Im ÖSTERREICH-Interview beharrt Molterer auf das Familien-Splitting.
Finanzminister und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer geht mit seinen Vorstellungen zur Steuerreform mit dem Partner SPÖ auf Konfrontationskurs.
ÖSTERREICH: Die Stimmung in der Koalition ist nach einem Jahr gemeinsamer Regierung am Boden, Kanzler Alfred Gusenbauer gibt die Verantwortung dafür der ÖVP. Wo sehen Sie die Ursachen?
Wilhelm Molterer: Ich mache mir das Leben nie so einfach. In der Regierung sind zwei Parteien mit unterschiedlichen Auffassungen. Wir sollten uns daher am gemeinsam vereinbarten Regierungsprogramm orientieren.
ÖSTERREICH: Wo sehen Sie für die ÖVP die Schwerpunkte für das heurige Jahr?
Molterer: An erster Stelle steht für mich die Sicherheit der Menschen. Das bedeutet kompromissloser Kampf gegen Kriminalität, Gewalt an Kindern und Drogen. Gleich wichtig ist die Anstrengung für die Vollbeschäftigung und eine disziplinierte Budgetpolitik, damit wir uns die Steuerentlastung 2010 leisten können.
ÖSTERREICH: Apropos Budget. Sozialminister Erwin Buchinger beharrt auf seiner Forderung nach einer Verlängerung der Hackler-Regelung für Langzeitversicherte um drei Jahre. Passt das mit dem Sparen zusammen?
Molterer: Die ÖVP ist kein Partner für eine Regelung, die eine neue Frühpension durch die Hintertür bringt.
ÖSTERREICH: Also Nein zur Buchinger-Forderung?
Molterer: Es ist mir unerklärlich, warum Minister Buchinger nicht dazulernt. Wir haben eine genaue Vorgangsweise vereinbart. Die Beseitigung von Härten schließe ich dabei nicht aus. Notwendig ist aber auch, dass wir den Nachhaltigkeitsfaktor für die Pensionen zu einer Automatik umgestalten. Das Pensionssystem soll sich automatisch anpassen, wenn etwa die Lebenserwartung substanziell steigt. Nur so bleibt es stabil. Ich will, dass wir das heuer umsetzen.
ÖSTERREICH: Wird das Pensionsalter dann künftig automatisch steigen?
Molterer: Das gesetzliche Pensionsantrittsalter steht für mich dabei ebenso außer Streit wie die Eckpunkte der Pensionsreform. Eine Möglichkeit wäre, bei den jährlichen Pensionsanpassungen anzusetzen.
ÖSTERREICH: Sie berufen sich auf Vereinbarungen. Warum gilt das bei der Pflege nicht?
Molterer: Wir sind bereits im Sommer auf die Notbremse gestiegen und haben die Ergänzung um die selbstständige Pflege durchgesetzt. Dann hat es bis zum Herbst gedauert mit dem Finanzausgleich. Die Leute sagen, sie brauchen Zeit, sich zu informieren. Da ist es mir lieber, es kracht etwas in der Politik, als es kracht bei den Familien, weil sie verzweifeln.
ÖSTERREICH: Wie hoch soll die Entlastung bei der Steuerreform 2010 ausfallen?
Molterer: Ich verspreche jetzt kein Volumen, das sich Österreich dann nicht leisten kann. Wir müssen uns die Entlastung erst erarbeiten. Und da habe ich bei einigen Regierungskollegen Sorge, dass noch nicht alle an das Jahr 2010 denken.
ÖSTERREICH: Und wer soll dann profitieren?
Molterer: Meine Priorität ist der Mittelstand. Das sind die Leistungsträger, dazu gehören die Familien ebenso wie die Gutverdiener. Da reicht es nicht, die Grenze für den Spitzensteuersatz zu diskutieren, sondern ich will auch den Steuersatz von derzeit 50 Prozent senken. Ein zentrales Anliegen ist die Entlastung von Familien mit mehr Kindern. Hier gibt es noch Konflikte mit der SPÖ. Aber das beeindruckt mich nicht besonders. Das Familiensplitting wird ohne Zweifel kommen.
ÖSTERREICH: Wird der SPÖ-Wunsch nach einer höheren Negativsteuer für Niedrigverdiener umgesetzt?
Molterer: Da bin ich sehr skeptisch. Ich kann nicht sagen, ich habe eine Mindestsicherung oder eine Mindestpension, und auf der anderen Seite mache ich eine Negativsteuer. Die Frage ist, wie weit das Steuersystem mit dem Transfersystem bei den Sozialleistungen zusammenpasst.