In der ÖVP wird zaghaft Kritik an dem Kanzler-Skandalvideo laut – man hat aber auch Verständnis für den Sager.
Es kam, wie es kommen musste: Karl Nehammers Getreue rückten aus, um die unsäglichen Aussagen des Kanzlers in einer Salzburger Vinothek (McDonalds für hungernde Kinder) zu verteidigen. Auch Familienministerin Susanne Raab verteidigte den Kanzler: Wer in Österreich hungere, dem helfe der Sozialstaat. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker gab eine Pressekonferenz und zählte Sozialleistungen auf.
Tiroler ÖVPler „dreht es den Magen um“
In Tirol sieht man das anders, der dortige AK-Präsident Erwin Zangerl – ein FCG-Politiker – sprach im ORF-Radio Klartext: „Da wird es jeden sozialen Schwarzen schon am Morgen den Magen umdrehen. Es ist schon erschütternd, in abgewandelter österreichischer Tradition zu sagen, wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie zu McDonalds gehen.“ Auch die Behauptung Nehammers, man müsse eben mehr arbeiten, wenn man mehr Geld haben wolle, ärgert Zangerl „Leute, die gerne arbeiten wollen, habe ja nicht einmal die Möglichkeit dazu. Das ist einfach eine Betrachtungsweise, die ist derart oberflächlich, dass ich sie nicht nachvollziehen kann.“
Ex-Volksanwältin: „Ton ist nicht okay, aber...“
Die frühere ÖVP-Volksanwältin Gertrude Brinek – bekannt für ihr soziales Engagement – sieht die Sache differenziert: „Natürlich war der Ton nicht okay“, aber: „Ich sehe auch viele Menschen, die schnell Ansprüche an den Staat stellen und ihn damit auch überdehnen“. Natürlich sei es Frauen ohne Betreuungspflichten zuzumuten, auch mehr zu arbeiten. damit sie mehr verdienen, Nicht zuletzt gehe es ja auch darum, Altersarmut zu verhindern.
Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer richtete aus: „Über Geschmäcker und Wortwahl kann man immer streiten. Für mich zählt aber vor allem, was Bundeskanzler Nehammer zum Ausdruck bringen wollte: Leistung und Eigenverantwortung sind die Grundlagen für eine solidarische Gesellschaft. Nur mit diesem gemeinsamen Verständnis, kann man als Gesellschaft jenen helfen, die gerade Unterstützung brauchen. Und da haben die Bundesregierung, aber auch die oö. Landesregierung in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Unterstützungspakete vor allem auch für Familien und Kinder auf den Weg gebracht.“
ÖVP-Umfeld dafür umso kritischer
Um so kritischer ist man im kirchlichen Umfeld: Caritas-Präsident Michael Landau attestierte Nehammer, er habe von der Realität wenig Ahnung. Martina Erlacher, Vorsitzende der Katholischen Jungschar Österreichs ist entsetzt über die "Entgleisung" des Bundeskanzlers. „Wir brauchen Politiker*innen, die Verantwortung übernehmen und nicht in weingeselliger Runde Scherze über die Ärmsten unserer Gesellschaft machen“.