vlcsnap-2020-06-24-16h27m51s595.png

Kanzler fünf Stunden vor U-Ausschuss

Kurz: ''Lösche SMS immer wieder''

Teilen

Emotionaler Kanzler sagte im U-Ausschuss aus. Wortgefechte, Konflikte um gelöschte SMS. Die Kanzler-Aussage im Parlament.

Knapp vor seinem Auftritt vor dem U-Ausschuss gestern wirkt Sebastian Kurz noch locker und amüsiert. Mit breitem Lächeln geht er an diesem Mittwoch den dicht gedrängten Journalisten im Parlament vorbei. Im U-Ausschuss selbst ändert sich seine Stimmung rasch: Am Mittwoch stand der Ibiza-U-Ausschuss schließlich ganz im Zeichen der ÖVP. Was wusste wer über die Ibiza-Affäre und welche Postenbesetzungen wurden unter Türkis-Blau gemacht? FPÖ, SPÖ und Neos versuchen, die potenzielle Rolle des Kanzlers in der ­Casinos-Postenbesetzung zu klären. Fünf Stunden dauert am Ende die Befragung.

Konflikt zwischen FPÖ und Kurz eskaliert im Ausschuss

➔ Rolle: FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker geht den Kanzler an: Wer denn die ÖVP führe, wenn er nicht mitbekomme, was passiere? Sein Ziel ist es, die Affären nicht allein auf der FPÖ sitzen zu lassen. Der VP-Chef kontert ungewöhnlich emotional: „Jetzt platzt mir gleich der Kragen. Es waren Vertreter Ihrer Partei, die auf Ibiza Aussagen getätigt haben, die dazu geführt haben, dass die Koalition geplatzt ist.“ Und dazu, dass es Ermittlungen gegen Politiker geben würde. Immerhin wird auch gegen Ex-VP-Finanzminister Hartwig Löger – dessen gestrige Aussage aus Zeitgründen verschoben wurde – ermittelt. Und gegen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, der ebenfalls am Mittwoch vor dem Ausschuss auftreten musste.

Neos und SPÖ fragen Kurz nach Postenbesetzungen

➔ Besetzungen. Doch zurück zu Kurz: Während die FPÖ mehr Interesse an möglichen oder vermeintlichen Drahtziehern des Ibiza-­Videos hat, fragen die Neos-Mandatare Stephanie Kris­per und Wolfgang Brandstätter sowie SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer vom Ober-Türkisen eher, ob es Deals um die FP-Postenbesetzung in den Casinos gegeben habe. Und nach Postenwünschen der ÖVP. Kris­per will wissen, ob es einen Abtausch – Thomas Schmid als ÖBAG-Chef – für die FPÖ-­Personalwünsche gegeben habe. Kurz verneint das. Die Oppositionsparteien fragen zudem, was mit weiteren SMS – ÖSTERREICH hatte einen Teil der SMS zwischen Kurz und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache veröffentlicht – passiert sei.

Kurz sagt, dass er immer wieder SMS lösche

➔ Löschen: Kurz gibt an, dass er immer wieder SMS lösche oder löschen lasse. Das sei ihm von „Sicherheitsberatern empfohlen“ worden. Strache habe ihm weit mehr SMS geschickt als er Strache. Zeitweise auch nachts, als „ich bereits geschlafen habe“. Die Ausschussmitglieder von SPÖ, Neos und FPÖ wollen auch den Termin­kalender des Kanzlers. Der verweigert, das sei privat.

Krainer legt Dokument von Bankern an Kurz vor

➔ Wünsche: Krainer legt ein Dokument vor, in dem die Erste Bank offenbar Vorschläge für Veränderungen in der Finanzmarktaufsicht machte. Der SPÖ-Mandatar sagt, dass diese auch an die ÖVP spende. Kurz bestreitet hier jegliche Verbindung.

ÖBB und ORF. Krisper will schließlich wissen, ob sich der Kanzler für eine Person im ÖBB-Aufsichtsrat eingesetzt habe. „Ich kann mich an keine ­Person erinnern“, antwortet Kurz. Im Anschluss hat Thomas Schmid ausgesagt.

Kurz: ''Lösche SMS immer wieder''
© APA
× Kurz: ''Lösche SMS immer wieder''

