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SP-Chefin geht nach Impf-Kampagne - das ist der Neue

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Oberösterreichs SPÖ-Chefin muss wegen einer emotionalen Impfkampagne zurücktreten - Klubchef Michael Lindner übernimmt.

In der SPÖ OÖ brauche es "ein Signal des Wechsel" - darauf verständigte sich das Parteipräsidium einstimmig in der Sondersitzung am späten Dienstagabend. Damit ist die Ablöse von Landesparteichefin Birgit Gerstorfer und Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer entschieden. Stein des Anstoßes: eine emotionale Impfkampagne. Klubobmann Michael Lindner soll die Führung übernehmen. Gerstorfer will sich Mittwoch in einer Pressekonferenz äußern - sie war auf Kroatien-Urlaub gewesen, als die Affäre explodierte.
 

SP-Chefin geht nach Impf-Kampagne - das ist der Neue
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Wegen dieser Kampagne musste Gerstorfer gehen.

 

Genossen forderten Aus auch von Parteimanager

Zuvor hatte der rote Nationalratsabgeordnete Dietmar Keck den "sofortigen Rücktritt" der beiden gefordert. Hintergrund soll eine Impfkampagne mit traurigen Kindern sein - eine Kampagne mit dramatischem Unterton: "Ich will dich nicht verlieren. Lass dich impfen. Jetzt." Ein SPÖ-Logo ist nicht zu sehen. In ganz Oberösterreich sollen in den kommenden Tagen rund 1.000 Plakate affichiert werden, dazu wird die Kampagne auf Social Media und im Radio gefahren. Eine Rolle spielt in dem Streit aber auch eine Studie im Auftrag der Landespartei, die die Rolle der Gewerkschaften hinterfragt. Es sei der "zweite Eklat innerhalb weniger Wochen", so Keck, der auch Vorsitzender der Linzer Sektion voestalpine ist. Luger meinte, er habe den ganzen Vormittag Gespräche mit führenden Sozialdemokraten in Oberösterreich geführt, und das Stimmungsbild sei eindeutig gewesen.

Gerstorfer
© APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
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Gerstorfer und Brockmeyer kommen zur Krisensitzung

Binder bestätigte, dass nach der Kampagnenpräsentation "der Stein ins Rollen" gekommen sei. Es stellte sich heraus, dass die Werbesujets von keinem Funktionär abgesegnet worden seien. Er sprach von einem Alleingang Gerstorfers und Brockmeyers. Innerhalb kürzester Zeit hätten die beiden zweimal gegen die "Usancen der Partei verstoßen". Daher ist auch für Binder das Duo nicht mehr tragbar. Klubobmann Lindner als neuer Parteivorsitzender sei für ihn logisch. "Er ist aus derzeitiger Sicht derjenige, der innerhalb der Partei mit der größten Unterstützung rechnen kann." Binder geht davon aus, dass in der Präsidiumssitzung über den vorgezogenen Parteitag und den Wechsel an der Spitze entschieden werde.

"Wechsel war unausweichlich"

Er selber "ärgert sich und bedauert", dass er noch gemeinsam mit Brockmeyer die Kampagne präsentiert habe, sagte Binder, der auch Gesundheitssprecher ist. Er sei gefragt worden, ob er diese in einer Pressekonferenz vorstellen würde. Er habe eingewilligt, ohne jedoch vorher die Sujets gekannt zu haben. Als er dann kurz vor der Pressekonferenz diese gesehen habe, fand er sie eigentlich auch nicht tragbar, meinte er. Allerdings sei er davon ausgegangen, dass sie von mehreren Personen freigeben worden war.

