zusammenarbeit zwischen Wien und Ankara möglich sei. Es gehe vor allem darum, "eine positive Gesprächsatmosphäre zu schaffen", betonte ihre Sprecherin Elisabeth Hechenleitner im Vorfeld. Entsprechend gab sich Kneissl auch zurückhaltend auf Fragen zur jüngsten scharfen Kritik des türkischen Europaministers Ömer Celik an der FPÖ. Es sei bisher schon "viel Porzellan zerschlagen" worden, sagte sie dem "Standard" (Donnerstagsausgabe). "Das will ich hinter mir lassen."
Überschattet wird die Zusammenkunft von der umstrittenen türkischen Militäraktion gegen Kurdenkämpfer in Nordsyrien. Kneissl hatte sich besorgt gezeigt und mit Blick auf die am heutigen Donnerstag in Wien startende neue Runde der Syrien-Friedensgespräche eine Verhandlungslösung eingefordert. Während eine Gruppe von Erdogan-Anhängern am gestrigen Mittwoch vor dem Wiener Parlamentsgebäude für die "Operation Olivenzweig" demonstrierte, kamen von der oppositionellen SPÖ ganz andere Töne. Justizsprecher Hannes Jarolim übte scharfe Kritik am türkischen Vorgehen und forderte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in einem Brief auf, eine Streichung der Kurdenorganisationen YPG und PKK von der EU-Terrorliste zu "prüfen", weil diese ein "wesentlicher Trigger (Auslöser)" für die türkische Militärgewalt seien.