Die Aussagen von Kurz vor dem U-Ausschuss

  • Sebastian Kurz über seine Befragung: „Als Regierung trifft man unzäh­lige Personalentscheidungen. Ich habe das System nicht erfunden. (...) Was ich ablehne, ist, wenn es zu pauschalen Anpatzversuchen kommt.“
  • Über SMS-Chat mit Strache: „Ich kann das nicht offenlegen, weil ich nicht im Besitz dieser Nachrichten bin. Weil ich sie regelmäßig lösche bzw. sie regelmäßig von meiner Büroleiterin gelöscht werden.“
  • Über Peter Sidlo: „Ich kann ausschließen, dass ich mich jemals für Sidlo stark gemacht habe. Ob Strache ihn erwähnt oder mir über ihn eine SMS geschrieben hat, kann ich nicht ausschließen. Er hat mir manchmal mehr SMS geschrieben, als ich lesen konnte.“
  • Über Thomas Schmid: „Den kenne ich seit zehn Jahren. Wir sind nicht miteinander in die Schule gegangen, waren nie miteinander auf Urlaub. Wir haben aber immer gut in freundschaftlicher Art und Weise zusammengearbeitet (…) Ich halte ihn für qualifiziert als Chef der ÖBAG.“
  • Über Straches SMS an Löger: „Ich bin Kanzler und nicht Erziehungsberechtigter.“
  • Über „Wunschzettel“ der Erste Bank: „Es ist das Normalste der Welt, dass Banken als Stakeholder eine Meinung zur FMA haben (…) Wenn Sie jetzt unterstellen wollen, dass wegen irgendwelcher Sponsorings Gesetze passiert sind, dann weise ich das zurück.“
  • Kanzler an die FPÖ: „Jetzt platzt mir wirklich gleich der Kragen. Es waren Vertreter Ihrer Partei, die auf Ibiza Aussagen getätigt haben, die dazu geführt haben, dass die Koalition geplatzt ist, und die verantwortlich dafür sind, dass jetzt mehrere Strafverfahren gegen Politiker in diesem Land geführt werden.“
  • Anzahl der Strache-SMS: „Ich kann mich erinnern, dass ich mit meiner Büroleiterin darüber gescherzt habe, dass da sehr viele SMS kamen und das Verhältnis von seinen Nachrichten zu meinen Antworten nicht zusammenpasst. Darüber mussten wir schmunzeln. Viele kamen auch zu Zeiten, wo ich schon geschlafen habe.“
  • Spenden von Heidi Horten: „Ich weiß nicht auswendig, an welchem Tag Frau Horten welchen Betrag an die ÖVP überwiesen hat (…) Wollen Sie uns unterstellen, dass wir nach dem Gesetzesbeschluss 2019 höhere Spenden angenommen haben als erlaubt?“
  • Über Straches Rauchpausen: „Meine Wohnung ist eine Nichtraucherwohnung. Ich war so nett, ihm die Balkontüre zu öffnen und sie hinter ihm wieder zu schließen (…) Wenn ich mit ihm unter vier Augen sprechen wollte, habe ich dazu keine Rauchpause gebraucht.“

Thomas Schmid Öbag-Chef
© APA/HELMUT FOHRINGER
× Thomas Schmid Öbag-Chef
ÖBAG-Chef Thomas Schmid am Weg zum U-Ausschuss.

Schmid: "Der Minister war verantwortlich"

ÖBAG-Chef Thomas Schmid kam gestern Nachmittag mit seiner Aussage vor dem U-Ausschuss dran. Er wird in der Causa Casinos als Beschuldigter geführt, wie er gestern auch selbst anführte, um zu erklären, dass er sich bei gewissen Fragen „entschlagen“ werde.

Löger war verantwortlich: „Als Kabinettschef des ­Finanzministers (ÖVP )­ hatte ich lediglich eine koordinierende Tätigkeit inne. Die Letztentscheidung ist beim Minister gelegen“, betonte Schmid. Er könne sich auch nicht erinnern, von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht zu haben.

Über ÖBAG: „Die Vorgängergesellschaft ÖbiB wurde von vielen kritisiert, ihre Struktur als ineffizient betrachtet. Daher wurde ein Umbau beschlossen, aus dem die ÖBAG hervorgegangen ist. Daran haben viele Experten mitgearbeitet.“

Casinos: „Ich war damals nicht in der ÖBIB, die Bestellung war Sache des Casag-Aufsichtsrates. Die Aktionäre waren zerstritten. Jeder der drei Aktionäre konnte einen Kandidaten nominieren. Im Finanzministerium war Staatssekretär Herbert Fuchs (FPÖ) für das Glücksspiel zuständig. Mir ist kein Auftrag für eine neue Glücksspiellizenz bekannt.“

SMS von Strache: Er habe Strache eine SMS geschrieben mit dem Inhalt: „Bank is on track, hauen uns rein in deiner Sache.“ Was er gemeint habe? Schmid: „Da das Teil des Verfahrens ist, entschlage ich mich.“

Doskozil
© APA/ROBERT JAEGER
Burgenlands LH Hans Peter Doskozil wird ebenfalls vor dem U-Ausschuss aussagen.

Doskozil: "Komme in den U-Ausschuss"

Auch der ehemalige SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil wird im U-Ausschuss aussagen: „Ich komme gerne“, ließ er über ORF-Burgenland ausrichten. Doskozil wies die Aussagen von Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus zurück, wonach er selbst die Gründung des FPÖ-nahen ISP-Vereins vorgeschlagen habe, vielmehr sei der damalige FPÖ-Mandatar Johannes Hübner auf ihn in dieser Sache zugekommen. ISP erhält pro Jahr 200.000 Euro im Rahmen eines Werkvertrages. ISP-Chef Tschank und Doskozil ­seien im Aufsichtsrat der Burgenland-Gesellschaft Belig gesessen, trommelt indes die ÖVP.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.