Asyl-Debatte

So leben die
 Zelt-Flüchtlinge

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"Bin in Sicherheit – aber warum muss ich ins Zelt?"

Es ist der Aufreger der Woche – die Zeltstädte für Flüchtlinge. Innenministerin Mikl-Leitner sieht sie als „letzte Chance“. Ihre Gegner nennt Mikl-Leitner „Oberg’scheite und Sprücheklopfer“ (siehe Interview weiter unten).

Am Samstag bezogen die ersten 156 Asylwerber die Zeltstädte. Zur Begrüßung gab es für jeden ein Sackerl mit Mozartkugeln. Doraja Eberle überreichte ihnen die berühmten Schoko-Kugeln:

So leben die
 Zelt-Flüchtlinge
© Michael M. Vogl

(C) Neumayr-Foto

Wie sieht es in den Notquartieren wirklich aus? Ein Lokalaugenschein von ÖSTERREICH:

Zeltstadt
Acht Meter lang, 5,6 Meter breit, 2,70 Meter hoch – das sind die Zelte. Acht stehen in jedem Zelt. Der Abstand von Bett zu Bett beträgt gerade mal einen halben Meter. Der Boden ist eine Plastikplane. Neben jedem Bett ein kleiner Spind, sonst nichts.

Drei Camps sind fertig:

12 Zelte stehen in Linz. Auf dem Sportplatz der Polizeidirektion. 56 Flüchtlinge zogen am Samstag ein. Einer von ihnen ist Rida (24), er kommt aus Syrien, sagt zu ÖSTERREICH: „Ich bin froh, in Sicherheit zu sein. Warum aber schieben sie uns in Zelte ab?“

Gegessen wird in Linz in der Polizeikantine. Duschen gibt’s in der Polizei-Turnhalle.

Eine weitere Zeltstadt steht in Thalham, Attergau (OÖ). Direkt neben dem Aufnahmezentrum für Asylsuchende. 36 Menschen zogen hier vorerst ein: 12 Acht-Mann-Zelte, Dixie-Klos. Schon jetzt gibt es heftigen Widerstand, Attergau-Bür­germeister machen mobil, planen für kommende Woche eine Protestaktion.

 In Salzburg steht das dritte Zentrum. Auf dem Sportplatz der Polizeidirektion. Erst Samstagabend zogen die ersten Flüchtlinge ein.

Rekord bei den Asylanträgen – mehr als 300 pro Tag.

Schon in den nächsten Tagen werden auch die Not-Camps voll sein:

 Mehr als 300 Asylanträge gibt es derzeit täglich – Tendenz steigend.

Von Jänner bis April 2015 wurden 14.225 Anträge gestellt – plus 159 Prozent. Das ist historischer Höchststand seit 2006.

 

Mikl-Leitner kritsiert die „Sprüche­klopfer“


ÖSTERREICH: Was sagen Sie zur Kritik an Ihren Zeltlagern?

Johanna Mikl-Leitner: Wir hatten in den letzten Tagen genug Sprücheklopfer. Das ist eine Ausnahmesituation, die für alle schwierig ist. Ich habe deshalb gehandelt. Mit den Zelten helfen wir den Bundesländern, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und die Asylwerber vor Obdachlosigkeit zu schützen. Würden die Zelte nicht stehen, stünden die Flüchtlinge auf der Straße. Das ist einzelnen Verantwortungsträgern in den Ländern offenbar noch immer nicht bewusst.

ÖSTERREICH: Ist absehbar, wie lange die Lager nötig sein werden?

Mikl-Leitner: Die Zelte stehen so lange, bis die Länder ausreichend Quartiere zur Verfügung stellen. Ist das der Fall, werden sie natürlich sofort abgebaut.

ÖSTERREICH: Wie lange müssen die einzelnen Flüchtlinge jeweils in Zelten wohnen?

Mikl-Leitner: Es sollte jeweils nur einige Tage dauern, bis ein festes Quartier zur Verfügung steht.

ÖSTERREICH: Sie haben die Sprücheklopfer kritisiert. Wen meinen Sie denn konkret?

Mikl-Leitner: Es gab genug Meldungen aus den Ländern sowie von den NGOs. Bis jetzt gibt es aber nur Sprüche und keine Quartiere. Alles dauert Tage, wenn nicht Wochen. Einmal sind die Bürgermeister dagegen, das andere Mal muss es Adaptierungen geben. Beim Krisengipfel am Freitag konnte von eben ­diesen Institutionen kein einziges Quartier verifiziert werden, das ohne Widerstand von Ländern oder Bürgermeistern sofort beziehbar wäre. Wir brauchen die Quartiere aber jetzt!

Interview: G. Schröder

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