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Häupl-Nachfolger

Ludwig siegt im SPÖ-Thriller

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Dramatischer Auszählungsmarathon macht Ludwig zum neuen Boss der Wiener SPÖ.

Es war ein wahrhaft historischer Landesparteitag der Wiener SPÖ. 972 Delegierte versammelten sich in der Messe Wien zu einem dramatischen Konvent: Michael Häupl (68) trat unter stehenden Ovationen nach 25 Jahren an der Spitze der Wiener SPÖ zurück, und im Saal herrschte knisternde Spannung. Denn der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und SPÖ-Nationalratsklubchef Andreas Schieder kandidierten gegeneinander um den Vorsitz der wichtigsten Landespartei der österreichischen Sozialdemokraten.

Programm

Die Regie sah vor, dass zunächst die Wahlkommission die Stimmen der Delegierten auszählen sollte, wobei es offenbar zu Problemen kam, da die Auszählung statt dreißig Minuten mehr als eine Stunde dauerte. Man hatte zwei Mal ausgezählt, zwei verschiedene Ergebnisse erreicht und musste noch ein drittes Mal auszählen. Erst dann ging der Sprecher der Wahlkommission, Nationalratsabgeordneter Jan Krainer, hinter die Bühne, wo eine Minute vor Verkündigung des offiziellen Ergebnisses Michael Ludwig und Andreas Schieder über das Resultat informiert wurden.

Ludwig-Krönung mit 57 Prozent der Stimmen

Sieger. Beide Kandidaten mussten wieder ihre Plätze – 20 Meter voneinander getrennt – einnehmen und eine quälende Minute lang auf Krainers entscheidende Ansage warten: „Der neue Vorsitzende der SPÖ ist Michael Ludwig mit 551 zu 414 Stimmen oder 57 zu 43 Prozent.“ Was fast exakt der ÖSTERREICH-Berechnung des Stimmverhaltens der Delegierten entspricht. Michael Ludwig umarmte danach Andreas Schieder und trat als neuer Landesparteichef ans Rednerpult.

Einziger Ludwig-Antrag: Ehrenvorsitz für Häupl

Sein einziger und erster Antrag an diesem Tag war, Michael Häupl zum Ehrenvorsitzenden der SPÖ zu machen. Dieser Antrag wurde per Akklamation angenommen. Viele Delegierte erhoben sich noch einmal zu Standing Ovations.

Dann appellierte Ludwig an die Einheit der SPÖ und versprach, alle Funktionäre der SPÖ Wien zur Zusammenarbeit ein­zuladen. „Wir werden in der Öffentlichkeit geschlossen auftreten, auch wenn wir noch die eine oder andere Diskussion zu führen haben“, sagte Ludwig. Danach folgte in einer emotionalen Zeremonie die Verabschiedung von Michael Häupl als Landesparteichef.

Ludwig: Vom Arbeiterkind zum Bürgermeister

Michael Ludwig. Am 3. April 1961 erblickt Michael Ludwig das Licht der Welt und wächst in Floridsdorf auf. Ab den 1980er-Jahren arbeitet er „in einer kleinen Sektion“ in seinem Heimatbezirk mit und ist ab 1991 Bildungssekretär der SPÖ Wien und von 1994 bis 1995 Bezirksrat.

Bund. Ein Jahr später wechselt Ludwig, der in Politikwissenschaft und Geschichte promoviert hat, in den Bundesrat und bleibt dort bis 1999.

Video zum Thema: Ludwigs Rede nach dem Wahl-Erfolg

Vorbild Kreisky – und 
die Liebe zur SPÖ

1999 kehrt er zurück in die Wiener Politik und zieht in den Gemeinderat und Landtag ein. 2007 übernimmt Ludwig das Amt, das er bis heute führt: Er wird Wiener Wohnbaustadtrat und ist von 2009 bis 2010 sogar Landeshauptmann-Stellvertreter.

Sein Vorbild ist Bruno Kreisky. Ludwig erklärt seine Liebe zur SPÖ: „Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Das hat mich geprägt. Die Sozialdemokratie hat mir die Chance gegeben, dass ich durch Einsatz und Lernen aufsteigen kann.“

Faymann und Bures als Ludwig-Macher

Unterstützer. 2007 übernahm Michael Ludwig den Posten als Wohnbaustadtrat von Werner Faymann – und der blieb sein treuer Unterstützer. Auch andere Parteigranden, etwa Josef Cap und Josef Kalina, gehören zur Seilschaft des künftigen Bürgermeisters. Gewerkschaftsboss Christian Meidlinger kam überraschend dazu und half Ludwig wesentlich, sich gegen Andreas Schieder durchzusetzen.

Große Bezirke hinter 
Michael Ludwig

Neben klingenden Namen hatte Michael Ludwig aber noch ein Ass im Ärmel: Wiens größte Bezirke. Alle großen Flächenbezirke – Simmering, Donaustadt und Liesing – versammelten sich bereits seit Langem hinter Ludwig. Hinter diesen Allianzen stand auch Nationalratspräsidentin und Liesing-Chefin Doris Bures, die sich unermüdlich für Ludwig einsetzte. Ebenfalls in seinem Team spielten auch AK-Präsident Rudolf Kaske und ÖGB-Boss Erich Foglar.

Video zum Thema: Ludwig tritt vor die Presse

Stehende Ovationen und Tränen bei Häupl-Abschied

Fast zehn Minuten Standing Ovations zum Abschluss spendierten die Genossen Michael Häupl nach seiner 40-minütigen Abschiedsrede am Landesparteitag der Wiener SPÖ. Währenddessen musste er selbst einige Tränen wegwischen.

Knackige Sprüche und scharfe Kritik

Wien rückte „vom Blinddarm des demokratischen Westeuropas ins Herz der Europäischen Union“, ließ Häupl auch zum Abschied als Landesparteichef nach 25 Jahren etliche Sprüche los – und wurde ­dabei ernst. „Armut frisst Demokratie“, hielt er fest. Die SPÖ sei für eine „humane Gesellschaft alternativlos“, so Häupl.

Auch Attacken Richtung Regierung blieben nicht aus: „Was würden wir jetzt tun, hätten wir uns auf eine rot-blaue Koalition eingelassen?“, fragte er angesichts der Causa Landbauer. Keine Partei habe die „kleinen Leute so verraten wie die FPÖ“. Am Ende appellierte er noch an seine Partei, hinter dem neuen Chef zu stehen: „Das ist keine Frage der Moral, sondern des Überlebenswillens für die Wienwahl 2020.“

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