"Heimat großer Töchter"

Skurriler Streit um Hymne im Nationalrat

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Die ÖVP setzte im letzten Moment auf ein "Redeverbot" für Rauch-Kallat.

Ein völlig skurriles Ende hat die Saison 2010/2011 des Nationalrats genommen. Die Spitze der ÖVP-Frauen hatte in einer Geheimaktion mit den Kolleginnen von SPÖ und Grünen einen Gesetzesantrag auf Änderung des Textes der Bundeshymne verfertigt, den Ex-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (V) in ihrer Abschiedsrede aus dem Nationalrat vortragen sollte. Das verhinderte der ÖVP-Klub, indem er einen männlichen Mandatar nach dem anderen zum Rednerpult schickte und Endlosreden etwa über den Süßstoff Stevia oder Mastschweine halten ließ. Für Rauch-Kallat, die 1983 erstmals ins Hohe Haus eingezogen war, blieb nicht einmal eine Minute Redezeit zum Abschluss ihrer langjährigen Polit-Karriere.

"Heimat großer Töchter, Söhne"
Der Antrag, der von VP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm, ihrer Vorgängerin Rauch-Kallat, Grünen und SPÖ-Frauen eingebracht wurde, sieht die Änderung einer Textzeile vor. Statt "Heimat bist du großer Söhne" soll es künftig "Heimat großer Töchter, Söhne" heißen. Dass Rauch-Kallat den Antrag nicht selbst begründen durfte, fand Schittenhelm gegenüber Journalisten bedauerlich. Dass es sich da um eine gezielte Aktion von Klubchef Karlheinz Kopf gehandelt haben könnte, wollte sie so nicht bestätigen. Vielleicht habe es sich ja um ein Versehen gehandelt.

Schittenhelm glaubt aber durchaus, dass der Antrag Chance auf Umsetzung hat. Heute wurde er wie üblich dem zuständigen Ausschuss, dem Verfassungsausschuss, zugewiesen, wo er ab Herbst diskutiert wird.

Sprache schafft Bewusstsein
Rauch-Kallat selbst wollte sich nicht äußern. Sie stellte aber die auf fünf Minuten angelegte Rede schriftlich zur Verfügung. In diesem Text meint sie zur Hymne, dass Sprache Bewusstsein präge und der Austausch von nur zwei Wörtern wohl kein größeres Problem darstellen dürfe. Zweites großes Thema war ihr Wunsch, dem Thema Präimplantationsdiagnostik im Hohen Haus breiten Raum zur Diskussion zu geben.

"Nationalen Selbstmordplan"
Dass sie nicht ans Mikrofon durfte, fand Grünen-Gesundheitssprecher Kurt Grünewald schade. Er wisse nicht, ob das ein Zeichen für die "großen Söhne" in der ÖVP sei. VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, der die letzte Minute Redezeit der ÖVP verbrauchte, war von der Sache wohl etwas mitgenommen. Unter lautem Gelächter bewarb er einen "nationalen Selbstmordplan", eigentlich wollte er über einen Plan zur Selbstmordprävention sprechen. VP-Klubchef Karlheinz Kopf wollte sich auf Anfrage weder zum Rauch-Kallat-Antrag noch zum vermeintlichen "Redeverbot" für die eigene Mandatarin äußern.

Beschlossen wurde in den Abendstunden noch eine Modernisierung des Obersten Sanitätsrats mit einer Verkleinerung des Beratungsgremiums auf 36 Personen und einer 40-prozentigen Frauenquote sowie die Möglichkeit, Blutspendern eine Aufwandsentschädigung zu bezahlen.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) bilanzierte das Jahr zum Abschluss positiv. Zwar habe es eine Sitzung weniger gegeben, dafür sei 25 Stunden länger diskutiert worden.

Beendet wird die Sommerpause in der zweiten Septemberwoche, wenn die Ausschussarbeit wieder aufgenommen wird. Das nächste Plenum erfolgt am 21. September. Zumindest am Papier keine Sommerpause hat der Bundesrat. Allerdings ist auch in der Länderkammer im Sommer nur eine Sitzung vorgesehen, nämlich am 21. Juli.

Benützt wird die Parlamentspause auch für einige Umbauarbeiten. Unter anderem wird das Glasdach über dem Plenarsaal renoviert, weshalb im Fall einer außertourlichen Sitzung in den historischen Sitzungssaal ausgewichen werden müsste.

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