Umsetzung steht nichts mehr im Weg

Lockdown ist jetzt fix! Hauptausschuss stimmte zu

Teilen

Hauptausschuss gab mit Stimmen von Koalition und SPÖ grünes Licht für Umsetzung der neuen Corona-Maßnahmen.

Wien. Der Umsetzung der neuen Corona-Maßnahmen steht nichts mehr im Weg. Der Hauptausschuss gab am Sonntagabend jenen Regelungen, die eine parlamentarische Zustimmung brauchen, seinen Segen. Davon betroffen sind etwa die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Neben der Koalition erteilte auch die SPÖ ihre Zustimmung, teilte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in einer Pressekonferenz im Anschluss mit.

Ungewöhnlicher Beschluss zu Allerheiligen im Parlament

Der Beschluss der Verordnung zum zweiten Corona-Lockdown hat zu einer ungewöhnlichen Zusammenkunft des Hauptausschuss des Nationalrats am Allerheiligen-Abend geführt. "Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals am 1. November eine solche Sitzung stattgefunden hätte", sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nach der zweistündigen Sitzung. Die Diskussion sei sachlich, aber auch pointiert gewesen.
 
Vieles sei aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet worden, so Sobotka. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) habe dargelegt, warum die Beschlüsse gefällt werden müssen und "die Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Richtigkeit der Verordnung" erläutert. Die Eindämmung der Pandemie könne aber nur gelingen, wenn sich alle Österreicher einbringen. Der Beschluss alleine reiche nicht, die Maßnahmen müssten auch im Geiste verinnerlicht werden, appellierte Sobotka an die Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen.

Anschober zeigte sich optimistisch

Anschober selbst zeigte sich optimistisch, dass es damit gelingen werde, die Infektionszahlen in Österreich zunächst zu stabilisieren und dann schrittweise wieder abzusenken. Er verwies darauf, dass mit dem heutigen Beschluss im Hauptausschuss die Verordnung "in Rekordtempo" umgesetzt werde. Und das sei auch "absolut notwendig, denn es ist ein Wettlauf mit der Zeit, dass die Maßnahmen rechtzeitig wirken, bevor Österreichs Intensivstationen überlastet sind".
 
ÖVP-Klubobmann August Wöginger (ÖVP) bedankte sich bei der SPÖ, dass sie die Verordnung mitbeschlossen habe und zeigte sich überzeugt, dass diese vor dem Verfassungsgerichtshof halten würde. "Die Maßnahmen sind verhältnismäßig und gut begründet. Selten wurde eine Verordnung mit so viel Expertise begleitet", verwies Wöginger auf die Tausend Seiten an sachlicher Begründung, die der Verordnung beiliegen. "Wir müssen dringend handeln. Die Verordnung ist notwendig, die Eingriffe sind notwendig. Wir wissen, dass es in der Gastronomie und Tourismus viele Infektionsketten gibt." Zudem würden bei ihm daheim im Innviertel Partys in Garagen, Gärten, Babypartys und sogar Hochzeiten in Stadln gefeiert, so Wöginger.
 
Auch die Klubchefin der Grünen, Sigrid Maurer, sah die Verordnung "extrem gut begründet". Sie habe daher keine Sorgen, dass sie vom VfGH aufgehoben werden könnte. Sie machte aber auch deutlich, dass die Grünen mit den Eingriffen und Einschränkungen alles andere als glücklich sind: "Die ganze Verordnung tut uns weh. Wir wollten nie, dass es zu einem zweiten Lockdown kommt. Aber wir haben keine andere Wahl. Es ist alternativlos. Es ist verhältnismäßig und es leider notwendig."

Rendi-Wagner: Es müsse gehandelt werden

SPÖ und NEOS bekräftigten nach der Sitzung neuerlich ihre Positionen. SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner warnte davor, "dass in ein bis zwei Wochen der Kollaps der Intensivstationen und des Gesundheitssystems droht" und deswegen gehandelt werden müsse. "Wir sehen einiges skeptisch, aber wir haben eine Verantwortung und diese nehmen wir wahr."
 
Die NEOS haben die Zustimmung nur deswegen verweigert, weil die nächtliche Ausgangsbeschränkungen ablehnen, bei vielen anderen Maßnahmen wären sie aber mitgegangen.
 
Die FPÖ lehnt das gesamte Vorgehen der Regierung ab, wie Klubobmann-Stellvertreterin Dagmar Belakowitsch Sonntagabend neuerlich bekräftigte. Der Gesundheitsminister sei ahnungslos und produziere einen vollkommenden Blindflug. "ÖVP und Grüne sperren die Österreicher ein und das halbe Land zu. Valide Zahlen, Fakten und Daten auf Basis derer die Regierung derartige Zwangsmaßnahmen begründet, ist Gesundheitsminister Anschober auch heute schuldig geblieben. Und wer die Maßnahmen der Regierung auch nur ansatzweise kritisiert, wird als Corona-Leugner diffamiert. Das ist eine Sauerei", so Belakowitsch wörtlich.

