Misstrauen in der Koalition

Türkis-Grün: Wer zuerst abspringt

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„Lange wird die Regierung nicht halten“, berichten grüne und schwarze Strategen.

Nervenschlacht. In Wirklichkeit würden „beide Seiten nur darauf warten, wer als Erster vom Koalitionstisch aufsteht“, berichtet ein langjähriger Regierungsstratege über den türkis-grünen Belauerungszustand. Die Umfragen für die Regierungsparteien – sie kommen gemeinsam seit Monaten nur noch auf rund 30 Prozent – schüren dieses Misstrauen noch.

Übersetzt: ÖVP und Grüne glauben, dass der jeweils andere den für sich „besten Moment“ suche, um „profitabel die Regierung platzen zu lassen“. Klingt zunächst aufgrund der Umfragen unlogisch? Ist es aber nicht.

Die Grünen – so ein hochrangiges Parteimitglied – müssten und könnten die Reißleine ziehen, falls es „neuerliche ÖVP-Skandale geben“ würde. Dann könnten die Grünen öffentlich argumentieren, dass sie „das nicht mehr mit unseren Werten vereinbaren können“, und vielleicht sogar ohne größere Verluste bei einer Wahl aussteigen.

Sollte die ÖVP sich in der Sache – also etwa bei den für die Grünen emotionalen Themen Klima oder Asyl – besonders hart geben, würde ebenso ein „Zeitfenster“ für die Partei von Werner Kogler entstehen.

Aber: Der grüne Insider meint, dass es „zwei Gruppen“ innerhalb der kleinen Regierungspartei gebe. Die eine, repräsentiert durch Klubobfrau ­Sigrid Maurer, wolle „un­bedingt regieren“. Die andere denke „strategischer“ und sage, man müsse aussteigen, „bevor wir mit dieser Koalition untergehen“.
Einen Haken gibt es freilich: die Gas- und Teuerungskrise. Auch in der ÖVP warnen manche, dass die Bevölkerung „wenig Verständnis für eine Neuwahl hätte“.

In der ÖVP sorgt man sich vor Überraschung

Poker. Gleichzeitig sorgen sich schwarz-türkise Strategen aber, dass „wir auf dem falschen Fuß erwischt werden könnten“. Sollten die Grünen „mit einem für sie opportunen Grund die Koalition platzen lassen, würden wir ins Bodenlose fallen“.

Diese VP-Strategen wollen, dass Bundeskanzler Karl Nehammer das „Gesetz des Handelns“ bestimme und die Grünen mit Asyl- und Zuwanderungsthemen reize. Wie das geht – immerhin finden Landtagswahlen in Tirol und ­Niederösterreich statt –, zeigen gerade VP-Innenminister Gerhard Karner und VP-Generalsekretärin Laura Sachslehner, die wohl im Auftrag des VP-Chefs agieren.

„Wenn wir aufgrund unserer Werte ‚Schluss‘ sagen, könnten wir wieder Stimmen von der FPÖ oder Ex-Wählern von uns, die ins Nicht-Wähler-Lager gewechselt sind, holen“, hofft ein ÖVP-Mann.

Dass die türkis-grüne Regierung gerade sehr großzügig mit Hilfen gegen die Teuerung agiere, könnte „beiden Seiten helfen“, so die Meinung in beiden Parteien.

Last, but not least be­obachten beide Parteien freilich nicht nur die Landtagswahlen, sondern auch die Bundespräsident­schaftswahl. Sollten dort „Quereinsteiger“ wie Marco Pogo oder Tassilo Wallentin über zehn Prozent schaffen und Alexander Van der Bellen im ersten Wahlgang unter 50 Prozent liegen, könnten beide Seiten noch nervöser werden.

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