Nach heftiger Kritik an Orbans rassistischen Kommentaren in einer Rede will Kanzler Nehammer den ungarischen Ministerpräsidenten bei seinem Besuch in Wien darauf ansprechen.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will Ungarns Premier Viktor Orbán bei dessen Wien-Besuch am morgigen Donnerstag auf dessen viel kritisierten Aussagen ansprechen. "Jeder, der mich kennt weiß, dass ich das direkte Gespräch nicht scheue", sagte er am Mittwoch nach dem Sommerministerrat. Orbán hatte zuletzt mit rassistischen Aussagen und einem verstörenden Gas-Witz für Aufsehen gesorgt. Orbán selbst rechtfertigte indes seine Äußerungen.
"Alles, was mit Verharmlosung zu tun hat, ist für uns inakzeptabel", sagte Nehammer zu Orbáns Anspielungen auf den Holocaust. Für ihn gebe es daher keine "Zweifel, dass die Aussagen natürlich zu kritisieren sind". Österreich trage hier eine besondere Verantwortung, wies der Kanzler auch auf Initiativen gegen Antisemitismus im eigenen Land und Besuchen von Gedenkstätten hin.
Nehammer unter Zugzwang
SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried forderte Nehammer auf, bei dem Treffen am Donnerstag Ungarns Regierungschef klar herauszufordern. "Orbán darf in Wien keinen Kuschelbesuch absolvieren. Der ungarische Ministerpräsident ist schon seit Jahren ein Quertreiber in der Europäischen Union und hat am Wochenende wieder einmal gezeigt, wes Geistes Kind er ist", so Leichtfried in einer Aussendung vom Mittwoch. Er erwartet von Nehammer zudem, "dass er die Blockadehaltung Orbáns in der europäischen Asylpolitik, die laufenden EU-Vertragsbrüche der ungarischen Regierung und das Querstellen in der EU gegenüber Russland, anspricht".
Auch EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas übte deutliche Kritik an Orbáns Aussagen, ohne ihn allerdings namentlich zu erwähnen. Der griechische konservative Politiker schrieb am Mittwoch laut dpa auf Twitter: "Hass hat weder auf unseren Lippen, noch in unseren Gesellschaften etwas zu suchen." Der unter anderem für Migration und Gleichstellung zuständige Kommissar betonte: "Wir dürfen niemals zulassen, dass unsere Formulierungen den wesentlichsten Grundsatz unserer Existenz verraten: Wir sind alle gleichermaßen Menschen."
Hinsichtlich Antisemitismus und Rassismus verfolge Ungarns Regierung eine "Politik der Null-Toleranz", rechtfertigte Orbán sich selbst nach der heftigen Kritik an seinen Aussagen zur "Rassenvermischung" vom vergangenen Samstag im rumänischen Kurort Baile Tusnad. Sein am Dienstagabend veröffentlichtes kurzes Schreiben richtete er an seine langjährige Mitstreiterin, die Soziologin Zsuzsa Hegedüs. Die Beauftragte des Regierungschefs für gesellschaftlichen Anschluss war aus Empörung über die rassistischer Äußerungen Orbáns am Dienstag zurückgetreten.
Der ungarische Regierungschef verwies in dem Schreiben an Hegedüs auf seine christlichen Überzeugungen als Beweis dafür, dass er kein Rassist sein könne: "Wir kennen uns ewig und Du kennst meine Auffassung, nach der der liebe Gott jeden Menschen nach seinem Bild erschaffen hat", schrieb Orbán. Deswegen sei Rassismus in seinem Fall "ab ovo ausgeschlossen".
Rassismus-Kommentar
Orbán hatte am Samstag in einer Rede vor Anhängern in Baile Tusnad (ungarisch: Tusnádfürdö) erklärt: "Es gibt nämlich jene Welt, in der sich die europäischen Völker mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen. Das ist eine gemischtrassige Welt." Dem gegenüber gebe es das Karpatenbecken, wo sich europäische Völker wie Ungarn, Rumänen, Slowaken und andere miteinander vermischten. "Wir sind bereit, uns miteinander zu vermischen, aber wir wollen nicht zu Gemischtrassigen werden", hatte er bei seiner heurigen Ansprache im Rahmen der von Angehörigen der ungarischen Minderheit in Rumänien veranstalteten Sommeruniversität betont.
Zum Thema Senkung des Gasverbrauchs in der Europäischen Union scherzte er zudem: "Ich sehe nicht, wie das erzwungen werden soll, obwohl es dafür deutsches Know-how gibt, von früher, meine ich", sagte Orbán, offenbar in Anspielung auf die Gaskammern des Nazi-Regimes.
Die Aussagen des Regierungschefs wurden von vielen Seiten im In-und Ausland heftig kritisiert, darunter auch vom Internationalen Auschwitz Komitee. Komitee-Vizepräsident Christoph Heubner hatte Nehammer aufgefordert, dieser solle Orbán mitteilen, "wie seine rassistischen Ausflüge in die Vergangenheit und in die Zukunft Europas innerhalb der Europäischen Union bewertet werden".
Auch der Oberrabbiner Ungarns, Róbert Frölich, hatte offene Kritik an Aussagen Orbáns zur "Rassenvermischung" geübt. "Viele Rassen bevölkern unseren Planeten. Auf zwei Beinen, arbeitend, sprechend, manchmal auch nachdenkend gibt es aber nur eine Rasse auf dieser Erde: den Homo sapiens sapiens. Diese Rasse ist eine und unteilbar", kommentierte der Oberrabbiner Orbáns Aussagen auf Facebook.