Kritik vor der Sitzung des Hauptausschusses

Die Opposition hatte vor der Sitzung des Hauptausschusses, in der der neuerliche Lockdown beschlossen wurde, ihre Kritik an der Regierung bekräftigt. Die SPÖ stimmte dennoch zu, denn "nichts zu tun, ist kein gangbarer Weg", sagte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Die NEOS halten die meisten Schritte ebenfalls für notwendig und würden mit der türkis-grünen Regierung mitgehen, lehnen aber Ausgangsbeschränkungen kategorisch ab. Die FPÖ ist klar gegen das Maßnahmenpaket.

"Bundesregierung hat die schwierige Situation zu verantworten"

"Die Bundesregierung hat die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verloren und hat die schwierige Situation, vor der wir jetzt stehen, zu verantworten", kritisierte SPÖ-Klub- und Parteivorsitzende Rendi-Wagner im Vorfeld der Sitzung. "Acht Monate lang hat sie keine Vorbereitungen für den worst case getroffen. Sie hat der Bevölkerung unterschiedliche Signale gegeben, die Situation schöngeredet und noch vor kurzem einen zweiten Lockdown in Abrede gestellt. Jetzt steht Österreich vor einem medizinischen Kollaps, in den uns die Regierung hineinmanövriert hat. Eine Überbelastung der Intensivstationen kann jeden von uns treffen", warnte die Medizinerin.

Es sei daher klar, dass dringend gehandelt werden müsse. Die SPÖ begrüße es, dass wie von ihr gefordert, die Schulen offen bleiben und im Pflegebereich eine Antigen-Schnelltest-Strategie umgesetzt werde. Darüber hinaus habe die Bundesregierung auf Druck der SPÖ einer zentralen Forderung zugestimmt und vom Lockdown betroffenen Betriebe volle Entschädigung zugesichert und diese Hilfszahlung mit einer Arbeitsplatzgarantie verknüpft. Damit sollen Massenkündigungen wie beim ersten Lockdown verhindert werden.

SPÖ kündigte "weitere parlamentarische Schritte" an

Bei anderen freiheitseinschränkenden Maßnahmen fehle aber die genaue Begründung. "Hier wird die SPÖ weitere parlamentarische Schritte setzen, um mehr Transparenz zu erwirken", kündigte sie an. "Wir werden in den nächsten Tagen weitere, neue Vorschläge einbringen, um gegen den Blindflug der Bundesregierung anzukämpfen."
 
Auch NEOS-Partei- und Klubchefin Beate Meinl-Reisinger bezeichnete die Lage in Österreich vor der Sitzung als "ernst" und sah dringenden Handlungsbedarf. Den Pinken sei es dabei aber wichtig, "dass jede Einschränkung begründet, evidenzbasiert und verhältnismäßig ist". "Bedauerlicherweise gab es keinen Raum oder Möglichkeit für die Oppositionsparteien im Dialog über einzelne Punkte zu debattieren und zu verhandeln. Das ist insofern schade, als es offenbar kein Interesse an einem echten Schulterschluss gibt", kritisierte Meinl-Reisinger.
 
Die NEOS hätten den weit überwiegenden Teil der vorgeschlagenen Maßnahmen mittragen, etwa auch die Schließungen der Gastronomie. Die Ausgangsbeschränkungen von 20:00 bis 6:00 Uhr halten sie aber "für unverhältnismäßig, irreführend und sie werden zu vielen Polizeikontrollen und Strafen führen". "In diesem Punkt können wir nicht zustimmen", so die Parteichefin. Darüber hinaus plädieren die NEOS dafür, Museen und Tierparks wie im ersten Entwurf vorgesehen, offen zu halten.

Kickl: Lockdown sei tief greifender Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl bezeichnete den Lockdown in einer Aussendung als tief greifenden Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte. "Die gestrige 'Gesprächsrunde' von Kurz, Anschober und Co. mit den Klubobleuten im Parlament war eine Verhöhnung der Volksvertreter. In diesem Schnelldurchlauf hat die Regierung nicht einmal mehr so getan, als hätte sie die Bereitschaft, auch nur irgendeine Anregung anzunehmen oder auf Fragen konkret zu antworten", sagte Kickl. Die Regierung sei bis heute jeden faktenbasierten Kausalzusammenhang zwischen den einzelnen Maßnahmen und der Reduktion der Infektionen, Krankenhausaufenthalten etc. schuldig geblieben. "Alles bleibe reine Ideologie und Propaganda", so Kickl.
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.