Präsident in Traiskirchen

Traiskirchen 
wird endlich 
Chefsache!

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Chefsache: Die Spitze der Republik machte sich am Mittwoch selbst ein Bild vor Ort.

Wien/Traiskirchen. 700 Flüchtlinge, die im Freien schlafen müssen, ein mit 3.600 Personen dramatisch überfülltes Traiskirchen, harsche Amnesty-International-Kritik – am Mittwoch wurde die Asyl-Causa endlich zur Chefsache erklärt. Um 10.30 Uhr starteten Bundespräsident Heinz Fischer, Kanzler Werner Faymann (SPÖ), sein Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sowie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einen Lokalaugenschein in Aufnahmezentrum.

Gut eine Stunde wurden sie durch die Anlage geführt. Die Politiker sprachen mit Flüchtlingen, auch mit denen, die auf der nassen Wiese schlafen müssen. „Ich war sehr berührt“, sagt Präsident Heinz Fischer nach der Besichtigung zu ÖSTERREICH.

Kanzler Faymann appelliert an Bundesländer

Von ihm kam die Initiative für den Besuch. Vergangene Woche ist Fischer in Kontakt mit dem Innenministerium getreten, Mikl-Leitner leitete die Idee an die Regierungsspitze weiter. Nach dem ­Lokalaugenschein betonten alle Politiker, dass die Situation so nicht bleiben kann. „Das ist humanitär nicht tragbar“, sagte Faymann und griff die Bundesländer an: „Jedes Bundesland, das seine Quote nicht erfüllt, trägt Mitverantwortung dafür, dass Menschen auf der Straße, in Zelten oder Bussen leben müssen.“ Die einzige Lösung für die Situation wäre, genügend Plätze in den Ländern zu schaffen. Er appelliere an „jedes Bundesland, rechtzeitig menschenwürdige Quartiere zur Verfügung zu stellen, damit Zustände wie jene in Traiskirchen endlich der Vergangenheit angehören“.

Stadtchef fordert jetzt Stufenplan vom Bund

Nach dem Lokalaugenschein empfing Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) die Spitze der Republik. Er forderte eine umgehende Entlastung des überfüllten Lagers in seiner Stadt. „Das Innenministerium muss dafür einen Stufenplan vorlegen“, so Babler.

Innenministerin droht mit Klage gegen die EU

Die Innenministerin will die Entlastung Traiskirchens jetzt auch durch eine fairere Verteilung in Europa erreichen – und erhöht den Druck. Nachdem Verhandlungen im Frühling nichts brachten, droht sie mit einer Klage gegen die EU-Kommission. Konkret müsse die EU nachjustieren, sodass nicht mehr ein paar wenige Länder die Hauptlast der Flüchtlinge tragen müssten – etwa Österreich. Sollte die Kommission nicht reagieren, würde die Klage eingebracht. Aus dem Bundeskanzleramt gab es aber bereits Zweifel an der Idee Mikl-Leitners. Ein „Einklagen“ einer Quote sei rechtlich „nicht möglich“.(pli)

36.500 Asylanträge gingen bisher ein – die höchsten Zahlen seit Beginn der Statistik.

Wien. 80.000 Flüchtlinge erwartet das Innenministerium in diesem Jahr in Österreich. Bis Ende Juli gingen schon 36.500 Asylanträge ein. Im gesamten Vorjahr waren es 28.027.

  • 275 Anträge pro Tag: Seit März steigt der Flüchtlingsstrom extrem an: Damals gab es rund 100 Asylanträge am Tag. Im Juli waren es bereits 275. Drei Viertel der Anträge stellen Burschen und Männer. Zehn bis 15 Prozent der Flüchtlinge sind unbegleitete Minderjährige. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien (25 %), Afghanistan (20 %) und dem Irak (13 %).
  • 1,2 Mio. in EU: Deutschland erwartet heuer 750.000 Flüchtlinge, in der ganzen EU sollen es 1,2 Millionen Asylwerber werden. Doppelt so viele wie noch 2014.
  • 457 Schlepper gefasst: Der Großteil der Flüchtlinge wird von Schleppern in die EU geschleust. Im Vorjahr nahm die Polizei 511 Schlepper in Österreich fest, dieser Wert ist jetzt mit 457 schon fast erreicht. 51 Schlepper saßen zum Stichtag 1. Juli in Strafhaft.
  • Teure Flucht: Die Schlepper nehmen vermehrt die Balkanroute. 2.000 bis 5.000 Euro kostet der Transport in einem Lkw-Laderaum. Dort werden bis zu 100 Menschen zusammengepfercht. Ohne Wasser und Frischluft.
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