Gerstorfer hat bereits vor einiger Zeit erklärt, dass sie sich mittelfristig zurückziehen werde. Der Zeitpunkt war aber noch offen. Lindner wurde immer wieder als ihr Nachfolger gehandelt. Die Partei hatte bei der Landtagswahl im Herbst nur ein mageres Ergebnis erzielt und war in ihren Regierungskompetenzen beschnitten worden. Zuletzt sorgte zudem eine von der Partei in Auftrag gegebene Analyse für Unmut: Darin legen die Politikberaterin Jana Faus, der Journalist Horand Knaup und der ehemalige SPD-Politiker Michael Rüter der Partei nahe, ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften neu zu überdenken. Diese seien zweifelsfrei wichtig für die Sozialdemokratie, aber immer "einer bestimmten Klientel verpflichtet", oft wenig kompromissorientiert und mit "Hang zur Besitzstandswahrung" ausgestattet, heißt es in dem Papier. Dass immer bestimmte Listenplätze Gewerkschaftern vorbehalten sind, müsse zumindest einer Diskussion unterzogen werden, so der Rat, der für Unmut in den Reihen der Gewerkschaft gesorgt hat.

Gräben schon länger tief

Den letzten Ausschlag dürfte dann eine Impfkampagne gegeben haben, die Brockmeyer und Binder am Montag präsentiert haben. Sie zeigt ein trauriges Kind, darunter ist zu lesen: "Ich will dich nicht verlieren. Lass dich impfen. Jetzt." Ein SPÖ-Logo ist nicht zu sehen. In ganz Oberösterreich sollen in den kommenden Tagen rund 1.000 Plakate affichiert werden, dazu wird die Kampagne auf Social Media und im Radio gefahren. Man wolle Verantwortung übernehmen, so die Begründung für die Aktion.

Nicht nur heftige Kritik der FPÖ war die Folge - auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger ließ via "Heute" (Dienstag-Ausgabe) wissen, dass er die Plakate für "nicht gelungen" halte, Keck fand noch wesentlich schärfere Worte: "Wenn man Kinder und den Tod verknüpft, ist eine Grenze überschritten worden", sagte er, "das geht gar nicht". Abgesehen vom Sujet sei es auch nicht Aufgabe der SPÖ eine Impfkampagne zu machen, das sei Angelegenheit der zuständigen Regierungsmitglieder.

Michael Lindner wird Nachfolger

Wieder einmal geht es rasch bei Michael Lindner. Der Klubobmann soll ab sofort die Parteiführung der oberösterreichischen SPÖ von Birgit Gerstorfer übernehmen. Bereits zum Klubchef wurde Lindner Ende 2020 sehr unvorhergesehen: Sein Vorgänger Christian Makor verursachte alkoholisiert einen Parkschaden und nahm den Hut. Die Aufgabe als Klubvorsitzender der oberösterreichischen SPÖ meistert der 38-Jährige - der auch für einen Generationenwechsel steht - seit rund einem Jahr ohne gröbere Fehltritte. Vielmehr spitzte er die Arbeit stärker auf Oppositionslinie zu und erarbeitete sich rasch ein gutes Standing in der Fraktion.

Im Klub kümmerte sich Lindner zuletzt um die Bereiche Finanzen und Verfassung. Er kritisierte das Corona-Management der oö. Landesregierung mehrmals scharf und forderte unter anderem Luftfilter in den Schulklassen. Zuletzt kündigte er an, dass die oberösterreichische SPÖ Anfragebeantwortungen der Landesregierungsmitglieder selbst veröffentlichen wird. Denn das werde im Landtag seit Jahren blockiert, machte er seinem Ärger Luft.

Lindner beschrieb sich selbst einmal als "politischen Familienmenschen" und jemanden, der bereits sehr jung die Auffassung vertreten habe: "Wenn dir etwas nicht passt, ist es wichtig, dass man selbst anpackt." Diese Einstellung habe ihn früh in die Politik gebracht. Sein Leitsatz laute "Gerechtigkeit und gerechte Chancen für alle Menschen". Seine Freizeit gehört der Familie, und wenn dann noch Zeit bleibt, wird Tennis gespielt oder gelaufen, lässt er in seinem Steckbrief wissen.

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