Das bei dem Transit-"Gipfel" in Kufstein von Tirol, Bayern und Südtirol mit einer Absichtserklärung paktierte gemeinsame Verkehrsmanagement am Brennerkorridor rückt offenbar in weite Ferne.
Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) bleibt hart und machte am Freitag klar, dass Österreich bzw. Tirol zunächst die Transit-einschränkenden Maßnahmen abschaffen müssten. Erst in dem Falle würde Italien über das beabsichtigte Lkw-"Slot-System" diskutieren.
Ein solches Aufheben oder Lockern der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen hatten die politisch Verantwortlichen in Tirol jedoch stets kategorisch ausgeschlossen. "Wir können über Slots, Verkehrsmanagement und grüne Autobahnen diskutieren, aber zuerst muss Österreich die Fahrverbote an Samstagen, Nächten und Feiertagen abschaffen, denn das ist unlauterer Wettbewerb. Da die Frächter aus Venetien, Trentino oder Friaul die gleichen Rechte und Pflichten wie jene aus Österreich, oder Deutschland haben, muss Österreich die Regeln wieder herstellen, erst dann können wir über alles andere reden", blieb auch Salvini gegenüber der venezianischen Tageszeitung "Il Gazzettino" bei seiner bisherigen Position.
Zustimmung der Nationalstaaten notwendig
Damit ein Lkw-"Slot-System" tatsächlich umgesetzt wird, braucht es die Zustimmung der Nationalstaaten Deutschland, Österreich und Italien. Ein Staatsvertrag ist dafür notwendig. Zustimmung war von Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gekommen. Sie kündigte auch an, das Ganze in Gesprächen mit den Nachbarländern weiter voranzutreiben. Eine sehr reservierte Reaktion folgte hingegen aus dem deutschen Verkehrsministerium. Man begrüßte zwar jede Vereinbarung, die eine tatsächliche Verbesserung der schwierigen Verkehrssituation am Brenner bringe, meinte aber gegenüber der APA in Anspielung auf das gewollte Lkw-"Slot-System": "Eine echte Verbesserung setzt jedoch voraus, dass die Warenverkehrsfreiheit tatsächlich und nachhaltig verbessert wird. Systeme, die die Blockabfertigung mittels Digitalisierung fortsetzen, ändern am Grundsatz einer Kontingentierung nichts."
Unterdessen forderte Salvini am Freitag erneut bis Juni Lockerungen der Lkw-Fahrverbote und drängte wieder einmal auf ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich: "In Europa gibt es Verträge, die den freien Verkehr von Menschen und Waren vorsehen. Österreich hat sich jahrelang nicht um die europäischen Regeln und Verträge gekümmert und ich verstehe nicht, warum die Europäische Kommission jahrelang weggeschaut hat". Im Juni werde er in Absprache mit seinem deutschen Amtskollegen (Volker Wissing, Anm.) die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich beantragen.
EU-Vertragsverletzungsverfahren nur durch Kommission
Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren kann nur von der EU-Kommission eingeleitet werden. Es beinhaltet mehrere Stufen und kann letztlich zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen. Salvini hatte die EU-Kommission bereits mehrmals aufgefordert, ein solches Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.
Die Länder-Absichtserklärung zum gemeinsamen, digitalen Verkehrsmanagement war am Mittwoch von Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Südtirols LH Arno Kompatscher (SVP) auf der Festung Kufstein unterzeichnet worden. Bei dem "Slot-System" handelt es sich um buchbare Lkw-Fahrten. Damit sollen Frächter und Speditionen Slots (Termine) für Lkw-Gütertransporte am Korridor zwischen München und Verona buchen und so die Verkehrsströme entzerrt bzw. besser verwaltet werden. Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, muss entweder auf die Schiene oder auf einen anderen Tag umdisponiert werden, hatte es ursprünglich geheißen. Ende vergangenen Jahres hatte eine von Südtirol in Auftrag gegebene Studie dem Slot-System sowohl rechtliche als auch technische Machbarkeit attestiert.
Kommende Woche sollen sich indes Arbeitsgruppen erneut mit der näheren Ausgestaltung beschäftigen. Im Herbst wollen die Verantwortlichen dann alle Slot-Fragen geklärt haben, hieß es in der "Tiroler Tageszeitung" (Donnerstagsausgabe). Spätestens dann sind die Nationalstaaten am Zug, die das umsetzen müssten. Für den Fall, dass sie es ablehnen, hatte Bayerns Ministerpräsident Söder am Mittwoch schon einmal vorgebaut. Dann würden diese dafür die Verantwortung tragen: "Dann liegt die Verantwortung nicht mehr bei uns."