Regierung

Gewessler kündigt Alarmstufe bei Gas-Lieferstopp an

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Leonore Gewessler ist die verantwortliche Politikerin in der Gaskrise – sie setzt stark aufs Energiesparen. Und: Wenn die Gaslieferungen weiter stocken, werde der Notfallplan aktiviert.

In der Tageszeitung ÖSTERREICH beschreibt die Grünen-Politikerin, was passiert, wenn Wladimir Putin weiter die Gaslieferungen reduziert. Dass diese Gefahr besteht, darüber macht sie sich keine Illusionen. Hier das ganze Interview.

 

ÖSTERREICH: Deutschland hat den Gasnotstand ausgerufen – warum wir nicht?
Leonore Gewessler: Wir haben uns entschlossen, das vorerst nicht zu tun. Die Lieferungen decken die Versorgung ab – und es ist gleichzeitig möglich, weiter einzuspeichern.

ÖSTERREICH: Wenn nicht mehr genug für Speicher geliefert wird, wird dann die Alarm­stufe ausgerufen?
GEWESSLER: Ja, sollte sich das ändern, dann braucht es auch in Österreich nächste Schritte. Wir dürfen uns keine Illusionen machen. Wladimir Putin nutzt Energielieferungen auch, um die Speicherfüllung zu erschweren. Österreich ist in einer guten Position, große Speicher zu haben. Wenn unsere Speicher voll sind, können wir einen vollen Jahresbedarf damit decken.

ÖSTERREICH: Können Sie garantieren, dass im Winter niemand frieren muss?
GEWESSLER: Wir sind derzeit in der Frühwarnstufe, die nächste Stufe wäre die Alarmstufe. Da würden wir die Industrie ersuchen zu sparen. Die Nächste ist die Notfallstufe: Das ermöglicht uns als Regierung, per Verordnung den Verbrauch von großen Industriebetrieben zu drosseln, damit Haushalte warm bleiben. Und dass die Stromversorgung funktioniert. Deshalb braucht man sich nicht fürchten, dass wir kalte Wohnungen haben.

ÖSTERREICH: Aber in diesem Fall sind in der Industrie viele Jobs gefährdet?
GEWESSLER: Wenn Russland sich entschließt, die Lieferungen komplett einzustellen, sind auch wir enorm betroffen. Das ist eben ein Ergebnis von 30 Jahren Politik, die uns in eine Abhängigkeit gebracht hat, die uns erpressbar macht. Diesen Zustand müssen wir beenden. Unsere Wirtschaft wird nur dann nicht angreifbar sein, wenn wir uns daraus befreien. Das ist ein Kraftakt, da braucht es alle, auch jene, die bisher gebremst haben.

ÖSTERREICH: Und wer ist das?
GEWESSLER: Das wissen die Betroffenen selbst.

ÖSTERREICH: Wie schnell können wir von russischem Gas unabhängig sein?
GEWESSLER: Wir haben für Österreich einen Plan ausgearbeitet, wie auch uns das bis 2027 gelingen kann. Das ist ein echter Kraftakt.

ÖSTERREICH: Ihre Sparaufrufe – Kochen mit Deckel – haben für Lachen gesorgt. Was sagen Sie den Kritikern?
GEWESSLER: Jedes Grad weniger bei der Heizung macht einen Unterschied. Und ja, da sind auch Tipps dabei, die wir alle kennen. Beim Autofahren Tempo reduzieren, beim Kochen den Deckel auf den Topf, das spart alles Energie. Klingt als Einzelmaßnahme lustig, wenn alle mitmachen, macht das aber einen großen Unterschied. Wir starten deshalb eine Kampagne zu Beginn der Heizsaison.

ÖSTERREICH: Sie können in der Notfallstufe Tempolimit verordnen – für Sie ein Thema?
GEWESSLER: Ja, das stimmt, es gibt im Energielenkungsgesetz in der Notfallstufe die Möglichkeit, weitreichende Maßnahmen wie ein Tempolimit zu verordnen. Aber im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats – eine große demokratische Absicherung für den absoluten Notfall.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen mit dem Koalitionspartner? Man hat den Eindruck, Sie sind das Lieblingsziel der ÖVP. Sie werden scharf kritisiert, und es kommen keine wirklichen Beschlüsse zustande. Knirscht es im Gebälk?
GEWESSLER: Da muss ich Ihnen widersprechen, wir haben in dieser Bundesregierung gerade das größte Entlastungspaket auf dem Weg gebracht –28 Milliarden Euro für die Menschen im Land.

ÖSTERREICH: Also die Krisen-Koalition hält bis 2024?
GEWESSLER: Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln.

ÖSTERREICH: Wie geht’s Ihnen persönlich damit? Ist die Last der Verantwortung nicht manchmal so groß, dass man alles hinschmeißen möchte?
GEWESSLER: Nein, nie. Ganz im Gegenteil. Erstens geht es genau in so einer Situation darum, rasch zu helfen. Und die Situation zeigt, was wir als Grüne seit vielen Jahren sagen: Die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen – und damit von Russland – ist ein Problem. Wir müssen da raus, und zwar schnell. Da heißt es anpacken.

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